„Ich war ein Hinterfrager und Lausbub!“
Florian David Fitz über seinen neuen Film, die eigene Familie und warum uns alle
das gleiche Thema beschäftigt.
Von Anika Landsteiner
In einer edlen Suite des Hotels Bayerischer Hof steht Schauspieler Florian David Fitz und
streckt mir freundlich die Hand entgegen. Ich muss schmunzeln: Sein Bart zeigt erste graue
Haare, er ist barfuß, trägt eine lässige Jeans und ein weißes T-Shirt. Understatement pur,
und das gerade hier, in diesem Fünf-Sterne-Hotel mit weißen Flügeltüren und schweren
Teppichen. Er bietet mir etwas zu trinken an und nimmt dann im Schneidersitz Platz auf
einem antiken Sofa. Man möchte kaum glauben, dass dieser sympathische Frauenschwarm
mittlerweile schon Ende 30 ist. Ich setze mich auf einen Stuhl daneben, als er mich
schelmisch angrinst - und auf ein mal mir die erste Frage stellt...
ZEITjUNG.de: Hallo Florian, wie geht es dir?
Florian David Fitz: Mir geht’s gut, danke! Oh, ist das ein Lederrock?
Nein, das ist Kunstleder, ich trage kein Echtes.
Ah. Tierschützerin?
Ja (lacht).
Aha!
Legen wir los. Dein Filmvater bezeichnet dich, Conrad, als Yuppie. Im Laufe des Filmes machst du eine Wandlung durch und überdenkst deine Wertevorstellungen. Mit welchen Charakterzügen von Conrad kannst du dich identifizieren und mit welchen nicht?
Conrad ist ja kein Arschloch, er ist einer, der es richtig machen will. Yuppie ist er
in den Augen seines Vaters. Da ich ihn spiele, sehe ich natürlich, warum er so ist und
dass sein Verhalten Gründe hat. Er versucht es seinem Vater so richtig zu zeigen,
außerdem möchte er sich und seiner Familie eine Traumwelt erschaffen. Im Laufe des
Films muss er feststellen, dass das alles Bullshit ist. Das Geschenk, das er einpackt, ist
leer.
Für mich ist der Film typisch deutsches Wohlfühlkino. Warum würdest du dir den
Film anschauen, wenn du selbst nicht mitspielen würdest?
Was ist daran typisch deutsch?
Der Handlungsstrang. Man lacht, man weint, am Ende gibt es ein Happy-End...
Und das ist typisch deutsch? Es gibt doch so viele typisch deutsche Komödien, oder? „Da geht noch was“ ist eine Tragikomödie, die du schon ganz gut beschreibst. Es ist eine
Achterbahnfahrt. Ich freue mich zwar, wenn man eine Komödie anschaut und erst mal
emotional hochgeschossen wird, aber ich freue mich auch, wenn eine Achterbahn ein
paar Kurven fährt.
Deiner Figur entgleitet so einiges bezüglich ihrer Lebensplanung. Kennst du das selbst?
Wenn ich alles ins Drehbuch schreiben würde, was ich selbst erfahren habe, dann wären das sehr langweilige Bücher, denn im Film treibt man es immer auf die Spitze. In dem Maße kenne ich es nicht, aber ich habe mich auch noch nicht so verrannt, wie Conrad es tut.
Man möchte als Zuschauer sehen, wie Vater und Sohn Stück für Stück alles entgleitet, um
dann zu sehen, ob ein besserer Kern übrigbleibt.
Wie gehst du selbst damit um, wenn du das Gefühl hast, bei Dingen im Leben die Kontrolle zu verlieren?
Pragmatisch!
...heißt konkret?
Wenn’s anders läuft, dann muss ich mich darauf einstellen. Fertig.
Carl alias Henry Hübchen sagt im Film, dass man sich seine Familie nicht
aussuchen kann. Wie meistern die Beteiligten ihre Situation als
Familienmitglieder?
