Klingenthal, Courchevel, Schuchinsk, Tschaikowski und nicht zuletzt auch Hinzenbach: Bisher blieb den Skispringern jeder einzelne Antritt bei einem Sommer-Grand-Prix verwehrt. Nun darf sich die Skisprungfamilie jedoch wieder treffen. Nachdem die Damen vergangenes Wochenende im tschechischen Frenstat vorlegten - Österreichs Marita Kramer musste sich nur Nika Kriznar geschlagen geben -, ziehen jetzt auch die Herren in Wisla nach. In Polen erfolgt somit das erste Kräftemessen für eine Saison, in der vieles anders sein wird als normal.
134 Meter (Hillsize), 120 Meter (K-Punkt), 139 Meter (Höchstweite), aufgestellt von Stefan Kraft, dem Mann, der in Wisla der große Fehlende sein wird. Nachdem die Saison der Adler im März aufgrund des Coronavirus inmitten der Raw-Air-Serie in Trondheim vorzeitig beendet wurde, kehrt der Zirkus jetzt auf die oben beschriebene Adam-Malysz-Schanze in Wisla zurück.
"Die Teilnehmer bestanden darauf, dass wir uns auf den August-Termin einigen, weil sie zum Wettbewerb zurückkehren wollen", erklärt Andrzej Wasowic, Chef des Organisationskomitees in Wisla, und verweist damit auf den Septembertermin, der ebenfalls zur Debatte gestanden sei. Insgesamt haben sich für den Sommer-Grand-Prix 53 Teilnehmer angemeldet, "nur die Japaner werden nicht zum Wettbewerb kommen. Der Rest des Teilnehmerfeldes ist bereit für die Reise nach Wisla", sagt Wasowicz.
Hayböck und Kraft fehlenAus österreichischer Sicht fällt die Teilnehmerzahl beziehungsweise Stardichte heuer jedoch etwas mager aus: Mit Nationalkaderspringer Michael Hayböck, der seine Energie offenbar lieber ins Hausbauen statt in eine Reise nach Wisla steckt, und dem amtierenden Gesamtweltcupsieger Stefan Kraft, der Probleme im Lendenwirbelbereich auszukurieren versucht, nehmen gleich zwei Mitglieder der österreichischen Nationalmannschaft die Chance auf ein erstes internationales Kräftemessen nicht wahr. "Die Rückenprobleme von Stefan sind zum Glück nicht dramatisch, aber man muss jetzt im Sommer auch nichts erzwingen", erklärt Andreas Widhölzl, der neue Cheftrainer der österreichischen Adler und selbst ehemaliger Weltklasse-Springer. Jedoch betont er: "Stefan springt sehr gut, obwohl er nicht so viele Sprünge in den Beinen hat wie seine Kollegen."
Andreas Widhölzl ist der neue Cheftrainer der österreichischen Skispringer. - © apa/expa/JFKDer 43-jährige Widhölzl absolviert somit in Wisla mit dem Septett Philipp Aschenwald, Gregor Schlierenzauer, Daniel Huber, Jan Hörl sowie David Haagen, Clemens Leitner und Junioren-Weltmeister Peter Resinger seine Feuertaufe, übernahm der Tiroler doch erst im Frühjahr die Mannschaft aus den Händen von Ex-Cheftrainer Andreas Felder. Dieser war zuvor zu Italiens Skiverband gewechselt und wird dort in der kommenden Saison für die springende Damenmannschaft zuständig sein.
Das erste Kennenlernen mit der Mannschaft - man kann es eigentlich kaum als solches bezeichnen, betreute Widhölzl doch bereits ab 2013 an der Seite der früheren Cheftrainer Alex Pointner, Heinz Kuttin und zuletzt Felder das Skisprung-Team - erfolgte Mitte Juni beim ersten Trainingslager am Faaker See. Nun gilt es, die Trainingsleistungen auch im Vergleich mit der Konkurrenz zu bewerten: "Nach den vielen bisherigen Trainingseinheiten ist ein internationaler Vergleich für die Athleten ein wichtiges Zwischenziel", erklärt Neo-Cheftrainer Widhölzl.
Isolation statt HexenkesselFreilich wird beim Klassiker in Wisla vieles anders sein als normal. Statt einem brodelnden Hexenkessel erwarten die Springer hohe Sicherheitsmaßnahmen und eine strikte Trennung von den nur 999 Zuschauern, die pro Tag erlaubt sind. Außerdem müssen sich die Sportler vor der Einreise einem Covid-19 Test unterziehen und sollen den Kontakt zu anderen Personen - und damit auch zu den Springern und Trainern aus den anderen Teams - möglichst vermeiden: Eine Kostprobe auf die kommende Wintersaison sozusagen. Eine eigene Kostprobe bekommen die ÖSV-Stars auch von ihrem persönlichen Koch, denn sie sind aus Sicherheitsgründen nicht im großen Mannschaftshotel untergebracht, sondern isoliert in einem eigenen Appartement.
Für den neuen FIS-Renndirektor, den Italiener Sandro Pertile, stellt der Weltcup vor allem eine Probe für die neue Saison dar: "Es wird neben dem großen Sportevent auch ein großer Test für uns alle werden. Nach den Wettkämpfen in Wisla bleibt noch genügend Zeit, um Dinge anzupassen und neu zu definieren, während des laufenden Winters sind Anpassungen dann deutlich komplizierter und aufwendiger." So müssten beispielsweise die Wege zu den Unterkünften und zur Schanze unterschiedlich gestaltet werden, erklärt Pertile. Getestet wird auch im Bezug auf die Reglementänderungen: Neben Verbesserungen beim Anzug wurden auch neu adaptierte Wadenkeile entwickelt, die insbesondere das Verletzungsrisiko bei der Landung - Stichwort Kreuzbandriss - minimieren sollten. Auch hier gelte es, Erfahrungen für den Winter zu sammeln.
Wenn alles gut verläuft und sich die Corona-Pandemie nicht zum Schlimmeren wendet, werden die Adler auch Mitte November in den Südwesten Polens zurückkehren: dann jedoch zum wirklichen Saisonstart.