8 Abos und 11 Abonnenten
Artikel

Neue Jenewein-Tonaufnahmen: "Für FPÖ besser, wenn Pilnacek bliebe

Im Mai 2020 wollten Kräfte in der FPÖ den drohenden Sturz von Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek verhindern. Es sei „gerade für die, die in diesem CASAG-Komplex da drinnen hängen", wichtig, dass Pilnacek im Amt bleibe. ZackZack hat die Aufzeichnung eines heiklen Gesprächs.

Wien, 23. August 2022 | Hans-Jörg Jenewein erlebt schwere Zeiten. Viele in Jeneweins Partei distanzieren sich von ihm, Krone-Redakteur Christoph Budin verbreitete Fake-News über einen inexistenten „Abschiedsbrief". Und dann ermittelt auch noch die ÖVP-lastige AG Fama des Bundeskriminalamts gegen den Ex-FPÖ-Abgeordneten. Jetzt tauchen neue Dokumente auf.

Am 14. Juni 2022 übergibt die AG Fama der WKStA eine Tondatei. Sie stammt aus der Hausdurchsuchung, die die Ermittler am 11. September 2021 bei Jenewein durchgeführt haben. Auf der Audio-Datei „140443.m4a - Besprechung Tschank" unterhalten sich exakt drei Stunden, 16 Minuten und 48 Sekunden lang Jenewein, sein FPÖ-Kollege und Rechtsanwalt Markus Tschank sowie Sigma-Investment Manager Markus Braun. Der FPÖ-nahe Manager hat Funktionen in Vereinen, die ins Visier der WKStA geraten sind, bekleidet.

Es ist unklar, wer das Gespräch aufgenommen hat. Sicher ist nur, dass es aus keiner offiziellen Telefonüberwachung stammt. Die AG Fama hat eine Abschrift des Gesprächs erstellt. Braun gab auf ZackZack-Nachfrage an, dass er von der Existenz dieser Aufnahme bis dato nichts gewusst habe, die anderen beiden äußerten sich gegenüber der Redaktion nicht dazu.

Zurück zum Tag des Gesprächs. Der Ibiza-Untersuchungsausschuss, der im Zuge der Ibiza-Affäre vom Parlament eingesetzt wurde, steht gerade vor der Tür. Markus Tschank erzählt, dass er gerade eine Ladung zu allen Beweisthemen erhalten habe. Der Beweisbeschluss dazu ist am 13. Mai 2020 gefasst worden. Tschank ist für den 10. Juni 2020 geladen. Das Gespräch dürfte also zwischen Mitte Mai und Anfang Juni 2020 aufgenommen worden sein. Jetzt liegt es der WKStA vor.

Pilnacek: „Besser für die FPÖ"

Nach knapp zwei Stunden kommt die Runde zu einem Thema, das viele in FPÖ und ÖVP bewegt: Was passiert mit Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek?

Pilnacek ist als Chef der Strafsektion im Justizministerium Herr über zahlreiche politisch heikle Verfahren. Ihm wird vorgeworfen, dass er von seinen Rechten an der Spitze der Weisungskette im Interesse von Parteien und Großunternehmern Gebrauch gemacht habe. Im Mai 2020 ist er selbst durch mehrere Affären belastet. Sein Sessel wackelt. Die Grüne Alma Zadić ist Justizministerin. Pilnacek weiß noch nicht, wie viel er von ihr zu befürchten hat.

Tschank: „ Der Pilnacek, also der ist ja eher auf der Bremse, was die Anklage betrifft, der schaut sich das schon genau an, und wenn da kein Substrat dran ist, dann drehen sie es ab. (...)" Aber Tschanks Befürchtungen gehen noch weiter: „Die WKStA würde das alles anklagen, und jetzt ist die Frage, wenn der Pilnacek fällt, was dann mit den Verfahren passiert, ob das nicht Dynamik bekommt."

Tschank hat die Befürchtung, dass Geldflüsse wie die zum FPÖ-nahen Institut für Sicherheitspolitik „ISP" von den „Falschen" untersucht werden könnten: „ Das Problem ist, wenn die Oberbehörde sich das anschaut, auch den Leistungsbericht vom „ISP" etc., und du hast einen falschen Leiter bei der Oberbehörde, der sehr grün-affin ist, oder der das anders sieht (...), weißt? Die Frage ist, wohin das da oben geht in der Behördenstruktur, na?"

Auch Jenwein macht sich Sorgen um Pilnacek: " Die Frage ist, glaube ich, noch nicht beantwortet, was mit dem Pilnacek sein wird."

Für Tschank ist klar, dass Pilnacek vor allem für die FPÖ-Politiker, die ins Fadenkreuz der CASAG-Ermittlungen der WKStA geraten sind, wichtig ist: „Ich bin der Meinung, dass das für die FPÖ besser wäre, wenn der Pilnacek bliebe, ja? (...) Gerade für die, die in diesem CASAG-Komplex da drinnen hängen."

