8 Abos und 11 Abonnenten
Artikel

Karmeliterviertel: Verfassungsschutz prüft Route für Touristenbusse

Weil sie aus der Wiener City verbannt wurden, weichen Touri-Busse mit Hop-on-Hop-off-Angebot in den zweiten Bezirk aus. Neben Anrainerprotesten prüft der Staatsschutz, ob jüdische Einrichtungen gefährdet sind.

Wien - Hop on, Hop off bewegt nicht nur Touristen durch die Stadt, sondern auch die Gemüter in der Wiener Leopoldstadt. Seit Mai dürfen die bis zu zwanzig Tonnen schweren Doppeldeckerbusse in der Innenstadt nicht mehr verkehren. Nun führen zwei Sightseeing-Routen rund um den Karmelitermarkt zwischen Donaukanal und Augarten im zweiten Bezirk. Das Problem: Die Gassen hier sind eng - zu eng für so viel Busverkehr, finden viele Anrainer. Außerdem prüft der Verfassungsschutz, ob eine potenzielle Gefährdung von jüdischen Einrichtungen vorliegt.

Die polizeilich bewachte jüdische Schule in der Malzgasse wird mehrmals pro halbe Stunde von den vorbeifahrenden Doppeldeckern passiert. Touristen wird dabei auch die kulturelle Vielfalt des Bezirks - wie auf einer Safari - von erhöhten Sitzplätzen aus nahegebracht. "Manche Busse sind oben offen, man könnte jederzeit Gegenstände auf die Schule werfen" , sagt Lukas Pusch, Sprecher der Bürgerinitiative "Pro Karmelitermarkt". Auf Anfrage des STANDARD im Wiener Landesamt der Staatsschützer wurde bestätigt, dass es Sicherheitsbedenken gebe und die Situation derzeit geprüft werde.

Alle drei Minuten

Anrainer beklagen Abgas- und Lärmbelästigung sowie verstopfte Straßen. "Wir haben Zählungen vorgenommen", sagt Pusch. "Im Durchschnitt hält alle drei Minuten ein Bus."

Die Haltestelle am Karmelitermarkt wird von drei Unternehmen benutzt, es kann vorkommen, dass der öffentliche 5A und die privaten Busse von Big Bus und Vienna Sightseeing zur selben Zeit ankommen. Thomas Unger, Pressesprecher der Wiener Linien, kann zwar von keinen Behinderungen für die Öffi-Linie berichten, aber das Verkehrsaufkommen an dieser Station ist für viele Anwohner zu hoch.

Unterschriftenaktion

Ein erster runder Tisch, an dem neben Vertretern von Bürgerinitiative und Behörden auch Bezirksvorsteher Karlheinz Hora ( SPÖ) teilnahm, brachte keine Ergebnisse. Die Bürger beklagen, ihr Mitspracherecht sei übergangen worden. Man hätte Einspruch gegen die Genehmigung der Konzession erheben wollen. Doch aus dem Bezirksrat sei niemand in die Verhandlungen einbezogen worden. Nun werden die Touri-Busse als Linienverkehr geführt.

Bezirksvorsteher Hora wehrt sich. Er sei im Behördenverfahren lediglich gefragt worden, ob die Haltestellen im zweiten Bezirk für Linienverkehr geeignet seien. Angesichts der intakten Öffi-Linien 5A und 5B habe er dies bejaht. Sein Angebot, Nicht-Linienbusse im Karmeliterviertel zu verbieten, ziele - so die Bürgerinitiative - am Problem vorbei. Inzwischen hat die Gruppe eine Petition gegen den touristischen Busverkehr gestartet. Bis dato zählt sie fast 700 Unterschriften. Allein an einem Wochenende seien 250 neue hinzugekommen. Nicht nur Anrainer, sondern auch Unternehmer und Lokalbesitzer, die ihre Schanigärten durch das erhöhte Verkehrsaufkommen gefährdet sehen, unterschrieben.

Vassilakou eingeschaltet

Vor kurzem hat es "Pro Karmeliterviertel" in die hohe Stadtpolitik geschafft: Maria Vassilakou (Grüne), Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin, zeigte im Rahmen eines Gesprächs mit der Bürgerinitiative Verständnis für die Situation. Sie versprach, an einer Lösung mitzuwirken, "die für alle eine gute ist". Diese soll bei einem zweiten runden Tisch gefunden werden.

Ein zentrales Eingriffsrecht habe Vassilakou aber nicht, sagt ihr Pressesprecher Andreas Baur. Verkehrsangelegenheiten werden auf Bezirksebene entschieden. Vienna Sightseeing Tours möchte bis zum nächsten runden Tisch keine Stellungnahme abgeben. An dieser Runde wird voraussichtlich auch die Wirtschaftskammer teilnehmen, die sich bisher entschieden gegen eine Verbannung der Busse aussprach. (Anja Melzer, DER STANDARD, 7.7.2014)

Zum Original