Andrea Lütkewitz

Freie (Online-) Redakteurin und Journalistin

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Geschichten von 1001 Koffern

Über 500 Menschen bei Auktion im Stern-Center

Nein, der Auftritt eines Stars ist nicht der Grund für den Andrang von Hunderten Neugierigen vor der Bühne im Stern-Center Potsdam am vergangenen Samstag. Im Mittelpunkt stehen Koffer und Taschen, die zum Abschluss der Ausstellung „Der Traum vom Fliegen" auf einer Auktion versteigert werden sollen. Sie wurden von ihren Besitzern aus unbekannten Gründen nicht mehr am Flughafen abgeholt.

Und auch schon zwei Stunden vor Beginn der Versteigerung schieben sich die späteren Bieter um die über 350 Fundstücke herum, notieren sich deren Nummern, um im entscheidenden Moment zuschlagen zu können. Was sich in den Taschen und Koffern befindet, weiß dabei vorher niemand.

Und dann geht es Schlag auf Schlag: Auktionator Martin Clesle ruft die Gebote so schnell in die Menge, dass es schwierig wird, mit dem Kopfrechnen hinterherzukommen. Genauso schnell gehen die ersten Taschen weg, zu Beginn noch für wenig Geld, 20, 30 Euro. Am Ende können für einzelne Teile jedoch auch ein paar Hundert Euro zusammenkommen. Ob sich der Einsatz lohnt, zeigt sich für viele aber erst zu Hause, die meisten wollen ihre Koffer vor Ort nicht öffnen. „Könnte ja peinlich sein", sagt ein Mann lachend, der nicht namentlich genannt werden will.

Doch es gibt auch Mutige, die ihr Ersteigertes zeigen. Einer von ihnen ist René Eiselt. Er hat eine „Ü-Box" - einen Karton mit Fundsachen - ersteigert. Für 87 Euro kann er vieles mit nach Hause nehmen: ein neues Trikot der bosnisch-herzegowinischen Fußballnationalmannschaft, eine Sportjacke, einen E-Reader, eine mobile Handy-Ladestation, Kopfhörer, Parfüm - alles neu. Doch es gibt auch Leute mit weniger Glück, die Koffer mit nur ein paar Kleidungsstücken ergattern.

„Jeder versucht ja, einen Schatz zu finden", sagt Clesle, dessen Auktionshaus seit 2011 im Auftrag der Lufthansa deutschlandweit Gepäckstücke versteigert. Es sei das Spiel mit dem Geheimnisvollen, das die Leute am Mitmachen reize und zu Besucherandrang wie bei einem Star-Auftritt führe. Und es gebe immer Momente, in denen sich auch die freuen, die Wertloses ersteigern: „Einmal hat eine hochschwangere Frau einen Koffer ergattert, in dem eine komplett neue Baby-Ausstattung war, von der Kleidung bis zum Schnuller", erzählt er. Das werde er nie vergessen.

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