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1.000 Euro pro Monat, einfach so: Nils erzählt, wie es sich mit bedingungslosem Grundeinkommen lebt

Nils* (24) hat den Jackpot geknackt: Er hat die Verlosung von Mein Grundeinkommen e.V. gewonnen und zehn Monate lang eintausend Euro monatlich aufs Konto überwiesen bekommen – einfach so. Uns hat er erzählt, wie es sich mit dem bedingungslosen Grundeinkommen lebt und was sich in seinem Leben seitdem verändert hat. 

Eintausend Euro aufs Konto, jeden Monat, ohne irgendetwas dafür tun zu müssen – diesen Traum durfte Nils (24) von Mai 2019 bis Februar 2020 leben. Denn er gehört zu den glücklichen Gewinner*innen von Mein Grundeinkommen e.V., einer gemeinnützigen NGO, die bedingungsloses Grundeinkommen nicht nur verlost, sondern gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) auch wissenschaftlich untersucht.

Wer zahlt das alles, fragst du dich? Na alle, die Bock haben, anderen eine bedingungslose Existenzgrundlage zu finanzieren – das zumindest war die anfängliche Idee, die das soziale Experiment Mitte 2014 ins Rollen brachte. Finanziert wird das Projekt deshalb komplett via Crowdfunding: Mehr als 130.000 Groß- und Kleinstspender*innen sorgen dafür, dass sich immer, wenn 12.000 Euro im Spendentopf zusammen kommen, wieder ein Mensch über einjähriges Bedingungsloses Grundeinkommen freuen kann. Pardon: Nicht nur ein Mensch, sondern sogar etwa zwanzig pro Monat. Not bad.

Über 600 bedingungslose Grundeinkommen hat Mein Grundeinkommen e.V. bereits vergeben. Nils ist einer der glücklichen Gewinner*innen, die aus einem Pool von über 1,7 Millionen Nutzer*innen vom Zufall geküsst wurden. NOIZZ hat er erzählt, wie der bedingungslose Cash-Flow sein Leben beeinflusst hat – und was er jetzt von bedingungslosem Einkommen für alle hält.

"Das Grundeinkommen kam genau in dem Moment, als ich dachte, es wird zu viel."

"Für meine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement bin ich in eine WG gezogen. Ich bekomme Ausbildungsgehalt und eine kleine Unterstützung von meinen Eltern, insgesamt ist das aber leider nicht besonders viel. Ich war deshalb oft am Wochenende kellnern. Im Grunde habe ich sieben Tage pro Woche gearbeitet: unter der Woche Ausbildung oder Berufsschule, am Wochenende Kellnern. Das Grundeinkommen kam genau in dem Moment, als ich dachte, es wird zu viel.  

Vor zwei Jahren hat mir ein guter Freund von den Verlosungen von Mein Grundeinkommen e.V. erzählt. Ich habe mich sofort angemeldet. Seitdem kam jeden Monat die Erinnerung an die Verlosung und jeden Monat habe ich wieder mitgemacht – es wurde zur Routine. Irgendwann letztes Jahr saß ich auf der Arbeit, habe kurz zwischendurch auf meine Mails geschaut und sah dann plötzlich die Nachricht, dass ich gewonnen habe. Zuerst dachte ich: Das kann nicht sein, das muss ein Fehler sein. Erst später habe ich mir alles in Ruhe durchgelesen und mit einer Verantwortlichen des Vereins telefoniert. Dann habe ich langsam verstanden: Ich hatte tatsächlich bedingungsloses Grundeinkommen gewonnen. Ich habe mich natürlich sehr gefreut. 

Bis das Geld zum ersten Mal da war, konnte ich es noch kaum glauben. Ich musste erst hineinwachsen. Am Anfang habe ich mir auch ein, zweimal etwas gegönnt; Dinge, die man sich sonst so nicht gönnt – gerade in der Ausbildungszeit. Ich habe meinen Nebenjob gekündigt, ein neues Handy gekauft, da mein altes sowieso schon überfällig war, und in mein Hobby investiert. Ich fotografiere nämlich gerne und habe mit dem Geld mein Equipment etwas erweitert – etwa ein neues Objektiv und Mikro und Beleuchtung für Videos. Ich bin auch mal in den Urlaub gefahren oder einmal richtig Cocktail trinken gegangen.

