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Blockade am Frachtflughafen: DHL klagt gegen Klimaaktive

von Anna Hoffmeister und Felix Sassmannshausen


Konzern fordert eine halbe Million Euro Schadensersatz nach Blockade eines Frachtflughafens. Von Felix Sassmannshausen und Anna Hoffmeister


Der Protest gegen Großkonzerne könnte Klimaaktive in Zukunft teuer zu stehen kommen. Nachdem 54 Personen vor zwei Jahren eine Zufahrtsstraße des Logistikzentrums DHL am Flughafen Leipzig/Halle blockiert hatten, stand am Freitag das erste Mal eine der Beteiligten vor Gericht. Für den entstandenen Schaden forderte die DHL vor dem Landgericht Halle rund 84 000 Euro von ihr. Fünf weitere der Klimaaktiven müssen sich noch vor Gerichten in Leipzig und Dresden verantworten. Insgesamt klagte der Konzern auf rund eine halbe Million Euro Schadensersatz.


Die DHL wurde dabei von Thilo Korn der Leipziger Kanzlei „Korn & Letzas" vertreten. Er sollte die mutmaßlich während der Blockade entstandenen Kosten für das Unternehmen geltend machen: So habe die DHL unter anderem zusätzlich sieben Lkw sowie zwei Flugzeuge mieten müssen, um Verzögerungen im Frachtverkehr auszugleichen.

Im Vorfeld des Prozesstages hatte das Unternehmen einen Vergleich vorgeschlagen. Demnach solle die Klimaaktivistin entweder 80 Stunden in einem Aufforstungsprogramm ableisten oder 1 200 Euro spenden. Verteidiger Georg Fähle lehnte das Angebot im Namen seiner Mandantin ab, da man den Vergleich in Anbetracht des legitimen Protestes als nicht sachgemäß empfinde.


Luka Scott von der Kampagne „Repression nicht zustellbar" nannte das Angebot perfide: „Für Menschen, die arbeiten müssen, ist das eine totale Belastung." Die Gruppe hat sich im Nachgang der Klageerhebung durch DHL gegründet, um die Beschuldigten in ihren Verfahren zu unterstützen. Trotzdem wolle man sich nun überlegen, wie man weiter mit dem Angebot umgeht. Auch mit den übrigen Aktiven strebt DHL einen Vergleich an. Laut Verteidiger Fähle bestehe eine „grundsätzliche Vergleichsbereitschaft."

Mit ihrer Aktion vor zwei Jahren hatten die Aktiven gegen den Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle protestiert, der für sie als Treiber der Klimakrise gilt. In den vergangenen 15 Jahren hat sich der Airport zu einem Drehkreuz des internationalen Warenhandels entwickelt. 2022 wurden hier rund 1,5 Millionen Tonnen Fracht umgeschlagen, wie das Betreiberunternehmen Mitteldeutsche Flughäfen in seinem Jahresbericht mitteilt. Leipzig ist damit nach Frankfurt der zweitgrößte Frachtflughafen Deutschlands.


Um die zunehmende Auslastung des Flughafens aufzufangen, plant die Betreiberfirma bereits seit 2018 einen entsprechenden Ausbau, der laut Unternehmen etwa 300 Millionen Euro kostet. Geplant sind weitere Standplätze für Flugzeuge sowie zwei zusätzliche Rollbahnen. Das Genehmigungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Auch aufgrund von lokalen Protesten, welche die Pläne des Flughafenbetreibers begleiten. Mit den neuen Standplätzen gingen mehr Nachtflüge und eine stärkere Umweltbelastung einher, sagen kritische Stimmen des Ausbaus.


Die Staatsanwaltschaft Leipzig ermittelt parallel auch wegen Nötigung gegen die 54 Klimaaktiven. Nach Angaben der Oberstaatsanwaltschaft sei gegen zwei der Beschuldigten ein Strafbefehl ergangen, der noch nicht rechtskräftig ist, weil die Beschuldigten Einspruch eingelegt haben. Zu den anderen Verfahren könne man sich aktuell noch nicht äußern, hieß es auf Anfrage der Frankfurter Rundschau.


Für Luka Scott von „Repression nicht zustellbar" ist klar: „An den Klimaaktiven soll ein Exempel statuiert werden." Scott ist überzeugt, dass die Verfahren zum Protest am Logistikzentrum in einen größeren Kontext zu stellen sind und verweist dabei auf den Umgang der Strafverfolgungsbehörden mit der Klimagruppe „Letzte Generation".

Auch gegen die Gruppierung wird aufgrund ihrer Aktionen, sich auf öffentlichen Verkehrswegen festzukleben, wegen Nötigung ermittelt. Von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) werden der Gruppe seit 2022 gut 550 Straftaten zugeordnet, wie die taz berichtete. Zuletzt hatten Ermittlungen der Staatsanwaltschaften München und Neuruppin für Aufsehen gesorgt, weil sie die „Letzte Generation" als eine kriminelle Vereinigung eingestuft hatten.

Wie auch im Fall des Protests in Leipzig sehen sich die Klimaaktiven inzwischen nicht nur mit strafrechtlichen, sondern auch mit zivilrechtlichen Konsequenzen konfrontiert. So prüfen die Lufthansa AG und die Berliner Flughafengesellschaft aktuell ebenfalls eine Schadensersatzklage gegen Aktive der „Letzten Generation", weil die sich Ende letzten Jahres auf eine Start- und Landebahn des Hauptstadtflughafens geklebt und damit den Betrieb gestört hätten.


Vor dem Hintergrund der Proteste in Berlin betonte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, wer Flughäfen blockiert, müsse wissen, dass er zum Teil erhebliche wirtschaftliche Schäden verursacht: Diese habe man unter Umständen ein Leben lang abzutragen. Sollte es zwischen DHL und den beklagten Klimaaktiven nicht doch noch zu einem Vergleich kommen, wird das Urteil in Halle für den 11. August dieses Jahres erwartet. (Felix Sassmannshausen und Anna Hoffmeister)




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