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Von einem Versuch, die Berliner Weinmesse so besoffen wie möglich zu verlassen

Mein höchst ehrenhaftes Vorhaben: Besaufen auf der Weinmesse

Als ich mitbekomme, dass die nächste Weinmesse in Berlin bevorsteht, ist für mich sofort klar: Ich muss dahin! Um die Sache etwas interessanter zu machen, setze ich mir ein Ziel: Betrunken werden. Der Tag lief allerdings etwas anders als gedacht ...

Besaufen auf der Weinmesse – mit dieser Idee habe ich wahrscheinlich weder meine Eltern stolz gemacht, noch besonderen Ideenreichtum bewiesen. Dennoch bin zuversichtlich, als ich eine Nachricht im Whatsapp-Gruppenchat absetze, um mir Saufkompanen zu klären. Wie erwartet, enttäuschen meine Freunde nicht: "Wein immer gerne", ploppt nach wenigen Minuten als Antwort auf meinem Screen auf und damit ist der Plan in trockenen Tüchern. Wir machen aus: Samstag, 15 Uhr, Treffpunkt Messe Berlin. Toll, wie rund das alles läuft, denke ich.

Als der Tag der Tage endlich gekommen ist, wird mein Enthusiasmus allerdings direkt ausgebremst. Ich merke viel zu spät, dass ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nahezu doppelt so lange brauche wie gedacht und muss mir ein Uber buchen, um mich vor der Einstufung meiner Verspätung als "absolut unverschämt" zu retten. Nach 15 Minuten Fahrt hält der Fahrer an und fragt: "Passt, wenn ich dich hier rauslasse?" Ich löse den Blick von meinem Handy, bejahe seine Frage ohne mich viel umzuschauen und steige aus. Es braucht nur wenige Sekunden, bis ich merke, dass es leider doch gar nicht mal so gut passt, mich hier rauszulassen – von der Weinmesse ist keine Spur – aber der Fahrer ist schon weg. Mist.

Zum Glück leben wir im 21. Jahrhundert und können Google Maps fragen, wenn uns ein Taxifahrer an der falschen Stelle herauslässt (you literally had one job), denke ich und gebe die Nummer der Messehalle ein, in der das Besäufnis gerade schon ohne mich Fahrt aufnimmt. Da wusste ich noch nicht, dass Google Maps an diesem Samstag anscheinend genauso wenig Bock auf Funktionieren hatte, wie ich. Long story short: Die App führte mich in einer 30-minütigen Odyssee zu Fuß um das halbe Messegelände, die schlechte Beschilderung tat ihren Rest. So hatte ich mir das nicht vorgestellt.

Die Weinmesse stellt meine Geduld anfangs hart auf die Probe

Mit fast einer Stunde Verspätung schaffe ich es am Ende dann doch noch vor die Tore der heiligen Weinhallen, wenn auch schwitzend und schlecht gelaunt. Die Horde an Menschen, die in Schlangen auf den Einlass wartet, kann ich noch verkraften, als mir die Hostess an der Tür aber erklärt: "Alle Garderoben sind voll. Die Jacke müssen sie leider ansichtragen", überlege ich kurz wieder zu gehen. Tiefes Durchatmen und der Gedanke an ein gutes Glas Wein hält mich letztendlich davon ab, auf dem Absatz wieder kehrtzumachen – und führt mich direkt in die nächste Schlange, die zur Weinglas-Vergabe gegen fünf Euro Pfand führt. Nicht. Euer. Ernst.

Mit meiner Jacke in der linken Hand, dem Weinglas in der rechten Hand und meiner Geduld komplett am Boden, hält mich nur noch die Überzeugung, dass es ab jetzt nur besser werden kann. Ich kann nun endlich den Suff-Plan angehen und mache mich mit meinen Freunden – alle schon mit zwei bis drei Gläsern Vorsprung – auf den Weg zum ersten Stand. Dort folgt prompt die nächste Ernüchterung: Was mir da in mein Glas eingeschenkt wird, sind maximal 50 Milliliter. Wie soll ich davon betrunken werden? Wer sich jetzt denkt: "Ja, was hat die sich denn gedacht, wie viel da eingeschenkt wird?", kann sich gerne noch einmal den intellektuellen Anspruch dieses Artikels zu Gedächtnis führen und findet darin mit etwas Grips seine Antwort. (Spoiler: Nichts. Ich habe mir nichts gedacht.)

Aber hey: Ihr könnt alle aufatmen. Die "WEINmesse berlin" spielt mir mit 330 Ausstellern und über 4.000 Weinen den Ball zielsicher, wenn auch unbeabsichtigt, in die Hände. Der Plan mich zu besaufen, ist zu diesem Zeitpunkt also aktuell wie nie zuvor. Wir hangeln uns von einem Stand zum nächsten, hören hier und da den Winzern bei der Erklärung ihrer Weine zu, stecken uns ab und zu aus echtem Interesse Visitenkarten ein und freuen uns als nach dem etwa achten "Glas" langsam eine leichte Heiterkeit einsetzt. Super, der Plan scheint aufzugehen. Zeit für eine Pause. Wir nehmen uns eines der trockenen Scheiben Weißbrot, die es fast an jedem Stand gibt, setzen uns hin und beobachten der Klientel, das sich mit uns auf der Messe aufhält.

Rausch bringt das Volk zusammen

Die Menge scheint gut aufgeteilt zwischen jungen Taugenichtsen wie uns, deren erstes Ziel das Besäufnis ist, Touristen, die das Wochenende in Berlin mit etwas Wein aus aller Welt krönen wollen, und ernsthaft interessierten Gastronomen und Sommeliers, die tatsächlich da sind, um ihr Weinangebot zu erweitern. Es scharen sich typische Berliner Hipster und Studenten, neben BWL-Justussen in weißen Ralph-Lauren-Hemden, Typen mit schmierigen Gel-Frisuren, die sich aus irgendeinem Grund dazu entschieden haben, im Anzug zu der Messe zu erscheinen (in ihrer Freizeit!?) und offensichtlich gutbetuchten Mittfünfzigern, die noch etwas Platz im privaten Weinkeller haben und diesen mit der besten Auswahl füllen wollen. Jedem das Seine. Ich für meinen Teil will einfach nur betrunken werden.

Nach mehr als zwei Stunden sind wir mindestens 18 Gläser tief und die Halle leert sich langsam. Ich bin zwar nicht richtig betrunken, aber da ich von Weiß- und Rotwein, bis hin zu Champagner alles lustig durcheinander gemischt habe, ist mir trotzdem etwas übel. So richtig Bock auf mehr Trinken habe ich nicht mehr, meine Freunde auch nicht – also erkläre ich das Experiment für beendet. Für die Heimfahrt bestellte ich mir wieder ein Uber. Der Fahrer lässt mich diesmal an der richtigen Adresse raus. Toll, wie rund das alles läuft, denke ich.

Ich habe es nicht geschafft, mich auf der Weinmesse zu besaufen, verließ die Hallen aber dennoch etwas zufriedener mit mir und der Welt und bin überzeugt: Wer Zeit, Geduld und trinkfesten Magen mitbringt, kann auf der Weinmesse problemlos einen "Bierkönig Malle"-Pegel (schalalala) erreichen – #goals.