Alexander Völkel

Redakteur, Fotograf, SMM (IHK) und Politologe, Dortmund und Siegen

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Die Krisen und Kostensteigerungen schlagen 2022 erstmals auf Immobilien-Kaufpreise durch - Nordstadtblogger

Der Gutachterausschuss für Grundstückswerte in der Stadt Dortmund hat seinen jährlichen Grundstücksmarktbericht veröffentlicht. In den vergangenen Jahren kannten alle Kennzeichen nur eine Richtung: nach oben. Sowohl die Zahl der Verkäufe als auch die Preise stiegen teils deutlich. Doch das ändert sich nun- zumindest seit dem zweiten Halbjahr. Die wirtschaftlichen Turbulenzen schlagen durch.

Die teilweise starken Preisanstiege sind nur noch gedämpft feststellbar

Auf den ersten Blick sind trotz gestiegener Finanzierungs-, Bau- und Energiekosten die Preise für Grundstücke im vergangenen Jahr weiter angestiegen. Im zweiten Halbjahr 2022 werden allerdings - erstmals seit Jahren - auch sinkende bzw. stagnierende Tendenzen bei den Grundstückspreisen deutlich. Gleichzeitig sind allerdings im zweiten Halbjahr weniger Kaufverträge geschlossen worden als in den Vorjahren.

Die abgeschlossenen Kaufverträge des ersten Halbjahres waren noch unbeeinflusst von den Auswirkungen des Ukraine-Krieges. Ab Jahresmitte hingegen gibt es eine gewisse Kaufzurückhaltung, die durch die gestiegenen Hypothekenzinsen, gleichzeitig gestiegene Baukosten und absehbar gestiegene Energiekosten begründet war.

Die in den vergangenen Jahren teilweise starken Preisanstiege sind seitdem nur noch gedämpft feststellbar - teilweise gibt es sogar Preisrückgänge. „Von einem Einbruch kann man nicht sprechen", betont Christian Hecker, Vorsitzender des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in der Stadt Dortmund.

Auch eine Blase könne er in Dortmund nicht erkennen - „nur" gestiegene Baupreise in den vergangenen Jahren: „Wir sind bei den Großstädten am unteren Ende. In Städten wie München und Berlin gab es extrem starke Steigerungen. Das hatten wir in der Form nicht und daher kann auch keine Blase platzen", so Hecker.

Zahlen der gewerblichen Immobilien- und Grundstücksverkäufe sinken

„Die Beobachtung des Grundstücksmarktes des Jahres 2022 war aufgrund der sich wandelnden Rahmenbedingungen eine der spannendsten der letzten Jahre. Wie wirken sich Energiekosten, gestiegene Hypothekenzinsen und erhöhte Baukosten auf den Grundstücksmarkt aus?" beschreibt Christian Hecker die Gemengelage rund um das Marktgeschehen im letzten Kalenderjahr.

Trotz eines deutlichen Rückgangs des Geldumsatzes und der Anzahl an Kaufverträgen für Grundstücke im Jahr 2022 liegen sowohl die Preise für eigengenutzte Immobilien als auch der Quadratmeterpreis für bebaubare Wohngrundstücke über dem Niveau des Vorjahres.

Der Umsatzrückgang ist auf ein geringeres Umsatzvolumen für hochpreisige, gewerblich genutzte Grundstücke und Mehrfamilienhäuser zurückzuführen. Die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (u.a. steigende Finanzierungs- und Energiekosten) sind im zweiten Halbjahr durch eine Dämpfung der Kaufpreisentwicklung nachweisbar.

Das eigene Wohnhaus ist nach wie vor sehr beliebt

Die Preisentwicklung eigengenutzter Wohnimmobilien ergibt bei der Betrachtung des gesamten Berichtsjahrs eine Steigerung von durchschnittlich sechs Prozent bei freistehenden Ein- und Zweifamilienhäusern und bis zu 18 Prozent bei Reihen- und Doppelhaushälften.