Diese Familie ist am Anfang des Filmes gescheitert. Es gibt eine relativ verzweifelte
Mutter, die sich Kontakt wünscht und vor sich hin graut (lacht). Da gibt es einen Vater,
der nicht ansatzweise versteht, dass er etwas falsch gemacht hat und im Selbstmitleid
ertrinkt, als seine Frau ihn verlässt. Seiner Meinung nach sind alle anderen schuld. Und
dann gibt es einen Sohn, der wiederum seinem Vater an allem die Schuld gibt und
versucht, alles alleine zu machen und ohne seine Wurzeln zu leben. Das Schöne ist, dass
man durch den Verlauf am Ende das Gefühl hat, die Mutter hätte diesen absichtlich
herbeigeführt, sodass es zumindest einen Konflikt gibt, durch den man sich annähern
kann.
Sehr schön fand ich, wie man gesehen hat, dass Conrad sich seinem Vater
eigentlich sehr ähnlich ist und das Verhalten auch an seinen Sohn weitergibt...
...ehrlich gesagt, ist das bei uns allen doch so – wir haben alle das gleiche Thema. Man
reagiert auf die Eltern und verhält sich entweder komplett genauso oder ganz anders.
Conrad will alles anders machen, als sein Vater, vernachlässigt seinen Sohn jedoch auch.
Er arbeitet unglaublich viel, um ihm später etwas bieten zu können, aber dass jetzt die
Zeit ist, die er mit ihm verbringen muss, begreift er überhaupt nicht. Ich fand es
außerdem spannend zu sehen, was passiert, wenn sich plötzlich Großvater und Enkel
verstehen und der Opa dem Enkel etwas geben kann, was er seinem eigenen Sohn nie
geben konnte.
Du stammst aus einer Künstlerfamilie. Hattest du selbst den Druck, deswegen
Schauspieler zu werden?
Im Gegenteil. Meine Eltern sind Kaufleute und stehen dem Ganzen eher misstrauisch
gegenüber. Sie hatten ein Hotel, in dem viele Künstler in den 70er Jahren verkehrt
haben. Das fanden sie immer toll, denn Gastronomen und Künstler können super
zusammen feiern. Aber sie haben natürlich auch immer gesehen, was das für Existenzen
sind, da waren ganz wenige dabei, die eine sichere Existenz hatten.
Das heißt, du bist behütet und abseits vom Rampenlicht aufgewachsen?
Ich habe es gar nicht mitbekommen. Allerdings ist es wohl eine genetische Sache, dass
ich dann doch Schauspieler werden wollte. Es geht da um Neigungen, die man einfach
hat.
Warst du ein braves Kind?
Ich war nicht nicht brav, in dem Sinne, wie es verstanden wird. Ich war ein ständiger
Hinterfrager und schon auch ein Lausbub. Ich hab viel Unsinn gemacht. Meine Schwester
war immer braver, aber als sie älter wurde, war sie eher das Sorgenkind und ich konnte
dann im Windschatten von ihr machen was ich wollte.
Ich finde, dass du sehr wandelbar bist und verschiedene Formate bedienst.
Achtest du darauf, dass du nicht in eine Schublade gesteckt wirst?
Danke! Ja, klar. Bei Hauptrollen ist es schwierig, weil sie nie so stark gezeichnet werden können, wie Nebenrollen es werden. Jeder soll sich mit der Hauptfigur identifizieren können. Deswegen schaue ich schon, dass sich die Rollen nicht wiederholen. Allerdings kann ich Conrad natürlich nicht komplett anders spielen, er hat etwas mit mir zu tun und allein physisch ist er ja wie ich. Beispielsweise habe ich mal jemanden gespielt, der aus einer unteren Schicht kam und dadurch auch anders gesprochen hat. Das verändert dich wieder. Spannend ist tatsächlich, das eigene Blut in die Rolle mitzunehmen, sonst wird es langweilig, wenn alles nur verkleidet ist.
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