Alexander Völkel

Redakteur, Fotograf, SMM (IHK) und Politologe, Dortmund und Siegen

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Qualifizierung als Königsweg im Kampf gegen Fachkräftemangel und Langzeitarbeitslosigkeit - Nordstadtblogger

Die Einführung des Bürgergeldes, die Themen Weiterbildung und Qualifizierung - gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel - sowie die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit sind die zentralen Themen, mit denen sich Arbeitsagentur und Jobcenter in Dortmund in diesem Jahr beschäftigen (müssen).

„Wir müssen und wollen mehr in die Menschen investieren"

Der Wandel der Arbeitswelt, die demographische Entwicklung und die rasant fortschreitende Digitalisierung forderten ein konsequentes Umdenken der Unternehmen, der Beschäftigten, der Arbeitsuchenden und auch insgesamt in der Gesellschaft.

„Wir brauchen mehr Fachkräfte, Spezialisten und Experten. Wir müssen und wollen mehr in die Menschen investieren, in ihre Qualifizierung und Weiterbildung. Um Menschen und Unternehmen bei der notwendigen Qualifizierung zu unterstützen, haben wir in den vergangenen Jahren unsere Beratungsmöglichkeiten weiter ausgebaut. Unsere Förder- und Weiterbildungsangebote sind umfangreich, werden aber bei weitem noch nicht ausgeschöpft", betont Agentur-Chefin Heike Bettermann.

„Auch werden wir noch stärker die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland angehen. Zudem bringen auch die ukrainischen Geflüchteten gute Voraussetzungen für die Teilhabe am Arbeitsleben mit. Nicht aus den Augen verlieren dürfen wir aber das vorhandene, noch ausbaufähige Potenzial hier vor Ort: Junge Menschen ohne Ausbildung, oder auch Fachkräfte mit einer Behinderung. Jeder Einzelne ist wichtig, benötigt werden alle", so Bettermann weiter.

Das Bürgergeld legt einen besonderen Fokus auf die Qualifizierung

Das Thema der Qualifizierung wird auch beim Jobcenter noch wichtiger - nicht zuletzt durch die Einführung des Bürgergeldes als Ersatz für „Hartz IV": „Die wirkliche Weiterentwicklung und Errungenschaft ist ist Weiterbildung - wir müssen wegkommen vom Image des Reparaturbetriebes - wir sind Chancengeber", erklärtMarcus Weichert, der ab Februar die Leitung des Dortmunder Jobcenters übernimmt.

Natürlich könnten Agentur und Jobcenter nicht immer allen Arbeitgebern „jemanden passgenau vor die Füße stellen". Aber sie könnten die Chancen erhöhen, dass ein arbeitsloser Mensch eine Jobperspektive bekomme, so Weichert. Qualifizierung sei da oft der einzige Weg: Denn zwei Drittel der gemeldeten Stellen in Dortmund richten sich an Fachkräfte. Davon gibt es es im Jobcenter aber kaum welche: Zwei Drittel der Arbeitslosen sind langzeitarbeitslos und 70 Prozent davon ohne Abschluss.

„Wenn 70 Prozent keinen Berufsabschluss haben, dann müssen wir sie in ihrer prekären Situation unterstützen, dass sie sich weiterbilden können", so Weichert. „Das Coaching kommt hinzu. Wir sehen uns als Lotse, um dass finanziell unterfüttern." Denn das Bürgergeld biete andere Vorzeichen:„Dann hast du die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben. Das ist mein Menschenbild -und selbstbestimmt heißt für mich auch selbstfinanziert. Wer Unterstützung auf dem Weg dahin braucht, bekommt sie auch", macht der künftige Jobcenter-Chef die Idee hinter dem Bürgergeld deutlich.

Die Integration von Geflüchteten und Zugewanderten in den Arbeitsmarkt

Das gilt natürlich auch im Fokus auf die Geflüchteten aus der Ukraine, für die das Jobcenter seit Juni 2022 zuständig ist. Doch die Ukrainer:innen sind nicht die einzige Geflüchteten, um die sich die Teams kümmern.

„Im Kontext der ukrainischen Geflüchteten liegt unser Fokus zunächst auf der Sicherstellung des Lebensunterhaltes, der Anerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen sowie dem Spracherwerb. Vor allem die Sicherung der Kinderbetreuung stellt eine wichtige Stellschraube dar, wenn es um die Integration in den Arbeitsmarkt geht", erklärt die Noch-Jobcenter-Chefin Dr. Regine Schmalhorst.

Den Geflüchteten wie auch den Zugewanderten kommt gerade mit Blick auf die demographische Entwicklung eine wichtige Rolle zu: Denn Deutschland ist eine alternde Gesellschaft - allein in Dortmund gebe es künftig rund 26.000 Menschen weniger, die für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden, warnte Agentur-Chefin Heike Bettermann.

Zur Bekämpfung des Fachkräftemangels ist Qualifizierung wichtig

Der Fachkräftemangel betrifft immer stärker genau die Branchen, die künftig noch stärker benötigt würden: „Schon jetzt gibt es Fachkräfteengpässe im gewerblich-technischen Bereich - vor allem den Berufen, die man für eine Energie- und Verkehrswende braucht. Aber auch in der Kranken- und Altenpflege sieht es schlecht aus.

Daher kommt derWeiterbildung eine immer stärkere Bedeutung zu:Wenn das Personal fehlt, müssten auch an- und ungelernte Kräfte weiter qualifiziert werden. Das Besondere: Eine Finanzierung dafür gibt es durch die Bürgergeldreform künftig auch für Berufstätige: „Das Weiterbildungsgeld steht auch Beschäftigten zur Verfügung", so Bettermann.

„Wir müssen viel mehr Überzeugungsarbeit leisten und informieren. Und wir müssen ihnen Zutrauen geben. Daher ist auch Coaching interessant", so die Chefin der Arbeitsagentur. Das gilt so wohl für (künftige) Beschäftigte als auch (künftige) Arbeitgeber:innen. Auf beiden Seiten müssten viele Menschen noch umdenken, sagt das Trio mit Blick auf die Beschäftigungsförderung im Unternehmen.

Bislang war diese Strategie vornehmlich im Gesundheitsbereich ein Thema, um Fach- und Pflegekräfte zu gewinnen. „Doch da müssen wir noch viel mehr Unternehmen aufschließen - mit den Transformationsprozessen in der Beschäftigung tun sich noch viele Unternehmen schwer", weiß Schmalhorst. „Aber Qualifizierung während der Arbeit ist der Königsweg."

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