Alexander Völkel

Redakteur, Fotograf, SMM (IHK) und Politologe, Dortmund und Siegen

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Schließung im Oktober: Nach einem Jahr ist der Traum der „Wizz Air"-Basis am Flughafen Dortmund ausgeträumt - Nordstadtblogger

Herber Schlag für den Dortmunder Flughafen: Vor ziemlich genau einem Jahr wurde noch groß gefeiert, dass die ungarische Billigairline „Wizz Air" in Dortmund ihre erste deutsche Basis eröffnet. Damit ist nun schon wieder Schluss. Die Basis wird zum 24. Oktober 2021 geschlossen. Doch der Flugverkehr von und nach Dortmund geht weiter.

Wizz Air fliegt auch im Winter von Dortmund 31 ausländische Ziele an

Die Fluggesellschaft Wizz Air teilte dem Dortmund Airport mit, dass die seit dem 1. August 2020 bestehende Basis mit drei Luftfahrzeugen zum 24. Oktober 2021 geschlossen wird. Der Flughafen bemüht sich um Schadensbegrenzung. Nachdem man erst auf Nachfrage u.a. von Nordstadtblogger diese Entwicklung aktiv an die Medien kommunizierte, versucht man weiterhin das Positive zu sehen. ___STEADY_PAYWALL___

„Nichtsdestotrotz setzt die ungarische Airline weiter auf den Standort Dortmund. Im Winter 2021/22 wird Dortmund mit 31 Zielen in ganz Europa verbunden, mehr als im Rekordwinter 2019", betont der Flughafen in einer Stellungnahme. Schon jetzt sei es so, dass die deutliche Mehrheit der Wizz Air-Passagiere ab Dortmund mit Flugzeugen fliege, die im Ausland stationiert seien.

Nur ca. 15 Prozent der Wizz Air-Passagiere seien auf die Basis Dortmund zurückzuführen. Im Rekordjahr 2019 nutzten insgesamt 1,88 Mio. Passagiere die ungarische Airline ab/nach Dortmund für ihre Reise - ohne Basis am Dortmund Airport.

Flughafen schätzt potenzielle Anzahl der Wizz Air-Gäste auf zwei Millionen pro Jahr

„Dieses Volumen gibt es nach wie vor, da dieser Verkehr von der Schließung unberührt bleibt. Hinzu kommen sechs Strecken, die zwar bisher von den stationierten Fliegern in Dortmund aus bedient wurden, aber auch in Zukunft nicht aus dem Flugplan fallen sollen", heißt es weiter. Der Flughafen schätzt die potenzielle Anzahl der Wizz Air Gäste bei einem normalen Flugbetrieb deshalb auf circa zwei Millionen pro Jahr.

Hinzu kommt, dass Wizz Air angekündigt hat, das Angebot zum Sommer 2022 eventuell wieder um beliebte Sommerziele wie z. B. die griechischen Reisedestinationen aufzustocken. „Mit einer Entscheidung der Airline ist im November 2021 zu rechnen. Erst danach kann der Airport genau sagen, welche Ziele komplett aus dem Flugplan fallen."

Einige Base-Ziele, die zunächst ab dem Winter nicht mehr von Wizz Air angeflogen werden, wie Catania, Malaga oder Porto, seien aber bei anderen Airlines im Programm, sodass die Angebotsvielfalt ab Dortmund nach wie vor hoch sei. „Vor diesem Hintergrund geht der Airport davon aus, dass insgesamt durch die Schließung der Wizz Air-Base nur rund fünf bis zehn Prozent der Fluggäste betroffen sein werden."

„Wir bedauern die Entscheidung, freuen uns aber, dass Wizz Air am Standort festhält"

Der Dortmund Airport ist der einzige deutsche Verkehrsflughafen, der in den Sommerferien fast wieder beim Vorkrisen-Niveau von 2019 liegt. Derzeit liegt die Anzahl der Fluggäste für diesen Zeitraum nur bei minus 5 Prozent. Die Zahl der Flugbewegungen ist sogar um sieben Prozent gestiegen.

„Wir bedauern die Entscheidung der Wizz Air, die Base am Dortmund Airport zu schließen. Gleichzeitig freut es uns natürlich, dass die Airline nach wie vor am Standort Dortmund festhält", betont Flughafen-Chef Ludger van Bebber.

