Nana Addison ist Gründerin der Curl Con, Deutschlands erster inklusiven Haar- und Beauty-Messe für Menschen of Color. Im Interview mit ZEIT ONLINE spricht Nana Addison darüber, wie es ist, als Schwarze Frau zu gründen. Am kommenden Wochenende (4. und 5. September) ist sie zu Gast bei unserem digitalen Z2X21-Festival. Die Anmeldung ist noch unter z2x.zeit.de möglich. Für den Livestream kannst du dich hier eintragen. Nach welchen Regeln wir als Veranstalter über Z2X berichten, liest du hier.
ZEIT ONLINE: Wann hast du begonnen, dich mit dem Thema Afrohaare zu beschäftigen?
Nana Addison: Meine Mutter hat begonnen, meine Haare zu glätten, als ich in den Kindergarten gekommen bin. Die anderen Kinder im Kindergarten haben mir häufig in die Haare gefasst, meist aus Faszination. Die kindliche Neugierde kann ich rückblickend verstehen. Die Kinder haben zu Hause nichts über Vielfalt gelernt oder gesehen. In der Schule wurde es aber dann zunehmend problematisch, das war Mobbing. Wenn mir heute Menschen unerlaubt in die Haare fassen wollen, empfinde ich das als absolut übergriffig und problematisch.
ZEIT ONLINE: Warum hat deine Mutter deine Haare geglättet?
Nana Addison: Sie hat sie geglättet, weil sie keine Zeit hatte, sich um sie zu kümmern und weil es keine anderen Produkte für Lockenpflege in Deutschland gab. Sie musste sehr früh zur Arbeit und mich vorher irgendwie für den Kindergarten fertig machen. Das war mit geglätteten Haaren einfacher, weil die Pflege weniger zeitintensiv ist. Also hat sie alle paar Wochen den Relaxer verwendet.
ZEIT ONLINE: In einem Gespräch hast du mal gesagt, die deutsche Schönheitsindustrie sei rassistisch. Wie meinst du das?
Nana Addison: Damit meine ich neben dem Mangel an Produktvielfalt besonders den Blick auf Schwarze und PoC-Kund:innen. Die Beauty-Industrie betrachtet und behandelt sie nicht gleichwertig zu weißen Kund:innen. Kund:innen mit lockigen Haaren und dunkleren Hauttönen werden als nicht relevant und sogar oft auch als problematisch betrachtet. Wenn es beispielsweise mal Lockenprodukte für uns gibt, dann geht es meist darum, das Haar zu "bändigen", zu "zähmen" oder zu "bezwingen".
Kund:innen mit lockigen Haaren und dunkleren Hauttönen werden als nicht relevant und sogar oft auch als problematisch betrachtet. Nana AddisonZEIT ONLINE: Stell dir ein Regal in einer Drogerie vor, fünf Jahre in der Zukunft. Was sollte unbedingt in diesem Regal stehen?
Nana Addison: Produkte für alle Haartypen - und für alle Hauttöne, in allen Preissegmenten. Und das sowohl in Drogerie- und Parfümeriegeschäften als auch online. Wenn ich heute in die Drogerie oder Parfümerie gehe, dann bestätigt sich noch dieses Gefühl des Ausgeschlossen-Werdens, weil es nach wie vor zu wenig Produkte für Schwarze Menschen und People of Color gibt. Es heißt häufig, dafür gebe es in deutschen Drogerien nicht genügend Abnehmer:innen. Unsere Recherche und Arbeit in der Kosmetikindustrie zeigen aber, dass Unternehmen zu wenig um Kund:innen of Color werben - und nicht, dass diese nicht existieren.
ZEIT ONLINE: Als Schwarze Unternehmerin in der Beauty- und Techbranche arbeitest du bereits daran.
Nana Addison: Ich habe die Curl Con gegründet, weil es in Deutschland keine Beauty-Messe gab, die inklusiv ist. Die Curl Con verbindet B2B & B2C. Inklusive Kosmetikmarken sowie Indie-Brands, die sich auf BPoC spezialisieren, können auf der Curl Con ausstellen, Haar- und Beauty-Expert:innen geben Workshops für Amateure und Profis besprechen auf Panels alle Themen rund um diese Community.
ZEIT ONLINE: Für dich war es nicht immer so einfach. Zu Beginn hast du kein Funding bekommen. Die Gründung deines Unternehmens hast du selbst finanziert.
Nana Addison: Ich habe bis heute keine:n Investor:in, obwohl ich danach suche. Die Tatsache, dass ich die Curl Agency und Curl Con mit ein paar Hundert Euro gestartet habe und sie jetzt fast sieben Ziffern generieren, ist großartig. Das spricht für meine Ideen, meine sehr guten business skills und meine Expertise. Dennoch könnte die Curl Con schon fünfmal größer sein und viel mehr Menschen erreichen sowie die Agentur schneller wachsen und noch mehr Unternehmen unterstützen, wenn es Investor:innen gäbe. Viele Gründer:innen, die in anderen Industrien ähnlich viel oder mehr erreicht haben, hatten Investor:innen; die meisten davon sind weiße Gründer:innen.