Als die 28-Jährige Mareike nach ihrem Studium für einige Monate ins Ausland ging, zog Bakary in ihr Berliner WG-Zimmer - ein Flüchtling aus Mali. Mittlerweile wurde aus der WG-Idee eine eigene Initiative "Flüchtlinge Willkommen".
"Bei meinen Auslandsaufenthalten in Togo, Äthiopien, Indien und vor allem Palästina habe ich erlebt, dass der Gast König ist. Es werden Unmengen gekocht, alle freuen sich über den Gast und lassen ihn oder sie das spüren. Für Flüchtlinge, die in Massenunterkünften untergebracht werden, ist etwas anderes Realität, wenn sie in Deutschland ankommen: Kein eigenes Zimmer, in das man sich zurückziehen kann. Keine Privatsphäre. Für viele eine furchtbare Erfahrung. Als ich für ein paar Monate beruflich nach Kairo ging, habe ich mit meinem Mitbewohner Jonas beschlossen, dass in meinem WG-Zimmer ein Flüchtling wohnen sollte. Und dann kam Bakary, 40 Jahre, aus Mali. Gemeinsam stundenlang in der Küche sitzen und quatschen? Warum denn nicht? Das Zusammenleben verändert die Perspektive auf beiden Seiten: Geflüchtete lernen viel über Deutschland, wir lernen viel über das Land, aus dem der Geflüchtete kommt, und über globale Zusammenhänge. Die Vernetzung ist viel besser und das Deutsch lernen auch. Und Vorurteile werden abgebaut.
Ankommen braucht Zeit. Jede freundliche Aufmerksamkeit und jedes Lächeln ist wichtig und gut.
© Lars van den Brink In dieser WG sind Flüchtlinge willkommen. Bakary und Jonas wohnen während Mareikes Trip zusammen.
Ankommen braucht aber Zeit - kein Mensch flieht ohne Grund. Wir fragen niemals nach, warum Leute konkret geflohen sind; aber natürlich spielen Kriege, Arbeitslosigkeit, Einschränkung der politischen oder sexuellen Freiheit auch eine Rolle. Wir vermitteln am meisten Syrer, aber auch viele Menschen aus Sub-Sahara-Staaten, Afghanistan, Iran, Pakistan.
Es gibt Geflüchtete, die am Anfang Ruhe brauchen und sich erst mal in ihr Zimmer zurückziehen. Andere sind den ganzen Tag unterwegs, besuchen Deutsch-Kurse, gehen zum Arzt und Ämtern. Bakary kam erst nach einigen Wochen auf uns zu, als das Vertrauen gewachsen war, und zeigte uns die unverständlichen Briefe, die er von den Ämtern bekam. Ihn freute es mega, wenn man in Kontakt kam und die simple Frage stellte: ‚Wie geht es dir?' Jede freundliche Aufmerksamkeit und jedes Lächeln ist wichtig und gut. Und unser Zusammenleben mit Bakary war genauso easy und unkompliziert wie mit anderen Mitbewohnern auch."
Golde, Mareike und Jonas sind ein Team. Gemeinsam kümmern sie sich um die Vermittlung und darum, das Projekt weiter voranzutreiben.
In den Schlagzeilen sind Flüchtlinge ständig Thema. Eine echte Begegnung findet allerdings selten statt. Das will Mareike Geiling gemeinsam mit ihrem WG-Mitbewohner Jonas Kakoschke und Golde Ebding mit ihrer Initiative " Flüchtlinge Willkommen " ändern und Geflüchteten ein eigenes Zimmer geben. Durchgangszimmer oder ein Sofa im Wohnzimmer gelten nicht. Die Mindestwohndauer beträgt drei Monate, besser noch sechs, am liebsten unbefristet. In Berlin und Hessen beispielsweise übernimmt die Kommune die Mietkosten. Wo das nicht möglich ist, wird von den Mietern kurzerhand selbst im Freundes- und Bekanntenkreis gesammelt oder über die Mikrospender der Initiative finanziert. Studenten-WGs sind am häufigsten vertreten. Aber gerade holen Paare und Familien auf. Tischler, Busfahrer, Filmemacher oder Kinderärztin - es ist alles dabei. 1.100 Menschen mit freien Zimmern haben sich bereits angemeldet - und 1.200 Flüchtlinge, die genau das suchen.