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Muttertag: Was gibt's zu feiern?

(c) Anja Melzer

Muttersein bedeutet neben sehr vielem anderem vor allem Stress, Geldsorgen, strukturelle Benachteiligung und immer mit dem nächsten Fuß in der Armutsfalle – ändern tut sich daran wenig. Danke für die Blumen! Ein Kommentar.


Da ist er wieder, dieser Tag, der für Floristen zu den umsatzstärksten des Jahres zählt. Der Tag, an dem Bäckereien ihre Auslagen mit zuckersüßen Mama-Marzipan-Herz-Törtchen bestücken und sich auf Instagram ein schwindliges Angebot („personalisiertes Perlenarmband") ans nächste („Muttermilch-Medaillon mit Power-Haarsträhne", nein, kein Witz!) reiht: Muttertag.

Verzeihung, wenn die nächsten Zeilen die allseits um sich greifende, stets exakt 24 Stunden andauernde, selige Verklärung der Mutterrolle stört, aber: Was genau darf an diesem Mai-Sonntag gefeiert werden? Wofür darf und soll man sich eigentlich bedanken?

Alleinerziehende, die großen Verliererinnen

Erst in den vergangenen Tagen schlugen erneut diverse Frauenorganisationen und sogar die katholische Kirche Alarm: Prekäre Lebensrealitäten von Müttern verschärfen sich immer weiter, seit der Corona-Pandemie ist die Lage noch ernster. Eine aktuelle Studie der Wiener Wirtschaftsuniversität belegt die Tragik.

Fast die Hälfte aller Ein-Eltern-Familien in Österreich ist von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen. Zu den bisherigen 270.000 Alleinerziehenden in Österreich dürften durch aus der Ukraine kriegsgeflüchtete Mütter noch etliche weitere dazukommen.

Jedes fünfte Kind in Österreich lebt bei nur einem Elternteil, in 85 Prozent der Fälle ist das die Mutter. Was viele gerne vergessen: Care-Arbeit hängt auch in anderen Familienkonstruktionen nach wie vor zu 60 Prozent allein an den Frauen. Alleinerziehende haben dabei den Druck, nicht nur zwei Jobs parallel - nämlich den zum Geldverdienen, und dann noch den anderen, mindestens so zeitintensiven: Kinderbetreuung/Haushalt/Erziehung/Pflege - auf sich allein gestellt leisten zu müssen, sie müssen oft auch beide Eltern gleichzeitig sein. Das wirkt sich auf Gesundheit und Sozialleben aus, und zwar nicht unbedingt günstig.

Fatale Folgen

Wobei das mit dem Vollzeitjob ja auch so eine Sache ist. 75 Prozent (!) aller Mütter in Österreich sind teilzeitbeschäftigt - das ist im gesamten europäischen Vergleich außergewöhnlich. Und mit teils außergewöhnlich schlechten Auswirkungen für die Frauen verbunden, genannt sei hier allen voran das Stichwort Pensionsansprüche. Pro Jahr Kindererziehung gibt es 28 Euro Pension im Monat. Da ist Altersarmut fix vorprogrammiert.

Doch wie soll das auch anders gehen? Nicht nur der Wiedereinstieg in den Beruf ist für Mütter nachweisbar schwieriger, auch die Vereinbarkeit von Familie und Job, und nein, damit sind nicht nur die langen Homeschooling-Episoden der vergangenen Pandemie-Monate gemeint, deren Löwenanteil übrigens auch wieder von den Müttern übernommen wurde, wie das Momentum-Institut erhob. Derzeit übernimmt bei acht von zehn Eltern die gesamte Karenz die Frau. Außerhalb Wiens ist nur jeder fünfte Kindergartenplatz vollzeittauglich. Dank Sebastian Kurz und ekliger Handychats gibt es bis heute keinen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung.

Wie sich Kinder aufs Einkommen auswirken

Apropos Corona: Für 250.000 betroffene Mütter bedeuteten die Lockdown-Schließungen und Arbeitszeitreduktionen fast 1,2 Milliarden Euro Einkommensverlust, so Momentum. Die ganze Pandemie kann nicht nur in Bezug aufs Einkommen als massiver Rückschritt in Sachen Gleichstellung betrachtet werden.

Dass man als männliches Wesen in solchen Dingen besser dran ist, ist bekannt. Interessant ist, was eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung gerade zutage förderte: Väter verdienen im Schnitt sogar zwanzig Prozent mehr im Laufe ihres Berufslebens als ihre kinderlosen männlichen Kollegen. Für Mütter sieht das - na klar - schon wieder völlig anders aus. Sie verdienen im Schnitt 62 Prozent weniger als Männer und (bei einem Kind) 43 Prozent weniger als ihre kinderlosen weiblichen Kolleginnen. Bei drei Kindern sind es sogar fast 70 Prozent weniger.

Wie weiter?

Die harte Wahrheit ist: Jeder Tag ist Muttertag. Mütter schuften durchgehend - und zwar auf ihre eigenen Kosten. Strukturelle Änderungen sind nicht nur in Politik und so mancher Unternehmenskultur überfällig, sondern bei uns allen - ob mit oder ohne Kind, egal welchen Geschlechts. Denn Kinder brauchen Role Models. Und dringend wieder einen gescheiten Grund, am Muttertag ehrlich "Danke" sagen zu können.

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