Diese Steuer zahlen alle - der Mieter eines WG-Zimmers in der Großstadt genauso wie die Eigentümerin eines Einfamilienhauses auf dem Land: die Grundsteuer. Immobilienbesitzer, die ihre Häuser und Wohnungen selbst bewohnen, zahlen direkt an die Gemeinde oder die Stadt. Bei Mietshäusern dürfen Eigentümer die Steuer auf den Mieter umwälzen. Die Regeln, nach denen sich die Höhe der individuellen Steuerlast bemisst, sind seit Jahrzehnten praktisch unverändert. Grundlage ist der sogenannte Einheitswert des Objekts, der sich je nach Art des Grundstücks oder Gebäudes unterscheidet. Für Immobilien im einstigen Westdeutschland basiert die Berechnung auf den Einheitswerten von 1964. In Ostdeutschland werden Zahlen aus dem Jahr 1935 herangezogen.
Eigentlich sollen die Einheitswerte alle sechs Jahre in einer Hauptbewertung neu festgestellt werden, so steht es zumindest in den Gesetzbüchern. Bislang ist das jedoch noch nie geschehen. Das höchste Steuergericht der Bundesrepublik, der Bundesfinanzhof, hat deshalb im Januar mehrere Fälle zur Überprüfung an das Bundesverfassungsgericht weitergeleitet. Die Richter halten die aktuelle Kalkulation der Grundsteuer nicht mehr für vertretbar.
Aus Sicht des Bundesfinanzhofs verstoßen die Einheitswerte für die mehr als 35 Millionen Grundstücke und Immobilien in Deutschland gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Auch hätten sich die Bewertungen im Laufe der Zeit teils drastisch von den derzeitigen Marktwerten entfernt. Das sorge zusätzlich für Ungerechtigkeit. Karlsruhe scheint diese Einschätzung zu teilen: „Zwischen 1964 und heute, da liegen Welten dazwischen", sagte Verfassungsrichter Andreas Paulus in der mündlichen Verhandlung am 16. Januar. Das Verfassungsgericht prüft nun, ob die Grundsteuer die Bürger ungleich belastet, ob es dafür eine Rechtfertigung gibt und wie eine gerechtere Lösung aussehen könnte. Ein Urteil wird bis zum Sommer erwartet.
Kostenwerte statt EinheitswerteSeit Jahren wird über eine Reform der Grundsteuer diskutiert. Die Einheitswerte neu festzulegen, scheint vor diesem Hintergrund naheliegend. In der Praxis wäre ein solcher Schritt aber extrem schwierig. „Eine völlige Neubewertung sämtlicher Grundstücke wäre mit einem enormen zusätzlichen Aufwand verbunden und sehr langwierig", sagt Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Bereits im Jahr 2016 legten einige Bundesländer daher einen Reformvorschlag vor, der auch vom Bundesrat verabschiedet wurde. Dieser sieht vor, die veralteten Einheitswerte durch sogenannte Kostenwerte zu ersetzen. Das sogenannte Kostenwertmodell berücksichtigt unter anderem Art und Baujahr der Immobilie. Ausschlaggebend sind somit die Kosten bei Errichtung des Gebäudes. Derzeit liegt der Gesetzesvorschlag allerdings auf Eis.
Sollte die neue Bundesregierung die Reform nach Vorstellung der Länder umsetzen, würde die Grundsteuer für teure Grundstücke erheblich höher ausfallen, warnte jüngst der Eigentümerverband Haus & Grund. Nach Berechnungen des Lobbyverbands könnte die Grundsteuer dann um das 30-Fache steigen. Auch das Institut der deutschen Wirtschaft kritisierte die geplante Reform. In einem Schreiben warnten die Ökonomen davor, dass das Konzept nicht nur Neubauten gegenüber modernisierten Altbauten benachteiligen würde, sondern auch falsche Anreize setze: Eigentümer müssten weniger Grundsteuer zahlen, wenn sie brachliegende Grundstücke weiterhin unbebaut ließen.
Initiativen fordern stattdessen die Einführung einer Bodensteuer, bei der die Bebauung unberücksichtigt bleibt. „Wird nur der Bodenwert als Bemessungsgrundlage herangezogen, erzeugt dies einen Entwicklungsdruck auf baureife Flächen. Wer investiert, zahlt später - im Gegensatz zum Modell der Länder - keine höhere Grundsteuer", sagt Ulrich Kriese, Sprecher für Bau- und Siedlungspolitik des Naturschutzbund Deutschland (NABU). Eine Grundsteuer in Form einer Bodensteuer würde das spekulative Zurückhalten von Bauland deutlich verteuern, zeigt auch eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft. Demnach lägen die Kosten für ein unbebautes Grundstück dann etwa sechsmal so hoch wie bislang.