Andrea Lütkewitz

Freie (Online-) Redakteurin und Journalistin

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Das unterschätzte Leichtgewicht

„Skizze eines Sommers“ stand am Mittwochabend in liebevoller Schreibschrift an der Tafel des Klassenzimmers in der Kleist-Schule in der Friedrich-Ebert-Straße. Angekündigt wurde damit André Kubiczeks aktueller Roman, der auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises vertreten ist. Das Brandenburgische Literaturbüro hatte den Autor zur Lesung in dessen Heimatstadt Potsdam eingeladen, und zwar an diesen Ort, weil das mit Blick auf den 16-jährigen Ich-Erzähler des Romans nahegelegen habe, sagte Literaturbüro-Leiter und Moderator Hendrik Röder. „Ein bisschen wie bei einem Elternabend“, war im Publikum zu hören.

Ein sichtbar erstaunter und schüchterner Kubiczek bahnte sich den Weg zum Lehrertisch, auf Schulstühlen hatte Platz genommen, wer noch das Glück hatte, hineinzukommen. Mit etwa 100 Gästen war der Abend mehr als ausverkauft, sogar ein zweiter Raum für weitere Sitzplätze wurde geöffnet. Ob so ein Stoff – die Geschichte spielt im Potsdam des Jahres 1985 – „lange abgehangen sein“ muss, fragte Röder zu Beginn den Autor. „Ich glaube nicht, nur, wenn man ihn denn 30 Jahre hängen lässt, wird der Blick gnädiger auf die Zeit“, antwortete dieser – zugleich emotionsloser und emotionaler schaue man drauf. Daraus resultiere ein Ton, den er vor 20 Jahren so nicht gefunden hätte. Dieser Ton – die gelungene Abbildung einer Jugendsprache – hatte auch die Jury des Deutschen Buchpreises überzeugt. Einigen Rezensionen, in denen das Buch als „Leichtgewicht“ unter den nominierten Titeln bezeichnet wird, begegnet Kubiczek selbstbewusst: Man unterschätze diese Art zu schreiben, man denke, es sei „so dahingelabert“. Im Grunde sei es genauso schwer, „einfach schön“ zu schreiben, Satzungetüme aufeinanderzutürmen, das sei manchmal sogar leichter.

So glaubwürdig Kubiczek auch schreibe, eine Sache interessiere ihn dann aber doch, schloss Röder daran an: Wie komme es, dass der erst 16-jährige Protagonist Weltliteratur wie Baudelaire lese? Nun, in seiner eigenen Jugend sei er auf derartige – in der DDR gern als „dekadent“ bezeichnete – Literatur durch „Das Bildnis des Dorian Gray“ von Oscar Wilde gestoßen. „Es waren die Lieblingsbücher von Gray“, so Kubiczek. Und etwas, das in der DDR kaum zu bekommen war, geschweige denn in der Schule gelesen wurde.

Einem „Elternabend“ kam die Lesung glücklicherweise nicht gleich. Sie war ein kurzweiliges Vergnügen, machte Lust auf die Geschichte, offenbarte ein wenig vom Entstehungsprozess des Romans. Aber eben nur ein wenig – denn ein abschließendes Gespräch, einen längeren Dialog zwischen Autor und Moderator hätte man sich als Gast dann doch noch gewünscht. Der Abend ging beinahe abrupt zu Ende. Dabei hätte es der ein oder andere sicher noch länger im Klassenraum ausgehalten
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