Anja Mylius

Freie Journalistin, Redakteurin und Texterin, Timmendorfer Strand

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MAXI: Die kleinen Genies

MAXI: Die kleinen Genies

Wer ein Neugeborenes lediglich für einen milchsaugenden Schreihals hält, der ist ganz schön schief gewickelt. Denn Babys kommen bereits mit verblüffenden Fähigkeiten zur Welt.

Der Mini-Mensch kann über das Verhalten der Großen eigentlich nur sein Köpfchen schütteln. Niemand nimmt in ernst. Weder Omi, die ihn „Putzi“ nennt, noch die Tante, die ihm immer wieder gnadenlos auf die (volle) Windel klopft. Was bleibt Baby anderes übrig, als bei soviel Unverständnis bitterlich zu schreien? Wann kapieren die Erwachsenen endlich, dass kleine Leute keine niedlich-naiven Kreischer, sondern kluge Individualisten sind?
Babyforscher wissen es längst: Säuglinge verfügen über eine Vielzahl verblüffender Talente. Sie erinnern sich sofort nach der Geburt an die Stimmen ihrer Eltern, die sie schon im Mutterleib aufmerksam verfolgt haben. Sie erkennen Melodien und sogar Gute-Nacht-Geschichten aus der Zeit der Schwangerschaft wieder. Neugeborene können Gesichtausdrücke imitieren. Sie strecken die Zunge heraus oder öffnen den Mund, wenn’s die Mama vormacht. Mit fünf Monaten unterscheiden Babys die mimischen Unterschiede von Freude, Überraschung oder Traurigkeit. Amerikanische Wissenschaftler fanden heraus: Schon halbjährige Wickelkinder haben eine gute Beobachtungsgabe. Sie wissen, dass ein bergauf fahrendes Auto weitaus langsamer ist als eines, das bergab rollt. Eine tolle Leistung für einen Zwerg, der aus der Kinderwagen-Perspektive meist nur in die Luft gucken kann. Auch bei der Sprachentwicklung stießen die Forscher auf ein Phänomen: Bevor kleine Jungen und Mädchen ihr erstes Wort über die Lippen bringen, haben sie bereits mehr als 100 Begriffe gespeichert und verstehen sogar schon ganze Sätze.

Manche Babys fallen durch außergewöhnliche Leistungen auf – zwei von hundert Neugeborenen sind kleine Genies. Diese Kinder haben einen Intelligenzquotienten von über 130 (normal sind 100). Sie können häufig mit sechs Monaten (!) sprechen, oft bereits am ersten Geburtstag lesen. So kannte die Hamburgerin Alena den Text ihrer Bilderbücher schon mit sieben Monaten auswendig. Der kleine Münchner Christian rannte mit sechseinhalb Monaten durch die Wohnung. Nicki (1) aus Berlin verblüffte seine Mutter eines morgens damit, dass er das Alphabet vorwärts und rückwärts aufsagen konnte. Diese Mini-Einsteins sind die Ausnahme. Aber ein Beweis dafür, was alles in einem knuddeligen Baby stecken kann.
Als hingebungsvolle Forscher stellen Kleinstkinder ihre Eltern häufig auf eine harte Probe. Wer sammelt schon gern zum hundertsten Mal die Nuckelflasche oder das Löffelchen von Boden auf? Doch was Mama so nervt, hat einen guten Grund: Der kleine Racker lernt, Klangfarben zu unterscheiden. Fasziniert verfolgt er von seinem Stühlchen aus, wie sein Spielzeug scheppernd zu Boden fällt. Da heißt es nur: Geduld, Geduld! Das kleine Talent wird sich dafür auf seine Weise bedanken: mit einem hinreißenden zahnlosen Lächeln.

Anja Mylius