Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis hat im Jahr 2009 über eine undurchsichtige Offshore-Konstruktion ein Herrenhaus und drei Hektar Land im südfranzösischen Städtchen Mougins an der Cote d'Azur erworben. Das geht aus den "Pandora Papers" hervor. Demnach nutzte Babis für den Kauf des Anwesens drei Briefkastenfirmen.
Babis gilt als einer der reichsten Männer Tschechiens, seit 2017 ist er Ministerpräsident des Landes. Entgegen bestehender tschechischer Regularien legte Babis als Politiker seine Beteiligung an Briefkastenfirmen offenbar nicht offen. Die Enthüllung kommt für Babis zur Unzeit, da in der kommenden Woche in Tschechien Parlamentswahlen stattfinden. Babis hatte sich in der Vergangenheit als Verfechter von Transparenz und als Kämpfer gegen Korruption öffentlich in Szene gesetzt.
Die "Pandora Papers" sind ein riesiges Datenleck aus der Welt der Schattenfinanzplätze. Die Daten geben Aufschluss über die wahren Eigentümer von mehr als 27.000 Offshore-Firmen. In den Daten finden sich Politikerinnen und Politiker, Superreiche, Oligarchen, Kriminelle und Prominente. Die 11,9 Millionen vertraulichen Unterlagen umfassen Gründungsurkunden von Briefkastenfirmen und Trusts, E-Mails, Abrechnungen und andere Dokumente. Die Daten wurden in einer geheimen Recherche von mehr als 600 JournalistInnen und Journalisten aus 117 Ländern ausgewertet. Beteiligt waren Medien wie die "Washington Post", die BBC, Radio France, der ORF, "El País" und "Aftenposten". In Deutschland recherchierten Journalistinnen und Journalisten von NDR, WDR und SZ an dem Datenleck. Der Datensatz wurde dem Internationalen Konsortium für Investigative Journalistinnen und Journalisten (ICIJ) von einer anonymen Quelle zugespielt. Das ICIJ teilte die Daten mit den Partnermedien und koordinierte die Recherchen. Das ICIJ leitete bereits globale Recherchen zu Schattenfinanzplätzen, darunter die "Panama Papers", die "Paradise Papers" und die "Luxemburg Leaks". Die vertraulichen Unterlagen stammen von 14 Offshore-Providern, also von Firmen, die ihren Kunden dabei helfen, Briefkastenfirmen, Trusts etc. aufzubauen. Häufig werden Briefkastenfirmen rechtlich in Ländern angesiedelt, die international durch eine schwache Geldwäschekontrolle, intransparentes Finanzgebaren und durch besonders niedrige Steuersätze auffallen. Der Besitz von einer Briefkastenfirma ist nicht illegal. Offshore-Firmen können auch zu legalen Zwecken genutzt werden. Häufig dienen derartige Firmen-Konstrukte aber der Geldwäsche, der Steuerhinterziehung oder der Steuergestaltung.
Babis äußert sich nichtDer intransparente Kauf der Immobilien wirft zahlreiche Fragen auf. Den vertraulichen Unterlagen zufolge ließ Babis 2009 drei Offshore-Firmen Blakey Finance Ltd. (Britische Jungferninseln), Boyne Holding LLC (Washington) und eine weitere Firma in Monaco gründen. Anschließend stattete er eine der Firmen mit rund 15 Millionen Euro aus. Diese reichte das Geld an die anderen Firmen weiter, um das Anwesen Chateau Bigaud samt Ländereien zu erwerben.
Woher das Geld für den Kauf des Luxusanwesens stammt, geht aus den "Pandora Papers" nicht hervor. Steuerexperten und ehemalige Finanz-Fahnder erklärten NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung", die gewählte Konstruktion trage "alle typischen Warnsignale für Geldwäsche". Natürlich gelte die Unschuldsvermutung, so Christoph Trautvetter, Finanzexperte vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. Belege dafür gibt es nicht. Allerdings sei das Vorgehen "eindeutig der Versuch, diese Geldflüsse zu verschleiern".
