Das neue Jahr beginnt in Dortmund so, wie das alte aufgehört hat: Mit Neonazi-Aktivitäten. Am heutigen Samstag um 16 Uhr wollen sie an der Straßenkreuzung Münsterstraße/Mallinckrodtstraße erneut eine Kundgebung in der Nordstadt abhalten. Es ist der fünfte Aktionstag in Dortmund binnen zwei Wochen.
Allerdings kann der Aktionismus nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Dortmunder Neonazis und ihre Partei „Die Rechte" in der zweiten Jahreshälfte eine ganze Reihe von Niederlagen und Rückschlägen wegstecken mussten.
Zahlreiche Schlappen kennzeichnen das Jahr für die NeonazisSchon die Kommunalwahl war eine Schlappe: Im Wahlkampf lieferten sie sich heftige Auseinandersetzungen mit der NPD, um den Führungsanspruch zu klären. Herausgekommen ist, dass sich beide Parteien nun die beiden Mandate im Rat teilen müssen.
Zumindest in vier Bezirksvertretungen hat es zu jeweils einem Sitz gereicht. Besonders peinlich für die Truppe: In der Innenstadt-West/ Dorstfeld, wo neun ihrer elf Listenkandidaten gemeldet sind, haben sie den Einzug in die BV sogar ganz verpasst.
Großes mediales Echo für rechtsextreme SplitterparteiIm Gegensatz zu ihrem Wahlergebnis steht ihr Presseecho. Das Kalkül, mit Siegfried „SS-Siggi" Borchardt als Spitzenkandidaten in die Wahl zu gehen, ging auf. Bis in die New York Times schaffte es die Splitterpartei, die ihre Galionsfigur nach nur zwei Ratssitzungen abzog. Denn ihr „Chefideologe" Dennis Giemsch hatte den Einzug verpasst.
Ebenfalls für Schlagzeilen sorgte der „Rathaussturm", der vor allem zwischen Zivilgesellschaft und Polizei für Dissonanzen sorgte, die bis heute nachhallen. Einzig mit ihren Ratsanfragen - ebenfalls geplante Provokationen - sicherten sie sich Schlagzeilen.
„HoGeSa" kam bei den Bürgern nicht an: „Pest gegen Cholera"Doch sie können nicht über die vielen Misserfolge hinwegtäuschen. Die Neonazis haben zuletzt häufig auf das falsche Feld gesetzt: So setzten sie auf das „HoGeSa"-Phänomen - „Hooligans gegen Salafisten".
Beim Koordinierungstreffen in Dortmund wie auch bei den teils sehr gewalttätigen Auseinandersetzungen in Köln und Hannover waren die Dortmunder mit dabei.
Doch bei der breiten Masse verfängt dies nicht: „Pest gegen Cholera" waren die Kommentare vieler Bürgerinnen und Bürger zu den brutalen Schlägern, die gegen nicht anwesende Islamisten demonstrieren wollten. So entwickelt sich die „HoGeSa" nicht zu einer Massenbewegung - sie schreckt viele Menschen eher ab.
Willkommenskultur und Hilfsbereitschaft statt „PEGIDA" in DortmundAnders ist dies bei der „PEGIDA"-Bewegung - dem Zusammenschluss „Patriotischer Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Hier konnten die Dortmunder Neonazis allerdings noch nicht richtig Fuß fassen.
Zudem ist diese Bewegung (noch) nicht in der Ruhrgebiets-Metropole angekommen. Vor allem im Osten - also dort, wo es kaum Ausländer und Muslime gibt - ist die Bewegung stark.
Auch ihre Störmanöver gegen die neuen Notunterkünfte für Flüchtlinge und Asylbewerber verfingen (noch) nicht. Dortmund zeichnet sich bisher vor allem durch Hilfsbereitschaft und eine gelebte Willkommenskultur aus.