„Unter den gegebenen Bedingungen können wir trotzdem mit unseren Zahlen und auch den Aussichten zufrieden sein. Die Gespräche mit unseren Airline-Kunden sind nach wie vor gut und konstruktiv. und unser Ziel ist es weiterhin, schnellstmöglich an die gute Passagierentwicklung in 2019 wieder anzuschließen."

Airline schweigt sich zu den Gründen aus - angeblich wirtschaftliche Entscheidung

Zu den Gründen der Schließung der Basis schweigt sich der Dortmunder Flughafen aus. „Zu der Frage sind wir nicht zitierfähig. Das kann nur die Airline beantworten", teilt der Flughafen auf Nachfrage von Nordstadtblogger mit. „Der Grund sind aber keine operativen Schwierigkeiten, sondern eine wirtschaftliche Entscheidung in der Pandemie."

Das Unternehmen selbst hat bisher nicht auf entsprechende Anfragen reagiert. Daher schießen die Spekulationen ins Kraut. Eine ist, dass das Unternehmen mit den deutschen Regelungen und der Rolle der Betriebsräte und Gewerkschaften Probleme haben könnte. Denn wie auch schon beim Konkurrenten Ryan Air gab esbisher auch bei Wizz Air keinen Betriebsrat.

Davon hält Wizz Air-Chef József Váradi ebenfalls nichts. „Gewerkschaften zerstören das Geschäft. Wenn Gewerkschaften versuchen, uns zu erwischen, dann schließen wir einfach die Basis und ziehen weiter (...) wir können einfach unsere Flugzeuge zu einem anderen Flughafen verlegen", hieß es in einem Interview im Sommer 2020. Dortmund wurde in diesem Zusammenhang nicht genannt.

120 Arbeitsplätze gehen direkt verloren - es gibt keinen Betriebsrat

Darauf von Nordstadtblogger bei der Base-Eröffnung angesprochen, wollte Heiko Holm, Chief Operating Officer von Wizz Air („Manager des operativen Geschäfts"), die Aussagen nicht relativieren. „Momentan sehe ich in einem Betriebsrat keinen Nutzen für das Unternehmen."

Stattdessen verwies er auf die eigene Mitarbeitervertretung. Auch in Dortmund gebe es für die eigenen beschäftigten Ansprechpartner einen direkten Draht zur Geschäftsführung. „Solange es keine Probleme gibt, benötigte man auch keine Gewerkschaften", so Holm.

Die Frage stellt sich mit dem Blick auf die Schließung der deutschen Basis und der Verlagerung der Arbeitsplätze natürlich neu. Das ungarische Unternehmen war erst im vergangenen Jahr mit 120 Beschäftigten in Dortmund heimisch geworden - insgesamt rund 750 Jobs sollen davon im Umfeld abhängen bzw. geschaffen werden, rechneten vor einem Jahr die Verantwortlichen von Fluglinie und Flughafen vor.

Michael Kauch: Stadt und DSW21 müssen auf einen besseren Airline-Mix hinwirken

Die Dortmunder Kommunalpolitik ist alarmiert: „Der Flughafen ist aktuell beim Umsatz sehr abhängig von den unternehmerischen Entscheidungen von Wizz Air. Die Eigentümer des Flughafens, also Stadt Dortmund und DSW21, müssen auf einen besseren Airline-Mix beim Flughafen hinwirken", erklärte der Fraktionsvorsitzende von FDP/Bürgerliste, Michael Kauch.

„Hier liegt die Hauptaufgabe für den Geschäftsführer des Flughafens, Ludger van Bebber. Um das erreichen zu können, sollten die Fraktionen von CDU und Grünen aufhören, ihm mit einem Gutachten für den Fall einer hypothetischen Insolvenz das Leben schwer zu machen. So gewinnt man keine Kunden, sondern verschreckt sie", so Kauch, der auch Mitglied des Aufsichtsrats von DSW21 ist.

Eine Ratsmehrheit hatte im Februar 2021 für die gutachterliche Überprüfung von möglichen Nachfolgeszenarien für die Fläche des Dortmunder Flughafens votiert.

Betriebsrat hatte seinerzeit Grund, CDU und Linke+ für Gutachten kritisiert

Insbesondere der gemeinsame Antrag von Grünen, CDU und Linke+ hatte schon im Vorfeld für kontroverse Diskussionen gesorgt, weil dieser nach Ansicht von SPD, FDP/Bürgerliste und auch den Beschäftigten des Flughafens ein ganz falsches Signal setze und die Geschäftstätigkeit des Airports massiv beeinträchtige.