„Aber die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie erhöhte Finanzierungs- und Energiekosten („warme Nebenkosten") bremsen die noch deutlichere Preisentwicklung des ersten Halbjahres.

Unterm Strich - auf das ganze Jahr betrachtet - zehren sie den Zuwachs des ersten Halbjahres nahezu vollständig auf", rechnet Christian Hecker vor.So lag der Preiszuwachs beispielsweise. bei freistehenden Ein- und Zweifamilienhäusern im ersten Halbjahr noch bei rund 12 Prozent.

Hier zeigt sich, dass mit steigenden Hypothekenzinsen und gleicher monatlicher Finanzierungsrate ein geringeres Finanzierungsvolumen zur Verfügung steht, was entweder zu einer Kaufzurückhaltung oder zu einer Kaufpreisreduzierung führt.

Der höchste Kaufpreis für ein Ein-/Zweifamilienhaus wurde in der Gartenstadt mit über vier Millionen Euro erzielt. Der durchschnittliche Kaufpreis einer 110 Quadratmeter großen unterkellerten Doppelhaushälfte aus dem Jahr 1980 liegt beispielsweise in Aplerbeck in guter Lage bei rund 450.000 Euro.

Eigentumswohnungen werden immer teurer - Verkaufszahlen sinken

Ähnlich verhält sich der Trend beim Wohnungs- und Teileigentum. „Für eine neu errichtete Eigentumswohnung sind letztjährig durchschnittlich rund 4.400 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche und damit etwa 700 Euro mehr als im Vorjahr gezahlt worden", führt Ulf Meyer-Dietrich, stellvertretender Vorsitzender des Gutachterausschusses, aus.

„Der höchste Preis für eine Eigentumswohnung liegt bei über 5.500 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Beachtenswert hierbei ist, dass die Anzahl an neu veräußerten Eigentumswohnungen um mehr als 65 Prozent zurückgegangen ist."

Bei Wohnungseigentum im Bestand ist analog zur Immobilienrichtwert-Entwicklung ein durchschnittlicher Anstieg von 12 Prozent über das Jahr betrachtet zu erkennen. Lag im ersten Halbjahr der Preisanstieg noch bei 19 Prozent, so konnte in der zweiten Jahreshälfte auch hier eine rückläufige Wertentwicklung beobachtet werden. Auch hier spiegeln sich die deutlich gestiegenen Finanzierungs-, Bau- und Energiekosten des zweiten Halbjahres wider.

Es gibt kaum noch freie Baugrundstücke für Ein- und Zweifamilienhäuser

Die wirtschaftlich geänderten Rahmenbedingungen zeigen sich auch deutlich durch den Rückgang an Grundstückstransaktionen ab Juni 2022 im Vergleich zum Vorjahr. Der Geldumsatz für unbebaute baulich nutzbare Grundstücke liegt zehn Prozent über dem des Vorjahres. Die Anzahl der dem Geldumsatz zu Grunde liegenden Kauffälle ist hingegen deutlich um 30 Prozent zurückgegangen.

Der gestiegene Umsatz pro Kauffall findet sich auch im „Bodenpreisindex", als Kennzahl für eine durchschnittliche Entwicklung im gesamten Dortmunder Stadtgebiet, wieder. So wurden Preise für unbebaute Wohnbaugrundstücke gezahlt, die im Mittel 14 Prozent über den „Bodenrichtwerten" lagen. Die Bodenrichtwerte steigen im Stadtgebiet daher weiter an. Zwischen 30 und 70 Euro pro Quadratmeter mehr müssen Käufer:innen kalkulieren.

