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Die Berliner Partyreihe Pornceptual ist Business aus Kunst, Party und Sex

Wer bei der Kombination aus Sexparty, Fetisch-Store, Onlinekunstplattform und Amateur-Sexfilmkanal nach dem Warum fragt, ist für Pornceptual verloren. Der bekommt nämlich von Raquel Fedato umgehend diese genervt verdrehten Augen ab, bei denen einem schon ein bisschen kalt ums Herz werden kann. Und von ihrem Kollegen und Pornceptual-Erfinder Chris Philipps hört er nur ein schlecht unterdrücktes Stöhnen. Schnell wird klar, dass die beiden nicht gerne zu viel erklären: Entweder man begreift es oder eben nicht. Also lieber zuhören und dran glauben. Denn Pornceptual ist in seiner wirren, opulenten und oft genug zufälligen Gesamtheit ein schon recht transzendentes Erlebnis, das kein zu hartnäckiges Nachhaken zulässt. Ähnlich wie beim Kondomkauf vor dem Date muss man halt auch hier blind Überzeugung mitbringen, erst mal den Zweifel ausschalten. Pornceptual ist schon lange eine der größten Sexpartys der Hauptstadt, dauerausverkauft, gerade läuft eine riesige Internationalisierungswelle.

Fedato und Philipps sitzen am frühen Nachmittag leicht müde im Berliner Soho House und brauchen beide erst mal eine Suppe. Sie stammen aus Brasilien und haben sich hier in Berlin kennengelernt. Philipps, Fotograf und Anthropologe, hatte damals ein ungefähres Konzept für eine Kunstplattform, die er 2011 mal im heimischen Brasilia vorgedacht hatte. Fedato, deren Linkedin-Profil ein paar echt wuchtige Berliner Startup-Adressen vorweist, die trotzdem noch immer als Studentin eingeschrieben ist, hatte Lust, für Philipps' frisch gegründete Plattform eingesendete Nacktfotografien zu kuratieren. Diese fügten sie zu einem kleinen Magazin zusammen, nebenbei, nachts.

Philipps sagt: „Es geht immer um Kunst. Damit fing alles an." Mit Fotos, von ihm selber gemacht und anderen Fotografen, die sich queeren Motiven und Lifestyle zugewandt haben. Die trotz Nacktheit nichts mit dem herkömmlichen Begriff von Porno anfangen konnten, mit den ruppigen Gepflogenheiten der Branche nicht einverstanden waren.

Als das Magazin in kleiner Auflage gedruckt war, wurde mit ein paar Freunden im Basement, einem Kreuzberger Club, gefeiert. „200 Leute oder so", ­erinnert sich Fedato. Der Betreiber fragte, warum man nicht das Ganze regelmäßig und etwas größer aufzieht. Mittlerweile kommen zu einer Pornceptual-Party mindestens 2.000 Menschen, regelmäßig müssen weitere 1 000 abgewiesen werden. Und Pornceptual-Party heißt: Kunstinstallationen, DJ-Live-Sets und gut gefüllter Darkroom. Eintritt 'nen Zehner, wenn man nackt kommt.

Sex im Safe Space

Schnell folgte ein Onlinestore, der vor knapp einem Jahr gelauncht wurde, ursprünglich, um das Magazin zu vertreiben. Das ist längst vergriffen und begehrtes Sammlerobjekt. Stattdessen werden Fetischprodukte von ausgesuchten Berliner Designern präsentiert. Immer neue Kreationen kommen dazu, darunter auch Stücke, die oft nicht über andere Handelswege erhältlich sind.

Klassisches Win-win: Die mega-nischigen Hersteller haben meist null Traffic auf der eigenen Seite, Pornceptual mit seiner aktiven, kaufkräftigen und hedonistischen Community umso mehr. Affiliate at its best. Außerdem fanden Fedato und Philipps so einen weiteren Weg, wie man mitmischt, ohne sich gemein zu machen: „Amorelie verkauft sehr mainstreamiges, rosa-feminines Zeug, vor allem von großen Herstellern", sagt Fedato. „Wenn die Fetisch anbieten, dann sind das nur sehr normale Peitschen und Handschellen, die man überall bekommt." Gähn as fuck. Auch wenn sie mittlerweile mit dem Store die Kunstplattform mitfinanzieren, reden die Gründer doch viel lieber von der erfolgreichen Partyreihe. Alle zwei Monate eine, gerne an Orten, die für Sexpartys erst mal unverdächtig sind, da­runter in Berlin der Club Prince Charles in Kreuzberg und die Alte Münze, die sonst eher für den Design-Weihnachtsmarkt bekannt ist. International ist man in Istanbul, London, São Paulo, Amsterdam, Barcelona und Stockholm unterwegs.

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