Erlebnis im Wald- und Hochseilgarten
Ja, ein Kletterparcour ist aufregend, und wie. Denn schon ein paar Meter über dem Boden ändert sich das Miteinander. Nur wer zusammenhält, kann die Hindernisse überwinden. Das sorgt bei Familien nachhaltig für Stabilität. Und Action ...
Hilfe, ist das hoch. Jetzt nur nicht runtersehen! Mindestens zehn, gefühlte 100 Meter über dem Waldboden, sollen wir über einen sehr schmalen, nicht enden wollenden Balken balancieren, der zwischen zwei Bäumen schwebt. Links geht's verdammt tief runter, rechts auch. Augenblicklich beginnt das Herz wild zu trommeln, die Hände schwitzen, und die Beine sind wie Pudding und schlackern wie die Hängebrücke, die wir gerade erst hinter uns gelassen haben. Sie sah aus wie eine Requisite aus einem Western, bestand lediglich aus zwei Stricken, ein paar Brettern und dazwischen viele Lücken über die man einen großen Schritt machen musste. O, wie das schaukelt. Nurnichtruntersehennurnichtruntersehen, lautet das Mantra, das ich unablässig vor mich hin bete. Auf unseren Köpfen sind Helme. Ob die allerdings viel nutzen, wenn man aus zehn Metern ... Man kann nicht abstürzen! Der Klettergurt und die Karabinerhaken sind absolut sicher am Drahtseil befestigt. Und trotzdem - ich bin mir plötzlich gar nicht mehr sicher.
Keine Panik! Alle Personen können von jeder Stelle und aus jeder Lage befreit werden, hat Thomas Osterried gleich am Anfang bei unserer Einsweisung erklärt. Der Experte klettert seit über 30 Jahren, plant und baut Waldseilgärten wie diesen hier im Allgäu mit dem treffenden Namen „Höllschlucht", einer der ersten in Deutschland. „Da kommt nicht die Feuerwehr, sondern unsere Sicherheitstrainer!", hat er uns lachend erklärt. „Seinen Kopf sollte man beim Klettern nicht unterschätzen", sagt Osterried, da er in solchen Situationen gerne mal blockiere. „Wir werden mit unserer Urangst konfrontiert: Wer einen Fehler macht, könnte abstürzen!"
„Hab' keine Angst", höre ich da meinen Sohn sagen, „es ist viel leichter als es aussieht." „Du schaffst das, Mama!", ruft meine Tochter. Okay, Augen zu und - nein, lieber nicht. Ich will sehen, wohin ich meinen ersten Schritt vorsichtig setze, dann noch einen. Nach unzähligen Tippelschritten stehen wir alle zusammen auf der Plattform aus Holzbrettern, die sich in luftiger Höhe am Baumstamm festklammert. Großer Jubel und High Five!
„Klettern ist ein großes Miteinander", sagt Thomas Osterried, selbst Vater von drei Kindern, „die einzelnen Familienmitglieder müssen Rücksicht aufeinander nehmen, sich gegenseitig helfen und unterstützen." Als Team stehen alle auf einer Stufe. Hierarchien werden aufgebrochen, auch unter Geschwistern. Plötzlich sind die, die ansonsten eher zurückhaltend sind, mutiger und bekommen dadurch Anerkennung. Bei anderen ist es umgekehrt, sie werden oben ganz leise und ängstlich ...
Dass auch Eltern Schwächen haben und nicht alles können, erleben Kinder häufiger, wenn sie mit ihrer Familie einen Kletterpark besuchen. „Man ist in Wald- und Hochseilgärten absolut authentisch", weiß Christian Kremer, Marketingleiter der Erlebnis Akademie, denn in luftiger Höhe könne man nicht schauspielern.
Leidet ein Elternteil allerdings an Höhenangst, sollte er diese nicht ausgerechnet während des Familienausflugs bekämpfen wollen. Hier stehen das Miteinander und der gemeinsame Spaß im Vordergrund. „Eltern sind schließlich diejenigen, die ihren Kindern Sicherheit und Stabilität geben", sagt Sportwissenschaftlerin Chloe Kleinknecht vom Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule.
Kein Problem gibt es, wenn Kinder Angst in der Höhe haben, was sich manchmal erst in einem Kletterpark zeigt. „Eltern sollten ihr Kind auffangen und halten", sagt Kleinknecht und das im wahrsten Sinne des Wortes. Das Kind bekommt dadurch das Gefühl vermittelt, dass es sich anvertrauen kann. Wenn dann auch die Geschwister Mut machen und zur Seite stehen und das Kind dadurch den Parcour am Ende doch schafft, ist das Problem gemeinsam gelöst worden - ein Erfolgserlebnis für alle Familienmitglieder! „Die Vertrauensbasis bekommt dadurch Tiefe", weiß die Sportwissenschaftlerin. Ihr Tipp an die Eltern: „Redet mit eurem Kind über seine Emotionen! Wie fühlt sich Angst an? Was passiert gerade mit seinem Körper, mit seinem Herz, den Händen?" Das schult zum einen die kognitiven und körperlichen Wahrnehmungen, zum anderen verstärkt es den Zusammenhalt.
„Klettern kann den Zusammenhalt der Familien fördern und stärken, weil man ein gemeinsames Ziel hat", erklärt die Sportwissenschaftlerin. Dieses gemeinsame Erleben, das Miteinander aus Prüfungen bestehen, Herausforderungen meistern, Mutmachen und Unterstützen in schwindelerregender Höhe, stärkt das Vertrauen zwischen Eltern und Kindern und fördert den Zusammenhalt der Familie nachhaltig.
Auch Paare profitieren vom gemeinsamen Klettern, wo Kommunikation und Körperkontakt groß geschrieben werden. „Für Paare ist es ein Kick!", sagt Chloe Kleinknecht, da sich Partner im Kletterpark offenbaren und man wenig an hat, was bildlich zu verstehen ist, indem man auch Blöße zeigt. „Jetzt zeigt sich, ob der andere tatsächlich für mich da ist, mir Mut zu spricht, mich unterstützt und ob ich mich auf ihn verlassen kann", so die Sportwissenschaftlerin. Das kann Christian Kremer bestätigen. Die Erlebnis Akademie bietet im Hochseilgarten Lam mit Kolping zusammen den sogenannten „Brautleute Tag" an, bei dem Verliebte Paarübungen absolvieren - in bis zu zwölf Metern Höhe! Dort testen sie aus, wie es um Geduld, Vertrauen und Zusammenhalt in Extremsituationen bestellt ist. Das Adrenalin sorgt somit im doppelten Sinne für Bauchkribbeln. Kleinknecht: „Paare kommen sich beim Klettern näher, und das fördert und stärkt die Beziehung!"
Die Mischung aus Freizeitpark, Bewegung, frische Luft und Adrenalin lockt immer mehr Familien in Wald- und Hochseilgärten und lässt sie zusammen Höhepunkte erleben. Nach einer kurzen Verschnaufpause geht's auch bei uns weiter. Wir hangeln, rutschen, schwingen, balancieren, gleiten über Baumstämme, Netze, Seile und Reifen, die wie ein wuchtiges Windspiel eines Riesen wirken, wie sie zwischen den Baumwipfeln schwingen. Die Aufgaben, die der Parcour für uns bereithält, sind nicht immer leicht, aber wir schaffen sie. Gemeinsam. Alle zusammen.