8 Abos und 11 Abonnenten
Artikel

Nach der Tragödie

Blumen und Kerzen erinnern bei Parndorf an die 71 Toten in einem Schlepper-Lkw.

Wien. Seit Tagen läuten die Telefone. Menschen aus dem gesamten arabischen Raum und Flüchtlinge aus Europa melden sich bei der Hotline der Behörden im Burgenland. Sie vermissen Bekannte und Verwandte, haben von ihnen schon lange nichts mehr gehört. "Vierzig, fünfzig Anrufe sind es täglich", erzählt einer der Kriminalbeamten.

Vor einer Woche wurden 71 tote Flüchtlinge in einem abgestellten Lkw auf der A4 bei Parndorf gefunden, bis gestern, Donnerstag, wurden die Leichen obduziert. Erste Antworten darauf, wie und wann genau die Flüchtlinge starben, wird es auf der für heute, Freitag, angesetzten Pressekonferenz in Eisenstadt geben. Doch es geht auch darum, die Identitäten aller Verstorbenen zu klären. Doch diese liegen noch nicht vor, und es ist fraglich, ob sie überhaupt in allen Fällen geklärt werden können.

Dies festzustellen sei eine der schwierigsten Herausforderungen, sagt Helmut Mardan, Polizeisprecher in Eisenstadt. In langwieriger und akribischer Arbeit sammle man derzeit alle möglichen Daten zu den Toten. "Wir brauchen so viel wie möglich." Dokumente, die die Flüchtlinge bei sich führten, sind alleine nicht aussagekräftig. Häufig sind es nicht die eigenen Papiere oder sie wurden gefälscht. Daher spielen eben die Angehörigen eine wichtige Rolle. Zwar gebe es derzeit mehr Anfragen als Hinweise", sagt Mardan, "doch wir hatten bereits Treffer".

Hilfe durch Spezialtruppe D

ie Kripobeamten werden von einem arabischen Dolmetscher unterstützt. "Wir erfragen anhand einer Checkliste die wichtigsten Infos: Gibt es Fotos? Gibt es Auffälligkeiten wie Narben oder Tätowierungen? Gibt es DNA?"

Die Hinweise werden in einer internationalen Datenbank zusammengetragen. Eine im Moment im Burgenland stationierte Spezialistengruppe sucht nach Übereinstimmungen und gleicht die Funde ab. Bedeutsam sind auch die Habseligkeiten, die die Flüchtlinge bei sich trugen, ihre Handys sowie ihre Kleidung.

Wenn die Obduktion abgeschlossen ist, werden die Toten zur Bestattung freigegeben. Die Frage ist: Auf welche Art werden Angehörige kontaktiert? Und wo finden die Toten ihre letzte Ruhe? Offen ist, wer die Bestattung koordiniert und ob es Rückführungen in die Heimatländer geben wird. Parndorfs Vize-Bürgermeister Norbert Samwald bestätigt, dass man sich als Gemeinde definitiv zuständig fühle.

Dies tut auch die Islamische Glaubensgemeinschaft. Es ist anzunehmen, dass ein Großteil der Opfer muslimisch war. Man sehe sich daher in "starker religiöser Verantwortung", sagt Sprecherin Amina Carla Baghajati. Die islamischen Vertreter legen vor allem Wert auf die Einhaltung ihrer Bestattungsriten. So sei insbesondere eine muslimische Beerdigungsstätte notwendig. Lässt sich eine solche im Burgenland nicht auftreiben, plädiere man für eine Beerdigung auf dem muslimischen Friedhof in Wien, heißt es von der Glaubensgemeinschaft.

Eine Teilung in muslimische Begräbnisse und anders konfessionelle würde eine gemeinsame Trauerfeier erschweren. Am Mittwoch fanden deshalb erste Gespräche zwischen der Gemeinde Parndorf und der Islamischen Glaubensgemeinschaft statt. "Ein muslimisches Gräberfeld in Parndorf ist für uns im Moment das Schlüssigste", sagt Baghajati.

In den kommenden Tagen muss geklärt werden, wo und in welchem Rahmen das Begräbnis stattfinden könnte und ob es ein Denkmal geben soll. Baghajati: "Es wäre schön, wenn Parndorf zu einem Erinnerungsort für nachkommende Generationen wird. Und natürlich wäre es ein wichtiges Signal, wenn die österreichische Regierung beim Begräbnis dabei ist."

Darüber gibt es noch keine Entscheidung. Bundeskanzleramt und Präsidentschaftskanzlei gaben am Donnerstag an, sich noch gar nicht mit der Frage beschäftigt zu haben, ob die Bestattung der 71 Opfer ein Staatsakt werden könnte. "Die Frage höre ich zum ersten Mal", sagt eine Sprecherin des Bundespräsidenten.

Caritas-Wien-Generalsekretär Klaus Schwertner appelliert: "Die Frage, die sich alle stellen müssen, ist: Wie kann es gelingen, ein würdevolles und der Tragik entsprechendes Begräbnis auszurichten? Das darf nicht an Kompetenzaufteilungen scheitern." Zu einem "menschenwürdigen" Begräbnis gehöre auch, die Angehörigen der Toten zu finden und diesen die Möglichkeit zu geben, an der Zeremonie teilzunehmen.

Zum Original