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Nach Millionenklage: ZackZack erringt bahnbrechenden Sieg für die Pressefreiheit in Österreich

Kika, Leiner und René Benkos Signa-Holding hatten ZackZack im August 2021 nach zwei kritischen Berichten geklagt – es ging um Millionen. Doch nun die Wendung: Das Wiener Oberlandesgericht entscheidet in den wesentlichen Punkten für ZackZack – und zwar rechtskräftig. Was das im Detail heißt – hier im Überblick.


Wien, 28. August 2022 | Es war eine Klage, wie es sie noch nie in Österreich gegeben hat: Nach zwei kritischen Berichten zu René Benko sowie den Unternehmen Kika, Leiner und Signa-Holding, klagten selbige ZackZack sowie - bis dato ein Novum - den damaligen Chefredakteur Thomas Walach persönlich. Schnell orteten viele aus Medien und Opposition in der mehr als unüblichen Vorgehensweise massive Einschüchterungsversuche gegen eine unabhängige Berichterstattung. Die damals eingebrachte Klage sei, ließ ZackZack-Herausgeber Peter Pilz wissen, geeignet gewesen, ZackZack zu ruinieren: „Wir sollten vernichtet werden."

Solcherlei SLAPP-Klagen nehmen nicht nur in unseren Nachbarländern wie Ungarn, sondern auch in Österreich zu. Sie sollen den Druck auf Redaktionen erhöhen. Und sie erwecken den Eindruck, dass es den Klägern bei der Prozessführung vor allem darum geht, unliebsame Berichterstatter mundtot zu machen.

Es hätte das Ende von ZackZack sein können

Das Besondere an der Klage gegen ZackZack bestand in einer gefinkelten Hintertürl-Strategie der Gegenseite. So hatte man von ZackZack nicht nur verlangt, einzelne in den Artikeln angeführte Behauptungen zur finanziellen Unternehmenssituation aus dem Insolvenzrecht zu unterlassen und auf der eigenen Homepage zu widerrufen - man wollte auch Widerrufe auf Kosten von ZackZack auf den Online-Startseiten und sogar in den Printausgaben anderer großer Medien, nämlich konkret in der „Tiroler Tageszeitung", der „Presse", dem „Standard" und dem „Kurier" erwirken - und zwar mit einer Laufzeit über mehrere Wochen.

Das Ausmaß, zeigten Berechnungen, wäre verheerend gewesen. Eine derartige Inserate-Welle hätte sich für ZackZack und Walach auf Kosten von etwa gesamt zwei Millionen Euro summiert. Schnell war klar: Diese Widerrufe hätten die Existenz der Redaktion derart bedroht, dass wir zusperren hätten müssen. Die Lage für alle Beteiligten war mehr als ernst.

Gericht entscheidet zugunsten von ZackZack

Jetzt, ein Jahr später, ist die Entscheidung des Wiener Oberlandesgerichts (OLG) da - und ZackZack feiert. Denn die Millionenbedrohung ist vom Tisch, sie wurde abgewiesen. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass ein solcher Widerruf nur im eigenen Medium zu erfolgen hat - und nicht in anderen Medien, die lediglich aus der Berichterstattung zitiert haben.

Dieses OLG-Urteil ist mehr als nur ein Sieg für unsere Redaktion, es ist ein Sieg für die hiesige Pressefreiheit.

Ein Präzendenzurteil

„Das OLG hat festgestellt, dass solche möglicherweise existenzbedrohenden Klagen keinen Platz in der österreichischen Medienlandschaft haben", zeigt sich ZackZack-Anwalt Johannes Zink hocherfreut über den Verfahrensausgang. Und er fügt an: „Die Journalistinnen und Journalisten in Österreich können aufatmen." Denn dieses OLG-Urteil ist mehr als nur ein Sieg für unsere Redaktion, es ist ein Sieg für die hiesige Pressefreiheit.

ZackZack-Anwalt Johannes Zink. (c) hba Anlass: Thomas Schmid-Chats

ZackZack hatte im Juli 2021 Chats aus dem Handy des früheren Generalsekretärs im ÖVP-Finanzministerium, Thomas Schmid, veröffentlicht, die eine mögliche Intervention in den Raum stellten. Diese Berichte wurden national und international von anderen Medien aufgegriffen, enthielten sie ja innenpolitischen Sprengstoff. Einzelne Aspekte dieser Texte müssen widerrufen werden. Doch das Gericht hält eindeutig fest: Die Redaktion konnte nicht wissen, dass und in welcher Art und Weise die Berichte zitiert würden. Damit, so das Gericht, fehle es aber an der zentralen Voraussetzung für die Millionenklage.

Wäre einem solchen gigantischen Inserate-Ansuchen, wie es von René Benkos Signa-Holding, Leiner und Kika eingebracht worden war, stattgegeben worden, hätte dies den Weg dafür geebnet, dass Medien hierzulande in Zukunft im Falle von Fehlern - und die passieren auch den besten Redaktionen - totgeklagt werden könnten.

Kuriositäten im Urteil

Das Gericht hielt außerdem zweifellos fest, dass weder „eine Verletzung der Menschenwürde noch sonst eine Ehrverletzung" durch die erfolgte Berichterstattung vorliegt. Absurd: Eine solche hatte die Gegenseite in ihrer Klage tatsächlich angeführt. Bemerkenswert ist auch, dass das Urteil darlegt, dass dem Signa-Anwalt Peter Zöchbauer bei all dem auch noch ein ungünstiger Formulierungsfehler unterlaufen war.

Meilensteine

Erst kürzlich errang ZackZack einen wertvollen Etappen-Sieg in der sogenannten „Ho-kain-Affaire" gegen den Promi-Gastronom und Kurz-Intimus Martin Ho. Auch hier ging es um SLAPP-Klagen als Reaktion auf ungemütliche Berichterstattung, und auch hier wurde eine Million Euro von ZackZack gefordert. Noch im Juli wurde überdies eine einstweilige Verfügung vom Gericht abgewiesen, das Gericht bescheinigte, dass ZackZack sauber recherchiert hat. Insgesamt hat ZackZack nun fünfmal gegen Ho gewonnen: Einmal medienrechtlich und viermal zivilrechtlich, noch nicht alle Entscheidungen sind rechtskräftig.

Zurück zum aktuellen Benko-Urteil. Die Erleichterung ist groß. So gilt also auch in Zukunft: Medienhäuser tragen lediglich für die eigenen Recherchen und Texte Verantwortung, nicht dafür, was andere daraus machen. „Man kann dieses Urteil mit Fug und Recht als Leitentscheidung für den österreichischen Medienmarkt bezeichnen", fasst ZackZack-Anwalt Johannes Zink den Erfolg zusammen.

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