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Sexismus, Homophobie und Antisemitismus: Menschen erzählen ihre Uber-Storys

Letzte Woche machte die Geschichte eines schwulen Mannes aus London, Finn Davies, Schlagzeilen: Auf dem Nachhauseweg mit dem Fahrdienstleister Uber sollen er und sein Date von der Fahrerin aufgefordert worden sein, das Küssen zu unterlassen – mit Hinweis auf ihre Religion. "Ich habe letzte Nacht ein Uber nach Hause genommen mit einem Typen und auf dem Weg dorthin haben wir uns geküsst. Mittendrin bat uns die Uber-Fahrerin aufzuhören, weil sie eine Christin sei. Das ist nicht akzeptabel, oder?", schrieb Davies auf Twitter und erhielt dort viel Zustimmung.

Es ist nicht der erste homophobe Zwischenfall, der bei dem amerikanischen Fahrdienstleiter bekannt wird: Erst im September etwa berichteten Medien über eine Uber-Fahrerin, die ein lesbisches Pärchen nur wegen dessen Sexualität aus dem Auto warf. Die Diskrimierungsprobleme sind auch nicht bestreitbar: Eine amerikanische Studie kam 2018 zu dem Ergebnis, dass die Fahranfragen von LGBTQ+ und Schwarzen Menschen häufiger storniert werden.

NOIZZ hat mit vier Betroffenen über ihre Erfahrungen mit Sexismus, Homophobie und Antisemitismus bei Uber und Co. gesprochen.

"Ich erinnere mich daran, dass ich in dem Moment große Angst hatte." – Max*, Leeds, UK

"Einmal abends nach dem Feiern riefen ich und mein Freund uns ein Uber. Wir stiegen durch unterschiedliche Türen hinten ins Taxi ein. Als wir uns kurz zueinander lehnten für einen flüchtigen Kuss, stampfte der Uber-Fahrer sofort auf die Bremse und verlangte, dass wir aussteigen. Zuerst waren wir verwirrt und wussten nicht, warum wir aussteigen sollten. Wir fragten ihn also einfach nach dem Grund. Er wurde richtig aggressiv und fing an zu schreien: Er würde nicht dulden, dass so etwas in seinem Auto vor sich geht. Er zwang uns dazu, auszusteigen. Ich erinnere mich daran, dass ich in dem Moment große Angst hatte. Wir befanden uns mitten in einem Industriegebiet. Im Club waren wir noch in einem queeren Safe Space.

Als ich Uber von dem Vorfall berichtete, wurde mein Account gesperrt, weil der Fahrer behauptete, wir hätten ihm gegenüber gewalttätig gehandelt. Es stand Wort gegen Wort. Leute außerhalb des Clubs sahen uns aus dem Taxi aussteigen: Wir waren überhaupt nicht gewalttätig, wir hatten Angst. Dennoch ist Uber der sicherste Weg, um in meiner Stadt zu reisen. Das ist gleichzeitig auch sehr ärgerlich, weil ich das Gefühl habe, dass ich entweder diese Art von Verhalten einfach hinnehmen oder andere unsicherere Wege wählen muss."

*Max heißt in Wahrheit anders. Er möchte anonym bleiben.

"Ich war völlig perplex, fand es irgendwie witzig und krass zugleich." – Sebastian, 25 Jahre

"Ich habe mir nach dem Feiern im Berghain mit zwei Freundinnen ein Uber bestellt. Wir haben ihn vielleicht zwei Minuten warten lassen, sonst hat alles gut geklappt. Nachdem wir angekommen sind, habe ich mich normal verabschiedet und die Tür zugemacht. Der Fahrer hat dann das Fenster runtergemacht und geschrien: "Schwuchtel, Hurensohn, Spast, Arschloch!" – und ist abgedüst. Ich war völlig perplex, fand es irgendwie witzig und krass zugleich. Ich habe ihm dann eine schlechte Bewertung gegeben."