"Ich habe sehr darauf geachtet, was ich mit dem Geld mache."

Dass ich das Geld für Sachen ausgebe, die ich dann auch nutze. Einen Großteil habe ich auch zurückgelegt. Ich möchte nämlich in zwei bis drei Jahren noch einmal studieren. Bei mir hat sich das zusätzliche Geld deshalb eher in kleineren Dingen bemerkbar gemacht. Ich habe zum Beispiel angefangen, mehr auf meine Ernährung zu achten, weniger Fleisch zu essen und auf die Qualität zu achten – nur Bioprodukte oder direkt vom Metzger. Mit dem Ausbildungsgehalt konnte ich mir das vorher einfach nicht leisten. Ich habe auch mein Zimmer verschönert und gemütlicher gemacht – das war am Anfang sehr spartanisch eingerichtet. Ich war außerdem viel mehr draußen. Ob das direkt mit dem Grund einkommen zusammenhängt, weiß ich nicht, aber zumindest hatte ich wegen des Grundeinkommens mehr Zeit. Daraus ist tatsächlich ein Hobby entstanden: Ich möchte demnächst nebenberuflich Stadtführungen machen. Da bin ich gerade dabei mich mit Büchern einzulesen.

Ich wusste natürlich, dass der Tag kommt, an dem das alles aufhört und das Geld nicht mehr einfach so fließt. Besonders Anfang dieses Jahres habe ich deshalb darauf geachtet, dass ich einen Lebensstil führe, der finanziell und von der Wertevorstellung her passt – damit da nicht so ein harter Break ist. Ich wusste aber auch, dass ich bald ins Angestelltenverhältnis übergehe. Da verdiene ich jetzt mehr als ein Auszubildender. So gesehen war es also in meinem speziellen Fall gar kein so großer Bruch, keine Unsicherheit, es ging irgendwie weiter.

"Was bedingungsloses Grundeinkommen für alle angeht, bin ich nach wie vor etwas zwiegespalten."

Eine finale Antwort habe ich nicht gefunden. Ich finde es an sich gut, gerade für Leute in meiner damaligen Situation. Auszubildende, die alleine in der Stadt sind, bekommen selten finanzielle Förderung. So gesehen wäre das Grundeinkommen eine Riesen Stütze, die ich mir auch gut für Alleinerziehende oder Menschen in schwierigen Situationen allgemein vorstellen kann. Auf der anderen Seite: Eintausend Euro ist schon viel für eine Person, muss ich ehrlich sagen. Ich habe das Gefühl, dass man nicht mehr so kreativ ist, sich keinen Nebenjob mehr sucht und aus sich heraus geht. Man hat seine Sicherheit. Man kann auch zu Hause liegenbleiben und das Geld kommt trotzdem.

Es ist ein bisschen von beidem: Es ist eine Stütze und kann einem viel ermöglichen – zum Beispiel einem Musiker, der durch die finanzielle Stütze mehr auftreten kann – aber es bremst einen auch so ein bisschen. Auch gesellschaftlich gesehen: Es gibt viele Jobs, die leben davon, dass Leute sie nebenbei machen. Und mit dem Kellnern, so stressig es auch war, habe ich super Erfahrungen fürs Leben gemacht – ob das Selbstbewusstsein ist oder einfach Hintergrundwissen über die Abläufe in Hotels und Gastronomie. So entwickelt man sich weiter. Die Gefahr des bedingungslosen Grundeinkommens ist so ein bisschen, dass man sich dann einfach nur hinsetzt und das nicht mehr macht.


Urlaub und Entspannung - viele Menschen können sich das nicht leisten. (Symbolbild)
Ich persönlich habe im Großen und Ganzen gemerkt, dass so eine Erleichterung eingesetzt hat und viel mehr Entspannung in mein Leben gekommen ist – weil man einfach im Hintergrund diese Sicherheit hat. Das Grundeinkommen war eine große Unterstützung in der Ausbildung: stressfrei leben und sich auch einmal etwas gönnen. Etwas mit Freunden unternehmen, ohne darüber nachdenken zu müssen: Kann ich mir das jetzt noch leisten? Ich konnte meinen Nebenjob kündigen, mich auf meine Ausbildung fokussieren und habe sie super abgeschlossen. Es war richtig gut."

*Name von der Redaktion geändert