Herr Möhring, herzlichen Glückwunsch zur tollen Luftgitarre, die Sie am Ende von „Das Leben ist nichts für Feiglinge" spielen. Irgendwann geht es eben mit mir durch. Bei dieser Musik bietet sich das ja an.
Hatten Sie Mitspracherecht beim Soundtrack? Nein, aber ich finde ihn großartig! Die Gothic- und Metalwelt, aus der meine Filmtochter Kim kommt, wird über den Sound extrem porträtiert. Da wird keine Standardgefühlsmusik gespielt, sondern Klänge, die man nicht oft hört.
Haben Sie sich bei der Luftgitarren-Szene von Ihrer Zeit als Punk und Musiker inspirieren lassen? Die Energie ist immer noch da, ich stehe auf direkte Strommusik, höre sie gerne und gehe auf Konzerte. Ich lebe die Musik immer noch da aus, wo sie hingehört: in den Gliedmaßen!
In „Das Leben ist nichts für Feiglinge" spielen Sie Markus, den alleinerziehenden Vater einer rebellierenden Teenie-Tochter. Ihre eigenen Kinder sind sehr jung - womit könnten sie später gegen Sie rebellieren? Wenn eines meiner Kinder mal mit einem Iro nach Hause kommt, würde ich zu ihm sagen: „Du bist voll 80er!" Aber die Rebellion, die noch kommen wird, ist noch nicht abzusehen. Sonst wäre es ja keine. Wer weiß, in was für einer Welt meine Kinder leben werden? Was wird sie ausmachen, was wird der Unterschied zwischen uns sein, welche Musik wird sie prägen, wo wird mein Verständnis aufhören und ihre Lust anfangen?
Sie sind schwer beschäftigt und dreifacher Vater. Wie kriegen Sie alles unter einen Hut? Im Moment übernimmt meine Freundin sehr viel, ich bin ihr unendlich dankbar. Das schlechte Gewissen begleitet mich. Mein Fokus liegt jetzt bei der Familie, ich bleibe nach dem Dreh nicht noch einen Tag zum Abschlussfest, sondern fahre nach Hause. Das ist neu. Ich muss die Zeit mit meiner Familie sehr schwer verteidigen.
Warum haben Sie mit dem Musikmachen aufgehört? Ich musste mich für eine Kunstform entscheiden. Bei der Schauspielerei bin ich nur für mich verantwortlich. Nicht für eine Band. Aber es fehlt mir, Energie über ein Instrument auszuleben. Eine Gitarre steht noch zu Hause, aber zum Spielen ist die Zeit zu knapp.
Sie haben erst mit 30 begonnen, als Schauspieler zu arbeiten. Überrascht Sie Ihr Erfolg? Natürlich braucht man ein Quäntchen Glück und die richtigen Projekte. Trotzdem wird einem der Erfolg nicht in den Schoß gelegt. Durch Absagen definierst du dich genauso wie durch Zusagen. Erfolg ist nie planbar, da hat das Schicksal ein Wörtchen mitzureden.
Sie spielen mal in sehr anspruchsvollen, mal in eher leichten Filmen - wie entscheiden Sie sich für eine Rolle wie in „Mann tut was Mann kann?" Bei „Mann tut was Mann kann" reizte mich die erneute Zusammenarbeit mit Regisseur Marc Rothemund. Und die Herausforderung, mit ihm einmal etwas scheinbar Leichtes zu drehen. Wenn der Regisseur eine Vision hat, die mich ansteckt, dann bin ich schon doppelt dabei. Es muss sich lohnen, dafür zehn Tage von der Familie weg zu sein.
Gilt das auch für den „Tatort"? Beim „Tatort" will ich herausfinden, ob ich bereit bin, eine Reihe zu stemmen. Will ich der sein, der bleibt, während die Regisseure kommen und gehen? Das habe ich noch nie gemacht. Ich mag Dinge, die ich noch nie gemacht habe. Dass man sich damit an das Heiligtum der deutschen Fernsehlandschaft wagt, ist die andere Seite. Der „Tatort" ist nicht irgendein Film, das ist das Lagerfeuer der Deutschen.
Sie haben Väter gespielt, Killer und Pädophile. Ist es leichter, eine Figur wie den Filmvater Markus zu verstehen als einen Bösen? Mit geht es darum, für meine Charaktere Gerechtigkeit walten zu lassen. Ich liebe jede meiner Figuren, ich leide mit ihnen. Auch mit dem Pädophilen, der sich zermürbt und gelitten hat.
Wie haben Sie sich dem angenähert? Über Szenen und Gespräche. Ich will nicht im Internet herumkrabbeln, um zu sehen, wie viele Leute sich an so etwas beteiligen. Es gibt aber Rollen, bei denen für das Handwerkliche eine Vorbereitung gefragt ist. Wenn ich einen Busfahrer spiele, muss ich wissen, wie man Bus fährt.
Gibt es eine Rolle, die Sie sich nicht zutrauen? Wenn dir ein Produzent oder Regisseur eine Rolle anbietet, dann sieht er etwas in dir. Von mir aus würde ich alles ausprobieren, aber ich weiß natürlich, dass man mir nicht alles zutrauen wird. Aber ich werde inzwischen in keine Ecke mehr gedrängt. Der Intellektuelle wird mir nur selten angetragen, und lange hat man versucht, den Arbeiter aus mir zu machen. Das ist legitim. Aber wenn es um die Auslotung menschlicher Abgründe geht, schrecke ich nicht zurück.
Sie spielen oft, nun ja, sehr männliche Männer in Ihren Filmen. Haben Sie eine gute Definition für den neuen Mann, über den sich das Feuilleton regelmäßig streitet? Diese Diskussion gibt es schon gefühlte 100 Jahre! Ich finde diese Typisierung - typisch Mann, typisch Frau - schwierig, weil es bedeutet, dass es richtig und falsch gibt. Wir sind physisch das stärkere Geschlecht, also trägt den Einkauf der Typ und nicht die Frau. Wenn die Frau stärker ist, trägt die Frau. Es ist schwierig: Du hältst einer Frau die Tür auf - und du bist ein Chauvi. Hältst du sie nicht auf, dann bist du stumpf. Den Druck „Bin ich modern, mache ich alles richtig?", den sollte man sich als Mensch machen und nicht als Mann oder Frau.
Gehen Sie mit der Rolle des Filmvaters Markus in Richtung sanftere Typen? Nein, gar nicht. Vom Alter und der Haltung her nähere ich mich aber immer mehr den Vaterfiguren. Kim war die älteste Filmtochter, die ich je hatte.
Wie fühlt sich das an? Kein Problem.
Wenn Sie sich einen Regisseur aussuchen könnten - wer wäre das? Da gibt es einige. Das muss gar nicht die große Hollywood-Sache sein. Ich mag die englischen und skandinavischen Milieufilme - Ken Loach zum Beispiel.
Fühlen Sie sich manchmal noch als Punk? Ich fühle mich immer noch als der, der ich auch als Punk war. Die Einstellung, sich mit Sachen nicht einfach abzufinden, sondern sie zu hinterfragen, die ist immer noch da.