1 Abo und 0 Abonnenten
Artikel

"Mit den Papieren, die der da hat, lassen wir ihn laufen"

Karamba Diaby: © Susann Stefanizen

Der Bundestagsabgeordnete ­Karamba Diaby will erreichen, dass "Racial Profiling" und verdachtsunabhängige Kontrollen verboten werden. Er wurde bereits selbst Opfer einer solchen Überprüfung.

Protokoll: Andreas Koob

Ich kam aus Magdeburg zurück nach Halle. Ein anderer schwarzer Mann und ich stiegen aus dem Zug und liefen mit vielen ­anderen Pendlerinnen und Pendlern in die Bahnhofshalle. Dort stoppten zwei Polizisten uns beide. Ausschließlich uns beide.

­Einer der beiden Beamten fragte mich nach meinem Personalausweis. Den gab ich ihm. Daraufhin fragte er mich, wo ich wohne. "Die Adresse steht auf der Rückseite des Ausweises", sagte ich. "Sie halten doch das modernste deutsche Ausweisdokument in der Hand - mitsamt meinen biometrischen Daten." Verblüfft überlegte er, wie er mit mir verfahren soll.

Eigentlich musste ich schon längst weiter zu einer Sitzung des Hallenser Ortsvereins der SPD, ausgerechnet zum Thema Kennzeichnungspflicht bei der Polizei. Die Situation wirkte wie bestellt.

Ich komme äußerst ungern zu spät. Deshalb dachte ich, helfe ich dem Polizisten mal und gab ihm zusätzlich meinen Stadt­rats­ausweis. Das wirkte für ihn dann noch verdächtiger. Ich hingegen dachte: Damit sind alle Rückfragen zu meinem Wohnort beantwortet. Denn in Deutschland wohnt ein Stadtrat in der Stadt, in der er Stadtrat ist. Jetzt aber musterte der Polizist mich noch eingehender.

Ich hatte es immer eiliger, wollte meine Straßenbahn nicht verpassen und zückte meinen damaligen Dienstausweis des Sozialministeriums Sachsen-Anhalt. Dann drehte der Polizist alle drei Ausweise noch einmal hin und her. Und sagte zu seinem Kollegen wortwörtlich: "Mit den Papieren, die der da hat, lassen wir ihn laufen."

Sehr wütend hat mich das gemacht. Eigentlich fällt mir in solchen Situationen immer etwas ein - etwas Spontanes, etwas Humorvolles, etwas Nachdenkliches. Aber überrascht und ­wütend fiel mir nichts ein. Ich sagte: "Ich werde mich beim Stahlknecht beschweren." "Was, wer ist denn das?", fragte der Bundespolizist, dem der Name des Innenministers von Sachsen-Anhalt nicht bekannt war. "Das erkläre ich Ihnen jetzt nicht", sagte ich im Weggehen.

Ich habe die Möglichkeit, so eine Situation bekannt zu machen. Wer aber der deutschen Sprache nicht mächtig ist, einen unsicheren Aufenthaltsstatus hat oder in unsicheren sozialen Verhältnissen lebt oder, oder, oder: Derjenige wird schluckend weitergehen. Das darf in der Gesellschaft nicht so weitergehen, dass Menschen ausgegrenzt werden, in ihrem Alltag.

Deshalb habe ich das Thema "Racial Profiling" auch im Deutschen Bundestag eingebracht. Mein langfristiges Ziel ist, dass das Polizeigesetz geändert wird und damit "Racial Profiling" und verdachtsunabhängige Kontrollen verboten werden.

Auf der politischen Agenda erscheint die Thematik äußerst irrelevant. Oft heißt es gegenüber denjenigen, die "Racial Profiling" als Problem benennen, dass sie die Polizistinnen und Polizisten zu Rassistinnen und Rassisten machen. Mein Abgeordnetenkollege Bernd Fabritius warf mir vor, die Polizei unter "Kollektivverdacht" zu stellen. Ob ich denn sicher sei, dass die betreffenden Beamten keinen Grund für diese Kontrolle hätten, fragte er mich.

Fünf Prozent der Abgeordneten im Bundestag haben einen Migrationshintergrund - im Unterschied zu 20 Prozent der ­Bevölkerung. Je mehr Menschen mit Migrationshintergrund in der Politik vertreten sind, desto höher ist die Sensibilität für ­bestimmte Themen. Das gilt auch für Verwaltung oder Schulen. Selbst an Schulen, auf die viele Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund gehen, ist der Anteil an Lehrerinnen und Lehrern mit Migrationshintergrund verschwindend gering. All das sind notwendige Maßnahmen, um die Gesellschaft zu sensibilisieren.

Zum Original