Vor gut einem Jahr suchte ich in San Francisco einen Briefkasten. Die Postkarten, die ich verschicken wollte, hatte ich geschrieben und frankiert dabei. Ich bat meine Bekannte, die mich begleitete, auch Ausschau zu halten, sie schien nicht richtig zu verstehen, warum. Als wir einen Briefkasten fanden, fragte sie mich: „Und was wirfst du da jetzt rein?" Da begriff ich: Sie wusste nicht, was eine Postkarte ist.
Es war ein seltsamer Moment: Ich erklärte einer Reisenden ein Ritual, von dem ich angenommen hatte, dass es integraler Bestandteil des Tourismus sei: Macht man Urlaub, verschickt man Postkarten. Die junge Frau kam aus Israel, sie war Anfang zwanzig, viel eher Millenial als ich. War sie als Digital Native der analogen Welt entwachsen? Oder hatte vielmehr ich den Bezug zum medialen Fortschritt verloren, indem ich an längst überholten Traditionen festhielt?