Anja Mylius

Freie Journalistin, Redakteurin und Texterin, Timmendorfer Strand

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Interview

PINNWAND / Hamburger Abendblatt: Flüchtlingshilfe

Besuch bei der Migrationssozialarbeiterin Larissa Jilek.

„Wir benötigen dringend Unterkünfte
und sind dankbar für jede Hilfe“

Sie kommen aus Syrien, Afghanistan, Eritrea oder dem Iran: rund 1650 Flüchtlinge und Asylbewerber leben derzeit im Kreis Pinneberg. Ansprechpartnerin in allen Belangen ist Migrationssozialarbeiterin Larissa Jilek. Seit 20 Jahren kümmert sich die engagierte Deutschrussin um all jene Menschen, die in unserer Region auf ein besseres Leben hoffen. Eine wichtige Rolle nimmt dabei das Sozialcafé „Pino“ ein, das zweimal in der Woche Treffpunkt für Flüchtlinge und Einheimische ist. Denn der Austausch zwischen den verschiedenen Nationen ist der 62-Jährigen ein Herzensanliegen.

Frau Jilek, wie sieht Ihr Arbeitstag aus?
Wenn ich morgens in die Diakonie komme, stehen die Menschen schon Schlange. Ich nehme sie dann mit ins Büro und dann geht’s los. Fragen beantworten, Briefe schreiben, Behördengänge, Gespräche mit Jobcentern und Vermietern, Organisation von Deutschkursen und die Leitung des Flüchtlingscafés – fragen Sie mich mal, was ich nicht mache (lacht herzlich). Aber ich liebe meinen Job, weil ich jeden Tag etwas Neues erlebe. Kein Tag ist wie der andere. Hier bin ich richtig.
Können die Pinneberger mit Sachspenden helfen?
Da wir keine Lagerräume haben, können wir Sachspenden leider kaum entgegennehmen. In erster Linie bin ich glücklich, wenn die Pinneberger zahlreich in unser Flüchtlingscafé kommen. Wir möchten, dass sich die Menschen untereinander austauschen und sich kennenlernen. Das ist ein Teil der Migration. Vor Ort sind auch Dolmetscher. Das klappt meist sehr gut.
Wird weiterer Wohnraum für die Flüchtlinge benötigt?
Oh ja! Wir brauchen viel mehr Angebote an Wohnungen. Und auch Privatunterkünfte werden dringend benötigt, die dann in angemessener Höhe vergütet werden. Ich denke da zum Beispiel an einen afghanischen Jungen, der allein hierher kam und jetzt in einer Familie wohnt. Denn alle Bürger können Flüchtlinge bei sich aufnehmen, wir sind dankbar für jede Hilfe. Ansonsten stehen uns Hotels, Pensionen und Notwohnungen zur Verfügung, denn wir haben ja keine Asylantenunterkünfte.
Wie lernen die Flüchtlinge Deutsch?
Die Diakonie bietet Flüchtlingskurse, es gibt aber zusätzliche Angebote bei der Volkshochschule mit Sozialpass. Die Menschen lernen allerdings auch bei uns im Café Deutsch und unsere rund 30 Ehrenamtlichen unterstützen sie dabei. Zudem kommt regelmäßig jemand von der Familienbildung, um den Kindern spielerisch unsere Sprache beizubringen.
Was wünschen Sie sich von den Politikern?
Sie sollten unbedingt die Anerkennung der im Heimatland erworbenen Diplome durchsetzen. Denn es kommen viele Akademiker wie beispielsweise Ärzte und Juristen zu uns, die hier arbeiten wollen. Wir können sie nicht einfach nur aufnehmen und sich selbst überlassen. Dadurch entstehen erst die Probleme. Ich meine: Wer A sagt soll auch B sagen.
Was ist aktuell von Nöten?
Wir brauchen dringend jemanden, der hauptberuflich die Koordination der Hilfsleistungen aus der Bevölkerung übernimmt. Denn grundsätzlich ist in Pinneberg die Hilfsbereitschaft für die Flüchtlinge groß und man ist hier sehr offen für deren Situation.
Wie bewerten Sie die aktuelle Problematik der Mittelmeerflüchtlinge?
Die deutsche Politik versteckt sich hinter Italien oder Griechenland. Italien nimmt so viele Flüchtlinge im Süden des Landes auf. Es gibt Länder, die weitaus mehr tun. Wir wissen, der Krieg bringt uns die Flüchtlinge, aber wir dürfen niemals vergessen: Wir liefern die Waffen dafür.
Anja Mylius

BU Pino Café:

Das Café Pino in der Bahnhofstraße 12 ist dienstags und donnerstags von 15 bis 19 Uhr Treffpunkt für Flüchtlinge und alle Pinneberger. Hier kann man sich über die Dinge des Lebens austauschen

BU Larissa
Larissa Jilek (Mitte) kam vor 22 Jahren von Kasachstan nach Deutschland , sie hat einen Sohn (40) und eine Tochter (21) und lebt in Tornesch. Die ehemalige Lehrerin für Russisch und Literatur begeht bei der Diakonie jetzt ihr 20-jähriges Jubiläum. Dort arbeitete sie zunächst als Vertretung und ist heute als Migrations-Sachbearbeiterin tätig. Zudem leitet sie den Flüchtlingstreff im Café „Pino“. Auch die Iranerin Gheiraijahromi und der afghanische Journalist Hamed kommen gern hierher