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9 Gründe, warum Zuhören im Coaching wichtig ist

9 Gründe, warum Zuhören im Coaching wichtig ist

Zuhören im Coaching ist wertvoll, denn wir leben in einer Welt, in der Selbstausdruck, Selbstbehauptung und Reden große Bedeutung haben. Menschen sehnen sich danach gehört und gesehen zu werden. Sie wünschen sich ein offenes Ohr und jemanden, dem sie ihr Herz ausschütten können. Mit der Geschichte von „Momo” hat Michael Ende die tiefe Sehnsucht bedingungslos und umfassend gehört zu werden angesprochen und auch beschrieben, dass unser Miteinander oftmals einer emotionalen Wüste gleicht. Viele Menschen finden das, wonach sie begehren, erst in der Psychotherapie oder im Coaching.


In der Tat hat im Coaching das Zuhören unabhängig von allen Methoden einen großen Stellenwert. Das heißt zum Beispiel dem Coachee Redezeit schenken, ausreden lassen, Fragen stellen, mit eigenen Worten das Gesagte wiederholen, den Gefühlen des Coachees Raum geben, ihn in seinen Gefühlen und Gesten spiegeln, Empathie und Verständnis schenken etc. Wie Coaches das Zuhören in ihrer Praxis effektiv nutzen können, das beschreibe ich in meinem Buch „Zuhören ist ein Geschenk“ (Kösel, 2019). 


Zuhören im Coaching hat viele Wirkungen

Zuhören im Coaching wirkt vielfältig. Es


schafft eine gemeinsame sachliche und emotionale Basis,gibt der Klientin die Erfahrung, sich gehört, gesehen, verstanden zu fühlen,schafft emotionale Nähe,schafft Klarheit und macht Zusammenhänge deutlich,bringt die Erfahrung auf den Punkt,verlangsamt den Coaching-Prozess und ermöglicht so emotionale Tiefe,drückt Verständnis und Empathie aus,kann beim Coachee Distanz zum Erlebten schaffen,kann beim Coachee den Zugang zu den eigenen Emotionen öffnen.

Die zwei letzten Punkte sind kein Widerspruch. Denn je nach Standort des Klienten kann Zuhören in die eine oder in die andere Richtung führen.


Zuhören im Coaching: ein Beispiel aus der Praxis

Ein Beispiel aus der Coaching-Praxis. Carola hat sich über ihren Chef geärgert und redet sich heiß. Sie arbeitet als Erzieherin in einer Einrichtung für Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen. In ihrer Gruppe leben Menschen ab 50 Jahren, die schon etwas ruhiger sind. „Nun will mein Chef einen jungen Mann aufnehmen, der überhaupt nicht in die Gruppenstruktur passt. Er ist 20 Jahre alt und hyperaktiv. Der mischt mir die ganze Gruppe auf. Da fühlt sich doch keiner mehr wohl. Er braucht Ansprechpartner in seinem Alter! Die aktuellen Bewohner wollen es auch etwas ruhiger angehen lassen. Und wir Erzieherinnen dürfen dann schauen, wie wir klar kommen und das Ganze ausbaden. Den Chef interessiert das gar nicht, obwohl ich es ihm gesagt habe. Dem ist völlig egal, wie es uns geht. Und das regt mich dann auf, obwohl ich eigentlich gern dort arbeite.” So geht es immerfort.


Oft hören wir Coaches als erstes einen unzusammenhängenden Redeschwall. Durch Fragen schaffen wir dann Verständnis für die Zusammenhänge. Sie sind ein wichtiges Element des Zuhörens. Manchmal treffen wir mit unserer Frage ins Schwarze und stoßen auf einen wichtigen Punkt. Was regt den Klienten am meisten auf? Wie ist das Gespräch mit dem Chef abgelaufen? Was ist so schlimm daran? 


Wenn ich die wichtigen Informationen gehört und den Sachverhalt in seinen Zusammenhängen verstanden habe, wiederhole ich ihn. Mit diesem Aktiven Zuhören schaffe ich eine sachliche und emotionale Basis zwischen mir und dem Coachee. Sachlich, weil ich sicher sein kann, dass wir über denselben Sachverhalt reden. Emotional weil ich meiner Klientin die Erfahrung vermittle, dass ich mich für sie interessiere und mich um ein Verstehen ihrer Sicht der Dinge bemühe. Jederzeit haben die Coachees die Gelegenheit, mich zu verbessern oder Dinge zu ergänzen.


