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Wien: Elendsquartier für Bettler soll bis Ende des Jahres aufgelöst werden

Vorsteher des 15. Bezirks will gegen "Problemhaus" vorgehen und Ausbaupläne verweigern


Wien - Nicht Pizzapunks, mietfreie Kämpfer gegen die Gentrifizierung, sondern bettelnde Roma sind seit Jahren in einem Haus in der Gebrüder-Lang-Gasse im 15. Wiener Gemeindebezirk einquartiert. Für den Vermieter kein schlechtes Geschäft: Er soll überhöhte Wuchermieten von ihnen verlangen. Einem "Falter"-Bericht zufolge werden bis zu 750 Euro für wenige Quadratmeter kassiert. Ganze Familien leben auf engstem Raum zusammen.

Als "Problemhaus" bezeichnet die Stadt das zweistöckige, baufällige Gebäude in Rudolfsheim-Fünfhaus. Es steht unter Spekulationsverdacht. Rund zehn solcher Massenquartiere soll es in Wien geben. Nach Polizeiangaben leben etwa 1500 sogenannter "Bettelmigranten" unter ähnlich ärmlichen Bedingungen wie die vorrangig aus dem osteuropäischen Raum stammenden Bewohner in der Gebrüder-Lang-Gasse.

Organisierte Bettelmafia

Sie arbeiten als Bettler, Tagelöhner oder Zeitungsverkäufer, Frauen sollen der Prostitution nachgehen. Die Bewohner wechseln ständig, gemeldet ist niemand. Kleinbusse mit bulgarischen und rumänischen Kennzeichen bringen angeblich regelmäßig neue Menschen. Von einer organisierten Bettelmafia ist die Rede. Im Inneren des Hauses verbirgt sich ein Elendsquartier: schmutzige Toiletten auf den Gängen, Matratzenlager in den Zimmern, Ratten und Müll im Innenhof.

"Unser Wirkungsbereich ist nicht sehr groß", sagt Bezirksobmann Gerhard Zatlokal (SP). Bereits im Frühjahr 2013 sei das Büro für Sofortmaßnahmen informiert worden, auch Polizeikontrollen habe es gegeben, Verfahren liefen, sogar Strafen seien ausgesprochen worden. Konkretere Informationen könne er nicht geben, diese unterlägen seiner "Amtsverschwiegenheit", so Zatlokal zum STANDARD. Die ständige Präsenz der Behörden zeige jedenfalls Wirkung - nur: "Für andere sind die Erfolge nicht sichtbar."

Mit Nadelstichen gegen den Eigentümer

Haben will die Bettler hier keiner, Anrainer beklagen die Verwahrlosung ihres Grätzels. Doch seien auch die Bewohner des Massenquartiers Opfer, erinnert der Bezirksvorsteher. Für ihn steht der Verursacher des Problems im Fokus. Dessen Spiel will er nicht mitspielen. Sollte der Eigentümer eine Ausnahmegenehmigung für den geplanten Stockwerksaufbau beantragen, werde der Bezirk nicht zustimmen, versicherte Zatlokal. Eigentlich warte er nur darauf, rechtlich relevante Missstände aufzudecken. Könnte man beispielsweise nachweisen, dass Räumlichkeiten gewerblich genutzt würden - wofür es keine Genehmigung gibt -, wäre dies Grund genug für eine sofortige Schließung. Auch als einsturzgefährdet gelte das Gebäude bislang nicht, andernfalls könnte die Baupolizei Sperrungen vornehmen.

Ordnungsstrafen und Rechnungen bleiben das Mittel zum Zweck, um den Eigentümer finanziell in die Enge zu treiben: "Unsere kleinen Nadelstiche sollen so groß werden, bis es nicht mehr lukrativ für ihn ist." Zatlokal hofft, "dass wir das Problem bis Ende des Jahres in den Griff bekommen". (Anja Melzer, DER STANDARD, 28.8.2014)

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