Schwache Mobilisierung und zahlreiche juristische Niederlagen für „Die Rechte"Was können die Neonazis also als Erfolg verbuchen? Auch wenn es ihr „Internetzentralorgan" in schöner Regelmäßigkeit anders darstellt, musste „Die Rechte" vor allem auf juristischem Feld zahlreiche Rückschläge einstecken.
Von massiven Auflagen für ihre Kundgebungen über das Verbot und die Ahndung der „Stadtschutz"-Kampagnen bis zu dem Verhindern ihrer Weihnachtsbesuche reichten die juristischen Niederlagen der „neuen deutschen Rechtspartei".
Selbst bei ihrer Klage gegen das NWDO-Verbot brachten die Richter kurz vor dem Jahreswechsel die Neonazis ins Schwitzen. Ihre Klage droht an formalen Hürden zu scheitern.
Nicht die erste Niederlage vor Gericht: Immer enger zieht das Dortmunder Polizeipräsidium das Netz und macht die Räume mit juristischen und strategischen Finessen immer enger. Ihre Kampagne gegen „Polizeiwillkür" ist ein Beleg, wie empfindlich dies die überheblichen Neonazis getroffen hat.
In die Ecke gedrängt: Blockaden der Antifaschisten setzen den Neonazis zuGleiches gilt für die Gegenproteste: Sie sind eigentlich das „Salz in der Suppe" und der Antrieb für Neonazidemos. Denn ohne Gegenprotest machen solche Aufmärsche an Heiligabend oder Silvester den erlebnisorientierten Krawallschlägern ja keinen Spaß.
Allerdings haben ihnen die Antifaschisten, Demokraten und Autonome immer häufiger die Suppe total versalzen. Ob am 23. August oder am 21. Dezember - die Neonazis mussten sich häufig einer Übermacht von Gegendemonstranten beugen. Teils wurden sie in die Ecke gedrängt, teils ihre Veranstaltungen ganz verhindert.
Ohne die völlig überflüssigen Gewaltaktionen einiger Linksautonomer hätten die Blockaden ein voller Erfolg sein können. Sie bieten den Neonazis nur unnötig Munition für weitere Kundgebungen und mediale Inszenierungen.
Gefrustete Neonazis wollen sich an der „Lügenpresse" abreagierenDoch wie angefressen die Neonazis sind, zeigt die immer stärker eskalierende Wut: Nachdem sie sich mehr oder weniger erfolglos an der Einschüchterung von politischen Gegner versucht haben, haben sie immer häufiger ein neues Ziel ausgemacht: Die „Lügenpresse".
In ihrer Ohnmacht versuchen sie, Journalisten anzugreifen oder zumindest einzuschüchtern: Neben Bedrohungen und körperlichen Attacken beispielsweise an Silvester in Hörde gipfelte dies in den vergangenen Tagen in Farbattacken auf das Haus eines Lokaljournalisten und fingierten Todesanzeigen für in der Szene bekannte Reporter.
Dies passt zur Strategie von „PEGIDA": Aktuell sind bundesweit verstärkt Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten zu verzeichnen. Die Dortmunder Neonazis wollen dem natürlich in nichts nachstehen. Bereits am 23. August attackierten sie mehrere Journalisten.
Neonazi-Kundgebung: Gegenprotest von BockaDO heute in der NordstadtAuch gegen die Polizei entlud sich der Frust der Neonazis in der Silvesternacht in Dorstfeld, als es dort nach einem Brand zu Auseinandersetzungen kam. Wie die neuerliche Kundgebung in der Nordstadt ausgeht, bleibt abzuwarten.
Ohne Protest wird der Neonazi-Aufzug nicht bleiben: Das Dortmunder Anti-Nazi-Bündnis BlockaDO mobilisiert für 15 Uhr zum Keuning-Park (am Dietrich-Keuning-Haus). „Zeigen wir den Nazis, dass wir auch im Jahr 2015 keine Lust auf Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus haben!" heißt es in dem Aufruf.
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