Coaching: Aktives Zuhören schafft eine gemeinsame Basis

Also habe ich zu Carola sinngemäß Folgendes gesagt: „Ich wiederhole einmal, was bei mir angekommen ist. Und Sie schauen, ob ich es richtig verstanden habe. Sie sind Erzieherin in einer Einrichtung. Sie sind hundertprozentig davon überzeugt, dass der neue Bewohner nicht in die Gruppe passt. Zu Ihrem Chef haben Sie ein gutes Verhältnis. Sie sind zu ihm ins Büro und dann haben Sie ihm erklärt, warum der neue Bewohner nicht in die Gruppe passt. Sie haben circa 20 Minuten geredet und am Ende hat der Chef gesagt: Das interessiert mich nicht. Wir machen es so, wie ich gesagt habe! Daraufhin sind Sie aus seinem Büro gestürmt und haben sich wütend und hilflos gefühlt!“


Carola nickt und blickt nachdenklich. „Wissen Sie was? Jetzt, wo Sie es wiederholen, wird mir einiges klar. Das ist wie damals bei meinem Vater! Er hat mich auch immer stundenlang reden lassen, nur um mir dann zu sagen, dass es so gemacht wird, wie er es entschieden hat.“


Durch die Wiederholung mit meinen Worten konnte Carola die Zusammenhänge erkennen: zwischen der aktuellen Situation und ihrem Erleben als Kind. Tränen steigen in ihre Augen, als Sie sich erinnert. Unter der Wut auf den Chef liegen in Wirklichkeit Schmerz und Hilflosigkeit des nicht gehörten Kindes von damals. Und die Trauer darüber. Die heutige Wut ist zuweilen ein Sekundärgefühl, und wenn wir offen sind, zeigt sie uns den Weg zu den eigentlichen Gefühlen von Schmerz und Trauer.


Coaching: den Gefühlen und Bedürfnissen Raum geben

Damit ist das Zuhören noch nicht beendet. Ich entschleunige unseren Dialog und gebe den tiefen Gefühlen der Trauer und des Schmerzes in Carola einen Raum. Ich schenke ihr Empathie und Mitgefühl. Manchmal drücke ich mein Mitgefühl in Form von empathischen Vermutungen auf Basis der Gewaltfreien Kommunikation aus. So mache ich mich gemeinsam mit dem Coachee auf die Suche nach der Schönheit der Bedürfnisse und der Sehnsucht hinter den Gefühlen.


Zum Beispiel frage ich: Können Sie sich an eine bestimmte Situation erinnern? Wenn Sie an diese Situationen Ihrer Kindheit denken, sind Sie sind dann traurig? Wo im Körper spüren Sie diese Traurigkeit? Hätten Sie gern mehr Kontakt mit Ihrem Vater gehabt? Hätten Sie sich gewünscht, ernst genommen zu werden? Hätten Sie sich Anerkennung gewünscht? Zusätzlich gebe ich ausdrücklich die Erlaubnis für die Traurigkeit und lade somit die Klienten zum Nachspüren ein. Manchmal erkläre ich auf der Metaebene, dass es gut ist, diese unangenehmen Gefühle zu spüren, weil sie dann abfließen können und eine alte Wunde heilen darf.


Auch das gehört zum Zuhören, denn ich lausche den Gefühlen und Bedürfnissen meiner Klienten. Mit den empathischen Vermutungen lade ich sie zum Fühlen, Spüren und eventuell auch zum Weitererzählen ein. Ich höre dann nicht nur mit Worten zu, sondern auf allen Ebenen meines Seins.


Anschließend lade ich den Coachee ein, sich mit allen Sinnen vorzustellen, wie das damals nicht erfüllte Bedürfnis nun erfüllt ist. Manchmal - wie hier bei Carola – lade ich auch zu einer Intervention aus dem Konzept der Heilung des inneren Kindes ein. Eventuell schließt sich ein praktisches Kommunikationstraining für weitere Verhandlungen mit dem Chef an. Das gehört dann nicht mehr zum “Zuhören”, sondern zu den Coaching-Methoden.


Coaching: Zuhören wirkt!

Carola fühlte nach dem Coaching viel weniger Re-Aktivität, Ärger und Hilflosigkeit gegenüber ihrem Vorgesetzten. Das ist für mich ein typisches Ergebnis der Arbeit mit dem inneren Kind: Wenn diese Anteile gehört, gesehen und integriert worden sind, können die Klienten wesentlich ruhiger, gelassener aus dem Erwachsenen-Ich handeln. Auf dieser Basis haben wir dann die Verantwortlichkeiten herausgearbeitet, dass es Aufgabe des Vorgesetzten ist, die Gruppen zu besetzen, und ihre Aufgabe, ihm regelmäßig zu berichten, was in den Gruppen passiert, also auch über Konflikte zu informieren. Diese Gespräche mit dem Chef habe ich mit Carola im Rollenspiel geübt.


Zuhören ist ein Geschenk. Und im Grunde nicht schwer zu lernen. Wenn wir wissen, wie es geht, lassen sich die schlimmsten Kommunikationsblockaden vermeiden. Einfach indem wir unseren Mitmenschen Redezeit geben, Interesse zeigen und Empathie schenken.


Dieser Artikel wurde veröffentlicht in "Praxis Kommunikation" im Junfermann-Verlag 5/2019.


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