Die Bodenrichtwerte für ein- bis zweigeschossige Wohngebäude liegen damit zwischen 280 Euro pro Quadratmeter in Mengede und 800 Euro pro Quadratmeter in der südlichen Gartenstadt. Ursache für die Bodenrichtwertentwicklung ist insbesondere die stetige Verringerung freier Bauplätze. Im vergangenen Jahr wurden nur noch zwei (!) klassische Neubaugrundstücke in einem Neubaugebiet verkauft.

Marktbeobachtung zeigt längere Vermarktungszeiten für Immobilien

Gleichzeitig wurden im Rahmen der Marktbeobachtung längere Vermarktungszeiten für private wir gewerbliche Immobilien festgestellt: „Es ist ein differenzierterer Markt. Es kommt nicht mehr Jeder und kauft alles", so Ulf Meyer-Dietrich. „In den vergangenen Jahren haben sich auch Leute Eigentum zugelegt, die sie sich bei durchschnittlicher Zinslage nicht zugelegt hätten."

„Es ist nicht so, dass garnicht verkauft wurde. Der Markt ist nur etwas kleiner geworden. Außerdem haben sich die Zeiten einer Immobilienvermittlung verlängert. Eine Wohnung ist nicht mehr nach einer Stunde verkauft. Jetzt braucht man schon mal mehrere Monate zur Vermarktung, bis sich jemand findet oder der Preis reduziert wird", so Meyer-Dietrich.

Ob das nur eine Momentaufnahme ist, ein kurzzeitiger Effekt oder ein neuer Trend, kann der Gutachterausschuss noch nicht sagen. Eine Prognose sei noch nicht substanziell. „Was wir sagen können: Auch der Dortmunder Wohnungsmarkt ist angespannt. Irgendwo wird gebaut werden müssen. Zu welchen Preis, das stellen wir dann jedes Jahr fest", so Ulf Meyer-Dietrich.

Mehr Informationen:

Hier gibt es den Grundstücksmarktbericht 2023 als PDF zum Download: Grundstücksmarktbericht 2023 Zur Wertberechnung der eigenen Immobilie kann der Immobilienrichtwert mit Immobilienpreiskalkulator unter www.boris.nrw.de genutzt werden. Vor dem Hintergrund der Markttransparenz können alle Interessierten das aktuelle Grundstücksmarktgeschehen unter gars.nrw/dortmund nachvollziehen. In einem neu erstellten Dashboard werden tagesaktuell Umsatz und Anzahl der Kauffälle - Gesamt oder nach Teilmärkten sortiert - in Relation zum Vorjahr abgebildet. Über den Gutachterausschuss:

Die Gutachterausschüsse sind als Einrichtungen des Landes unabhängige, nicht an Weisungen gebundene Kollegialgremien. Die Geschäftsstelle ist beim städtischen Vermessungs- und Katasteramt eingerichtet. Mehr über Gutachterausschüsse insbesondere über deren Zusammensetzung, Aufgaben und Produkte ist unter www.gars.nrw/dortmund abrufbar. Die Produkte der Gutachterausschüsse in NRW, insbesondere die Bodenrichtwerte, Grundstücksmarktberichte und Immobilienrichtwerte werden kostenlos zum Download bereitgestellt. Im Grundstücksmarktbericht werden auch Daten für die Immobilienwirtschaft veröffentlicht, wie Liegenschaftszinssätze, Wertfaktoren oder Umrechnungskoeffizienten. Mehr zum Thema bei nordstadtblogger.de: Hohe Dynamik bei den Umsätzen auf dem Grundstücksmarkt in Dortmund 2021 Neuer Mietspiegel für Dortmund: Die Preise sind durchschnittlich um 2,1 Prozent gestiegen Kosten fürs Wohnen in Dortmund steigen weiter - Internationale Krisen hemmen Neubauprojekte Die Stadt Dortmund hat 65 statt 35 Millionen Euro für sozialen Wohnungsbau ausgeschüttet Die Krisen und Kostensteigerungen schlagen 2022 erstmals auf Immobilien-Kaufpreise durch
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