Alexander Schmitt

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Stromlieferant in Stuttgart: Wie der Kundenservice der EnBW versagt hat

Die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) versorgt nach eigenen Angaben rund 5,5 Millionen Kunden mit Strom. Foto: dpa/Christoph Schmidt

Der Kundenservice der EnBW arbeitet nicht immer im Einvernehmen der Kunden, wie der Fall von Renate Gundel zeigt: Mehr als 1500 Euro sollte sie nachzahlen. Der Grund: ein Übertragungsfehler.

Stuttgart - Wenn ein alter Stromzähler ausgetauscht wird, muss der Zählerstand übertragen werden. Meist geschieht dies händisch. Verständlich, wenn dabei Fehler passieren. Man sollte meinen, dass solche Fehler einfach zu korrigieren sind; doch bei Renate Gundel war das anders. „Das sind 50 Quadratmeter, mit Fernseher, Computer, Kühlschrank“, sagt Gundel über ihre Wohnung. Über Jahre habe sich ihr Stromverbrauch kaum verändert, die Kosten seien oft gleich geblieben. Ende März dieses Jahres wurde der Stromzähler für ihre Wohnung im Stuttgarter Süden ausgewechselt – ein Routinevorgang. Dafür ist in ihrem Haus die Stuttgart Netze GmbH verantwortlich.

Über 1500 Euro sollte die Kundin nachzahlen

Bei der Übertragung des alten Zählerstands ist ein Fehler passiert: Aus einem Komma wurde ein Punkt. Dadurch wurde der Stromverbrauch zehnfach höher als die tatsächlich abgenommene Menge erfasst. Ein bedauerlicher Einzelfall, wie die Stuttgart Netze sagen. Weitere falsch erfasste Zählerstände seien dem städtischen Unternehmen nicht bekannt. Dieser falsche Zählerstand ging so an die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW), den Stromlieferanten von Renate Gundel. Die EnBW fertigte auf dieser Basis die Jahresabrechnung mit einen Horrorbetrag für die Kundin an.

Anfang Juni kam die erste von mehreren falschen Rechnungen der EnBW zu Gundel. Über 1500 Euro sollte sie für ihren Jahresverbrauch nachzahlen. Die Vorjahresrechnung hatte nur eine Höhe von unter 500 Euro. Renate Gundel kontaktierte die EnBW und Stuttgart Netze. Das städtische Unternehmen entschuldigte sich einige Tage später für den Übertragungsfehler, gab den korrekten Zählerstand an Kundin und Lieferanten weiter. „Unsere Abteilung Netzabrechnung hat die Übermittlung des korrekten Zählerstands der Kundin an den Lieferanten EnBW auf Nachfrage noch einmal bestätigt“, sagt ein Sprecher von Stuttgart Netze zu unserer Redaktion.

Insgesamt kommen fünf falsche Rechnungen

Renate Gundel kontaktierte die EnBW erneut telefonisch, bat um Korrektur. Ende Juni kam eine Korrekturrechnung der EnBW für den Zeitraum Juni 2019 bis zum Zählerwechsel in Höhe von mehr als 1000 Euro. Die zweite Rechnung war also ebenso fehlerhaft. Dann am ersten Juli eine neue Rechnung: Diesmal für den Zeitraum seit dem Zählerwechsel bis Mai 2020, in korrekter Höhe. Die Forderungen aus der vorigen Rechnung waren ebenso gelistet. Am selben Tag kam eine weitere Rechnung, nun für den Zeitraum Mai 2020 bis Juni 2020, weiterhin mit den Forderungen aus der ersten fehlerhaften Rechnung. Renate Gundel kontaktierte die EnBW erneut. Sie sagt, ihr sei versprochen worden, dass sich innerhalb von 14 Tagen gekümmert werde. Doch es geschah nichts.

Anfang September zieht die EnBW über 1000 Euro vom Konto der Kundin ein. Renate Gundel storniert die Zahlung bei der Bank und informiert die EnBW über ein Kontaktformular. Sie sagt, außer einer Eingangsbestätigung habe sie keine Antwort erhalten. Wenige Tage später meldet sich die EnBW schriftlich, stellt erneut eine Summe von über 1000 Euro in Rechnung, zusätzlich noch Bank-Gebühren für die stornierte Zahlung.

Verbraucherzentrale: Gebaren der EnBW nicht nachvollziehbar

„Das waren immer verschiedene Leute am Telefon. Die wussten alle nicht Bescheid. Das war auch immer so zeitaufwendig, wenn die im System nachgeschaut haben“, sagt Renate Gundel über den Kundenservice der EnBW. Freundlich seien die Mitarbeiter zwar gewesen, doch: „Der Kontakt, der mich geärgert hat, war die Weiterleitung zur Rechnungsabteilung im Juli, die dann gesagt haben: Wir rufen Sie an. Aber da ist nichts passiert.“

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sagt, ihnen seien ähnliche Fälle mit dem „problematischen Kundenservice“ der EnBW bekannt. „Verbraucher beklagen sich, nicht gehört zu werden, Verträge untergeschoben zu bekommen, unberechtigte Rechnungen, Mahnungen und Inkassoschreiben zu erhalten“, sagt Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale. Bauer schildert weitere, ähnlich gelagerte Vorfälle. „Die Verbraucherzentrale rät dazu, sich nicht telefonisch mit der EnBW auseinanderzusetzen. Im Call-Center wird viel gesagt, was nicht gehalten wird und sich später nicht beweisen lässt“, so Bauer weiter. Unberechtigten Forderungen sollten die Kunden sofort und per Einwurf-Einschreiben widersprechen. „Das Gebaren der EnBW ist für uns nicht nachvollziehbar.“

EnBW entschuldigt sich nach sechs Monaten

Eine Sprecherin der EnBW bedauert den Vorfall. Neben dem Übertragungsfehler der Stuttgart Netze seien die Fehler vor allem mit Schwierigkeiten und Umstellungen in der Informationstechnik erklärbar. „Wenn Fehler vorkommen, gehen wir dem konsequent nach.“ Mittlerweile hat sich die Situation für Renate Gundel geklärt. Die EnBW hat sich bei der Kundin entschuldigt und die fehlerhaften Forderungen korrigiert. „Den Systemfehler konnten wir inzwischen beheben“, so ein Sprecher der EnBW. Vergleichbare Vorfälle seien der EnBW nicht bekannt.

(14.10.2020)

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