"Ich habe schon mehrfach erlebt, dass Uber-Fahrer krass antisemitisch sind." – Simon, 27 Jahre, Berlin

"Es hat mich nicht selbst betroffen, aber ich habe schon öfter mitbekommen, dass Uber-Fahrer aus irgendwelchen Gründen auf das Thema Israel oder Juden gekommen sind. Da habe ich schon alles erlebt. Letztens etwa, da war die Stadt gesperrt und der Taxifahrer meinte, das sei 'wegen der Juden'. Auch die hohen Mietpreise sei die Schuld von Juden. Einer meinte auch, dass er grundsätzlich keine Israelis mitnimmt, wenn er das in der App sieht. Seine Begründung war, dass Juden alle schlimm seien und nie Trinkgeld gäben, weil sie geizig sind.

Das letzte Mal, als ich Uber gefahren bin, war die Bauern-Demonstration in Berlin, bei der die Landwirte mit den Traktoren durch die Stadt gefahren sind. Da meinte der Uber-Fahrer auch, dass das alles 'von den Juden organisiert' sei. Ich habe schon mehrfach erlebt, dass Uber-Fahrer krass antisemitisch sind."

99,9 Prozent aller Uber-Fahrten verlaufen ohne Zwischenfälle

In der Vergangenheit hat Uber vor allem im Zusammenhang mit sexuellen Übergriffen Negativschlagzeilen gemacht. Nach eigenen Zahlen des Unternehmens seien in den vergangenen zwei Jahren allein in den USA fast 6.000 sexuelle Übergriffe gemeldet worden – davon 464 Vergewaltigungen. 99,9 Prozent aller Fahrten allerdings, so Uber, verliefen ohne Zwischenfälle. Auch die Menschen, mit denen NOIZZ gesprochen hat, fühlen sich bei Uber-Fahrten trotz der Erlebnisse überwiegend sicher.

Auch beschränkt sich die Diskriminierungsproblematik nicht nur auf Uber. Das zeigen etwa die Erlebnisse von Tatjana:

"Einer meinte sofort: 'Was steigt hier denn für eine geile Olle mit dazu.'" - Tatjana, 28 Jahre, Berlin

"Ich bin in ein CleverShuttel gestiegen, also ein Fahrdienstleister, bei dem auch fremde Leute mitfahren. Im Taxi saßen bereits drei Männer. Einer meinte sofort: 'Was steigt hier denn für eine geile Olle mit dazu.' Ich habe ihm dann gesagt: 'Wir kennen uns nicht. Kannst du bitte aufhören, mich so oberflächlich zu bewerten, ohne dass du überhaupt weißt, wer ich bin.' Dann hat er sich sofort angegriffen gefühlt: 'Ist doch nicht so schlimm. Ich habe dir doch nur ein Kompliment gemacht.' Und: "Das ist doch etwas Schönes. Soll doch nur heißen, dass du gut aussiehst. Ihr Frauen seid alle so komisch, wieso regt ihr euch denn über sowas auf.'

Ich bin sauer geworden und habe gesagt: 'Das ist eine Frechheit. Du machst mich zum Objekt. Ich bin hier eine fremde Person, die sich im öffentlichen Raum in ein Taxi setzt.' Er hat dann noch weiter geredet. Seine Freunde haben sich dann irgendwann entschuldigt. Als die Männer ausgestiegen sind, hat der Taxifahrer zu mir gesagt:'Tut mir voll leid, aber du schienst mir wie eine Frau, die sich selber verteidigen kann.' Er habe mich nicht bevormunden wollen und nicht als Mann den Männern sagen wollen, sie sollen mich in Ruhe lassen.

Ich verstehe das zum Teil, bin aber trotzdem der Meinung, dass es für ihn angebracht gewesen wäre einzuschreiten. Es ist immerhin sein Auto, sein Safe Space. Er muss dafür sorgen, dass sich alle wohlfühlen und ich habe mich auf jeden Fall nicht mehr wohlgefühlt. Das habe ich ihm auch gesagt."