Babis steht öffentlich bereits unter Druck. Die neu gegründete europäische Staatsanwaltschaft (EPPO) beschäftigt sich mit einem möglichen Interessenkonflikt bei der Firma Agrofert, die Babis lange Jahre kontrollierte. Agrofert soll unrechtmäßig EU-Subventionen erhalten haben. Babis bestreitet das. Trotz mehrerer schriftlicher Nachfragen wollte er sich nicht zu den Ergebnissen der Recherchen äußern. Bereits akkreditierte Journalisten aus dem ICIJ-Netzwerk und mehrere ARD-Reporter ließ er in der vergangenen Woche kurzfristig von Wahlkampfveranstaltungen wieder ausladen.
Transparenz versprechen, Offshore-Firmen nutzenBabis ist nicht der einzige Spitzenpolitiker, der mit fragwürdigen Geschäften in den "Pandora"-Daten auftaucht. Auch die Präsidenten von Ecuador und Gabun sowie die ehemaligen Präsidenten von El Salvador, Panama, Paraguay und Honduras finden sich in dem Datensatz. In einigen Fällen offenbaren die vertraulichen Daten ein eklatantes Auseinanderfallen zwischen dem, was Politiker öffentlich versprechen, und dem, was sie im Schutz von Schattenfinanzplätzen wirklich tun.
So sprach sich Kenias Präsident Uhuru Kenyatta öffentlich dafür aus, die Vermögen von Staatsdienern offenzulegen, um mehr Transparenz zu ermöglichen. Doch auch Kenyatta und seine Familie besitzen zahlreiche Offshore-Firmen, unter anderem in Panama. In einigen der Firmen liegen Vermögenswerte in Höhe von mehr als 30 Millionen US-Dollar. Kenyatta und seine Familie ließen eine Anfrage zu dem Vorgang unbeantwortet.
Wie problematisch die Nähe der politischen Elite zum Offshore-System sein kann, zeigt sich eindrücklich am Beispiel Brasiliens. Dort beschäftigte sich Brasiliens Wirtschaftsminister Paulo Guedes vor Kurzem mit einer Steuerreform auf Gewinne aus Steueroasen, zog die Pläne nach Protesten von Geschäftsleuten aber erstmal zurück. Die "Pandora"-Recherchen zeigen nun, dass Guedes seit 2014 selbst eine Offshore-Firma besitzt. Auf Nachfrage erklärte ein Sprecher, die Briefkastenfirma sei den Behörden bekannt. Beweise dafür, dass Guedes sie tatsächlich gemeldet hat, blieb er allerdings schuldig.
Auch der König von Jordanien, Abdullah II., hält offiziell viel von Transparenz. In seinem Namen wird ein Preis vergeben, der entsprechendes Engagement auszeichnet. Im Zuge der Corona-Krise sprach sich der Premierminister des Landes dafür aus, rigoros gegen Steuersünder vorzugehen, die ihr Vermögen in Schattenfinanzplätzen versteckten.
Die "Pandora Papers" zeigen nun, dass auch Abdullah im großen Stil Offshore-Geschäfte betrieben hat. Zwischen 2003 und 2017 erwarb der Monarch über Briefkasten-Firmen insgesamt 14 Luxus-Immobilien in den USA und in Großbritannien. Der Gegenwert des Investments liegt bei mehr als 106 Millionen US-Dollar. Woher das Geld stammt, ist unklar. Auf Nachfrage erklärte eine Rechtsanwaltskanzlei im Auftrag des Monarchen, die meisten der fraglichen Offshore-Firmen existierten nicht mehr, außerdem würden nicht alle genannten Immobilien dem König gehören.
In den vergangenen Jahren werteten internationale Reporterinnen und Reporter immer wieder riesige Datenlecks aus Steueroasen aus, darunter die " Panama Papers" und die " Paradise Papers". Im Zuge der Veröffentlichungen sagten zahlreiche Politiker auf der ganzen Welt dem Treiben in den Steueroasen den Kampf an. Das neue Leak, die "Pandora Papers" zeigen, dass "wir noch einen weiten Weg vor uns haben, Steuerbetrug und Geldwäsche über Briefkastenfirmen zu bekämpfen", sagte der Finanzexperte Sven Giegold im Interview. Giegold sitzt für die Grünen im Europaparlament. "Wenn wir nun sehen, wie viele Politiker wirklich eng mit diesem System verbunden sind und davon profitieren, dann erklärt sich vielleicht auch, weshalb der politische Kampf gegen Schattenfinanzplätze so mühsam ist".