Faksimile BMI/AG Fama: Amtsvermerk vom 14. Juni 2022, WKStA-ON 2815. Pilnacek "einbetoniert"?

Auch Jenewein macht sich Sorgen: „Ich glaube, es gibt ein paar so rechtskundige Personen, da gehört der Pilnacek dazu, da gehört der Brandstetter dazu und, und, und. Ich glaube, dass es nicht gut wäre für das Gefüge der Republik, wenn da die Veränderungen so hart sind. Das würde sich falsch entwickeln." Gegen Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter ermittelt inzwischen die Strafjustiz, er trat im Juni 2021 als Verfassungsrichter zurück.

Tschank hat kein Verständnis für die Rücktrittsforderungen, die Ex-FPÖ-Innenminister Herbert Kickl gegen Pilnacek erhebt: „Ich verstehe auch nicht, wieso sich der Kickl so frontal anlegt mit ihm. Der Herbert ist zwar geschickt und alles, und er weiß auch, wie er was kommunizieren muss, dass nichts übrig bleibt, wenig Spuren..."

Aber Jenewein hat noch Hoffnung: „Du weißt aber auch, wie das ist, wenn ich jemanden von einer anderen Partei massiv attackiere, was das für Auswirkungen im Endeffekt hat. Also, du weiß auch, dass du da jemanden mitunter... anders formuliert (...) einbetonierst. (...) Und ich bin gespannt, ob sich die ÖVP das wirklich gefallen lässt, weil der Kickl lautstark die Abberufung vom Pilnacek fordert, den dann wirklich abzuberufen."

Markus Tschank stellt auf ZackZack-Nachfrage fest: „Ich war damals der Meinung, dass Pilnacek eine strengere Fachaufsicht ausgeübt und ordentlich kontrolliert hat. Auch habe ich darauf hingewiesen, dass ich mir eine Versachlichung in diesen Politverfahren wünschen würde. Persönlichen Kontakt mit Pilnacek hatte ich nicht." Er fügt hinzu: "Heute sehe ich diese Aussagen im Lichte der später zutage getretenen Sachverhalte betreffend Pilnacek differenzierter." Hans-Jörg Jenewein nahm keinerlei Stellung zu unseren Fragen.

Faksimile BMI/AG Fama: Amtsvermerk vom 14. Juni 2022, WKStA-ON 2815. Zadić beisst auf Granit

Jenewein setzt auf die ÖVP und deren Einfluss auf Justizministerin Alma Zadić: „Das macht ja im Endeffekt die Alma Zadić, aber die Alma entscheidet da drinnen gar nichts mehr, die Alma hat im Jänner probiert „Kraft meiern", und dann wurde ihr von der Edtstadler und vom Kurz erklärt, wie das funktioniert. Und damit war die Sache erledigt." Der Ex-Abgeordnete kann sich in die ÖVP hineindenken: „Naja, du glaubst ja nicht im Ernst, dass die ÖVP zulässt, einen zweiten Kickl in einer Regierung sitzen zu haben. (...) Jetzt haben wir erst den Wahnsinnigen im Innenministerium gehabt und jetzt haben wir das Justizministerium auch nicht."

Markus Braun erinnert sich, wie Zadić vor wenigen Monaten gestartet ist: „Du, die ist hochmotiviert (hinein) gegangen, wollte etwas tun." Jenewein gibt ihm recht: „Sie ist ja auch keine Ungute."

Braun wendet ein: „Aber sie hat auf Granit bei der ÖVP gebissen, und dann hast du nichts mehr gehört. Du hast die letzten 4 Monate nichts mehr gehört." Jenewein stimmt ihm abermals zu: „Ja, seit Corona hat die ausgespielt, die ist in Polit-Quarantäne."

Auch Braun sieht Zadić geschwächt: „Ja. Zu der haben sie gesagt, so, und du sag jetzt mal deinen Leuten: du, die bitte in die zweite Reihe..." Jenewein vermutet, dass die ÖVP mit ihrer Geduld am Ende war: „Genau, weil das schauen wir uns nicht lange an..."

Was dann geschah

In der Folge teilte Zadić die Sektion, der Pilnacek vorgestanden war, in zwei Sektionen und betraute Pilnacek zur Überraschung vieler mit der neuerlichen Leitung einer Sektion. Nach weiteren Vorwürfen zur möglichen Verletzung des Amtsgeheimnisses musste Zadić im Februar 2021 ihren Sektionschef vom Dienst suspendieren. Gegen den Ex-Justiz-Generalsekretär ermittelt inzwischen die Strafjustiz. Für Pilnacek und Brandstetter gilt die Unschuldsvermutung. Die Befürchtungen der FPÖ-Runde waren wohl begründet.


Titelbild: HERBERT NEUBAUER / HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com / Montage ZackZack Zum Original