Die Corona-Zahlen in Russland sind besorgniserregend: Mehr als 32.000 Menschen haben sich binnen eines Tages neu infiziert, fast Tausend sind gestorben. Epidemiologen warnen.
32.000 Menschen infizierten sich innerhalb eines Tages mit Corona. Die Gesamtzahl der infizierten Personen seit Beginn der Pandemie übersteigt somit 7,8 Millionen - doch trotz der beunruhigenden Lage gelten im Land nach wie vor fast keine Einschränkungen.
Zugleich sind in einigen Regionen die Krankenhäuser bereits vollkommen ausgelastet und können keine weiteren Corona-Patienten aufnehmen.
Kein Lockdown - trotz besorgniserregender Zahlen
Schon lange gilt in Verkehrsmitteln und öffentlichen Einrichtungen die Maskenpflicht, bis heute wird sie aber nicht konsequent durchgesetzt. Bei den meisten hängt die Maske nur über dem Kinn - auch Abstandsregeln werden nicht eingehalten. Gleichzeitig sind Massenveranstaltungen weiter erlaubt.
Der Moskauer Epidemiologe Wassilij Wlassow sieht die aktuelle Situation in Russland als besorgniserregend an, da regionale Behörden bis vor kurzem praktisch keine Maßnahmen durchgesetzt hätten.
"Die rasche Zunahme der Erkrankungen hängt vor allem damit zusammen, dass es in Russland heute praktisch keinerlei Einschränkungen für die Kontakte der Menschen untereinander gibt." Wassilij Wlassow, Epidemiologe
"Logisch wäre es anzunehmen, dass bei einer Versammlung nicht mehr als 50 Personen sein dürfen. Aber es gibt nichts dergleichen, keine Einschränkungen für die Anzahl der Menschen, die sich in einem Raum befinden dürfen."
Regionen verschärfen Maßnahmen - aber kein Lockdown in Sicht
Seit kurzer Zeit fangen Regionen in Russland an, die Maßnahmen zu verschärfen, indem sie Impfnachweise beim Eintritt in die kulturellen und sportlichen Einrichtungen kontrollieren. Der Zutritt in gastronomische Einrichtungen bleibt jedoch nach wie vor frei. Die Behördenvertreter betonen, dass es keine Pläne für einen strikten Lockdown gebe.
Kreml über geringe Impfquote besorgt
Obwohl sich die Lage seit Tagen verschlechtert, will sich der Großteil der Bevölkerung nicht impfen lassen. Nach offiziellen Angaben haben in Russland 51 Millionen Menschen mindestens die erste Impfungen erhalten.
Das sind etwa 34 Prozent der Gesamtbevölkerung - zu wenig, um den Anstieg der schweren Erkrankungen und Todesfälle zu bremsen.
Auch der Kreml macht die Bürgerinnen und Bürger darauf aufmerksam, dass das Impfniveau "inakzeptabel niedrig" sei. Ein Sprecher von Präsident Putin:
"Die Pandemie verschwindet nicht, sie kommt in neuen Wellen zurück, neue aggressivere virulentere Stämme stellen eine große Gefahr dar. Das Einzige, das das Leben rettet, ist die Impfung." Dmitry Peskov, Sprecher von Präsident Putin
Mangelndes Vertrauen in "Sputnik V"
Die Hauptursache für die Impfweigerung bestehe laut Wlassow darin, dass die Menschen dem Staat nicht vertrauen. Durch die staatliche Propaganda seien die Menschen "desorientiert": Sie denken, dass alles, was von der Regierung angepriesen wird, in der Realität nicht gut für sie sei.
Auch die Tatsache, dass der russische Impfstoff "Sputnik V" im Vergleich zum Vakzin anderer Hersteller so schnell zugelassen wurde, wirft bei vielen Fragen auf. Obwohl eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent angepriesen wird, sind nur wenige Informationen über den Impfstoff öffentlich zugänglich.
"Von daher besteht auch bei vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine vorsichtige Haltung gegenüber der Beurteilung der Wirksamkeit des Vakzins." Wassilij Wlassow, Epidemiologe