Andrea Lütkewitz

Freie (Online-) Redakteurin und Journalistin

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Räume fast ohne Sorgen


Der Kreativkosmos im Rechenzentrum feierte sein einjähriges Bestehen. Doch wie wird es nach dem Auslaufen der Mietverträge im nächsten Jahr weitergehen? Die Künstler, die dort ihre Ateliers haben, wollen jedenfalls nicht weichen.

Der Kreativkosmonaut – ein Vertreter der Kulturlobby Potsdam im Astronautenkostüm – taucht immer dann im Rechenzentrum auf, wenn es etwas Wichtiges zu verkünden gibt. Am Freitagabend war der Anlass für die Landung des Maskottchens im Kunst- und Kreativhaus in der Dortustraße ein fröhlicher: das feierliche Überreichen einer großen Geburtstagstorte. Ein Jahr ist der Kreativkosmos alt geworden. Gefeiert wurde von Freitag bis Sonntag mit offenen Ateliers, Studios und Werkstätten, Konzerten, Theater und Führungen durch das Haus, zu denen sich an allen Tagen mehrere Hundert Menschen einfanden.


Was passiert nach dem 31. August 2018?

Trotz der Feier stand aber für Betreiber, Mieter und Besucher vor allem die Frage im Raum, wie es nach dem 31. August 2018 mit dem Kreativkosmos weitergehen wird, denn bislang handelt es sich lediglich um eine Zwischennutzung. Zur Debatte steht ein Abriss des Gebäudes für die Wiedergewinnung des sogenannten Plantage-Areals zwischen Dortu- und Breite Straße. Außerdem ist offen, wie genau der geplante Wiederaufbau der Garnisonkirche an dem Ort aussehen wird – soll auch das Kirchenschiff wiedererrichtet werden, muss das Haus weichen. Für die Mieter würde das bedeuten, dass sie sich auf die Suche nach neuen Arbeitsräumen machen müssen. Zwar werde derzeit eine mögliche Nutzung der Garde-Husaren-Kaserne in der Schiffbauergasse geprüft, und im Dezember würden die Stadtverordneten über den Stand dieser Pläne informiert, teilte die Stadt Potsdam anlässlich der Gratulation an das Rechenzentrum durch den Oberbürgermeister Jann Jakobs mit. Doch ob dies tatsächlich umgesetzt wird und wie dann die Konditionen aussehen würden, ist noch unklar.

Die Stadt verweist seit Anbeginn darauf hin, dass die Nutzungsdauer begrenzt ist. Jedoch wünschten sich die Mieter des Hauses übereinstimmend, bleiben zu können, sagt Anja Engel, Koordinatorin des Kunst- und Kreativhauses. „Sie wollen nicht schon wieder umziehen müssen“, erklärt sie. Viele von ihnen hätten jahrelang nach bezahlbarem Raum gesucht – einen Umzug in die Schiffbauergasse würden sie deshalb auch nur dann mitmachen, wenn sich an den Mietpreisen – sieben Euro pro Quadratmeter – nichts ändere. Der Ort sei für die Künstler ein Raum, in dem sie sich ohne Mietsorgen entfalten könnten. Zudem würde man auch von vorn beginnen müssen, denn Umzüge fräßen nun mal kreative Ressourcen, so Engel. Gerade erst entwickele sich eine nachbarschaftliche Gemeinschaft im Haus, die dann eventuell auseinandergerissen würde. Bis Projekte unter den Mietern sowie Geschäftskontakte auch nach außen entstanden seien, habe es schon auch dieses ganze erste Jahr gebraucht. „Eigentlich fangen wir jetzt erst richtig an“, sagt Engel.


Angekommen: Künstler wollen im Rechenzentrum bleiben

Werden die Mieter auf die Zwischennutzung angesprochen, ist die Aussage immer gleich: „Wir wollen bleiben.“ Die Grafikdesignerin Verena Postweiler etwa wohnt seit sechs Monaten im Haus. „Für allem für Frauen wie mich, die Arbeit und Kinderbetreuung unter einen Hut bekommen müssen, hat sich das Rechenzentrum bewährt“, sagt sie. Früher habe sie nach Berlin pendeln müssen – eine unbefriedigende Situation. Sie fühle sich im Rechenzentrum angekommen, ein erneuter Umzug ins Ungewisse wäre für sie eine erneute Belastung. Mieterin Andrea Schönherr, Filmschneiderin und ebenfalls Mutter, sieht das genauso. Eine gute Infrastruktur sei wichtig, sagt sie und fragt: „Warum soll das Kunst- und Kreativzentrum an den Rand gedrängt werden?“

Alle im Haus hoffen deshalb auf eine gute Lösung. So scheint etwa seitens der Stadt eine Verlängerung der Nutzung durchaus realistisch. Bei der Podiumsdiskussion zum Auftakt der Feier mit dem Thema „Braucht Potsdam das Rechenzentrum?“ bestätigte dies Harald Kümmel, Leiter des Büros des Oberbürgermeisters und Koordinator der Stadtverwaltung für das Rechenzentrum. Auch im Gratulationsschreiben der Stadt heißt es, dass in Gesprächen zwischen Stadtverwaltung, Sanierungsträger und Stiftung Garnisonkirche erörtert werde, inwiefern eine Verlängerung der Zwischennutzung möglich sei.


Proberäume für Musiker fehlen noch immer

Mit Blick auf die aktuelle Vergrößerung des Kreativkosmos scheint dies jedenfalls ein durchaus sinnvolles Bestreben zu sein – noch in dieser Woche werden neue Mieter auch die erste und zweite Etage des Hauses beziehen, aus denen kürzlich das zentrale Rechenzentrum des Landes Brandenburg ausgezogen ist. Damit wird das gesamte Haus bezogen. Und auch die Potsdamer schätzten das Haus laut Engel inzwischen als Veranstaltungsort – zur Eröffnung der Feier am Freitag seien etwa 500 Gäste gekommen, so die Koordinatorin.

Sollte eine Langzeitnutzung möglich sein, würde Anja Engel sich wünschen, künftig auch mit denen feiern und Torte essen zu können, die aktuell noch das Nachsehen haben – den Musikern der Stadt. Denn ausgerechnet denen, die vor zwei Jahren für Kreativräume protestierten, nachdem die Alte Brauerei am Leipziger Dreieck geräumt wurde, fehlt es weiterhin an diesen. Wegen der Zwischennutzung werde kein Geld in schallisolierte Proberäume investiert, so Engel.




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