Denn er signalisiere Investoren und Fluglinien, dass die Stadt ihren Flughafen perspektivisch loswerden wolle - dies könne gerade die Szenarien auslösen, die die drei Fraktionen untersucht haben wollen.

„Dies ist ein Schlag ins Gesicht der Kollegen*innen des Flughafens, die seit vielen Jahren zum Erfolg des Flughafens beitragen. Es macht uns sehr betroffen, dass wir den Eindruck gewinnen müssen, dass hier die Pandemie als Vorwand genutzt wird, um parteipolitisch gegen das sehr erfolgreiche Unternehmen ,Dortmunder Flughafen' vorzugehen", kritisierte der Betriebsratsvorsitzende Thomas Stegmann am Rande der Ratssitzung.

Ingrid Reuter: „Der Traum ist jetzt schneller ausgeträumt als gedacht"

Auch die Grünen kommentierten die Neuigkeiten am Flughafen - natürlich in eine völlig andere Richtung: Von „Sternstunde" und „großem Vertrauensbeweis" sei die Rede gewesen, als Wizz-Air-Chef József Váradi die Stationierung von drei Flugzeugen und die Beschäftigung von 100 Mitarbeiter*innen in Dortmund verkündete.

Eine Million zusätzlicher Fluggäste standen in Aussicht. Ein für den Flughafen wichtiger Schritt, um bis Ende 2023 die Auflagen der EU zu erfüllen und bis dahin die schwarze Null zu erreichen. Das rückt nun für den auch durch Corona betroffenen Flughafen in weite Ferne.

„Der Traum ist jetzt schneller ausgeträumt als gedacht", so Ingrid Reuter, Sprecherin der Grünen-Fraktion. „Jetzt zeigt sich, wie wichtig es war, sich im Rat durch die Beauftragung eines Nachfolgegutachtens mit einem Plan B zu beschäftigen. Denn mit dem Abzug der Wizz-Air-Base, die mit der festen Stationierung von Flugzeugen wirtschaftliche Stabilität in Aussicht stellte, ist die EU-Forderung nach einer operativen Null am Airport bis 2023 kaum mehr zu erfüllen.

Ein Risiko, das der Airport selbst als existenzgefährdend' einstuft. Und das nicht nur nach Ansicht der Grünen nicht überraschend kommt: Der Wizz-Air Chef hatte direkt zu Beginn der Stationierung kein Hehl daraus gemacht, dass das Unternehmen von heute auf morgen weiterziehen könne, sobald es Probleme gibt."

Kritik an wirtschaftlichen Bedingungen und Abhängigkeit von einzelnen Fluglinien

Die Abhängigkeit von einzelnen Fluglinien und der Schwerpunkt auf Billiganbieter war für den Flughafen immer wieder ein großes Problem. „Über allem schwebt zudem die Stilllegung des Betriebs, wenn es nach der EU-Forderung nicht mehr die bisherigen Subventionen durch die DSW21 gibt. Das waren in den vergangenen Jahren immerhin insgesamt rund 400 Millionen Euro", erinnern die Grünen.

Die Projektpartnerschaft von Grünen und CDU, unterstützt auch von der Fraktion „Linke+" habe genau vor diesem Hintergrund „im Sinne einer vorausschauenden Politik die Vorbereitung auf den Worst Case gefordert und die Erstellung eines Gutachtens zur nachhaltigen Nachnutzung des Flughafengeländes beschlossen. Dabei geht es grundsätzlich auch um die Sicherung von Arbeitsplätzen am Standort", heißt es in der Stellungnahme der Grünen.

„Das Verhalten von Wizz-Air und die Corona-Pandemie zeigen, wie unsicher und unberechenbar die Situation des Dortmunder Airports im Grunde ist. Auch wenn man den Flughafen nicht aufgrund der Aspekte des Umwelt- und Klimaschutzes infrage stellt, sind die wirtschaftlichen Bedingungen, dabei vor allem die Abhängigkeit von einzelnen Fluglinien wie Wizz-Air, nicht Erfolg versprechend. Die aktuelle Situation macht dies einmal mehr sehr deutlich", so Ingrid Reuter.

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