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Der härteste Horrortrip der Welt: In diesem Keller werden Albträume wahr

Früher war Russ McKamey bei der Navy, heute foltert er Freiwillige. Im McKamey Manor bietet er den härtesten Horrortrip der Welt an: acht Stunden, kein Safeword. Wieso tun sich Menschen das an?

Am Ende gibt es bei den Teilnehmern immer Tränen. Tränen der Erleichterung, Tränen der Erschöpfung, Tränen der Fassungslosigkeit, wenn Russ McKamey ein weiteres Opfer aus dem Quäl-Marathon entlässt, das Experiment abbricht, wenn wieder einmal ein zu Mutiger sich von dem fleischigen McKamey auf Kindergröße hat zurechtstutzen lassen und jetzt wimmernd in der Ecke kauert. McKamey - glorios mit Rasurbrand, Sofabauch, Jogginghose - fragt lieber noch mal nach, mit dem Ton des enttäuschten Vaters: „Wirklich Schluss?" Er muss die Antwort nicht abwarten: Noch nie hat es jemand geschafft, seinen mit dem Begriff „Bootcamp" viel zu niedlich beschriebenen Horror-Spurt erfolgreich zu beenden.

McKamey, 56, residiert mit Frau, drei Kindern und unzähligen Hunden in Rancho Peñasquitos, einem Ort nördlich von San Diego, der eine Bilderbuchregion zeigt: Einfamilienhäuser, ein großes Waldstück, dahinter führt der Interstate 15 in die Stadt an der Grenze zu Mexiko. Der Interstate ist praktisch für die Anreise der Teilnehmer, und McKamey schätzt das idyllische Waldstück, wo er sie stundenlang ungestört in stinkenden Abfluss- und Schlammlöchern malträtieren kann, bis sie schlotternd nach wem auch immer um Beistand schreien. McKamey sagt amüsiert über seine Teilnehmer: „Es ist schon ein Völkchen für sich. Man muss sie einfach lieben." Auf seinem Anwesen spielen seine Kinder im Garten, während McKamey und Crew die Opfer im Keller in schimmlige Tiefkühltruhen stecken und diese von außen verriegeln. Nie gibt es fröhliche Gesichter, nicht einmal bei denen, die zumindest einigermaßen weit bei der bis zu acht Stunden dauernden Tortur kommen. Kein Stolz. Nur Zittern, Erbrechen, noch Monate später schreckliche Albträume, viele müssen sich danach an verschiedenen Körperteilen erst einmal nähen lassen. Wer tut sich das an? „Nun, im letzten Jahr wollten 25 000 Leute kommen", sagt McKamey am Telefon. Im Hintergrund bellen die Hunde. „Kurz vor Halloween zieht es immer noch mal an, da bricht Jahr für Jahr der Anfrageserver zusammen." Aber nochmal: Wer lässt das mit sich anstellen? „Leute, die schon durch jede Geisterbahn der Welt gelaufen sind, nehme ich an. Die nichts anderes mehr kickt. So wie ich. Ich habe mich schon als Kind immer gerne gegruselt. Auch jetzt noch, bei meinen Shows, frage ich mich immer, was mich selbst gruseln würde. Das nehme ich als Maßstab."

That's Entertainment! McKamey sagt „Show", meint damit aber ultrabrutale Quälsessions, die ihm schon oft Klagen eingehandelt haben, eine Show, mit der er außerdem nicht einmal Geld verdient. Weil er niemals eine Geschäftslizenz beantragt hat, nimmt er statt Cash von jedem Teilnehmer vier Dosen Hundefutter an. Von den Tausenden Bewerbern sortiert er lediglich eine Handvoll aus, die infrage kommen und die ihm zäh genug wirken, damit die Show etwas Besonderes bleibt. Nicht nur das: Hat man es bis auf den Parkplatz vor dem Haus geschafft, tut McKamey alles dafür, dass man gleich wieder umdreht. Ein Vermummter mit Axt in der Hand schubst einen vom Wagen zum Haus, sieht man im Video. Klingt albern, ist es aber überhaupt nicht. Warum macht er das, wenn er mit vier Dosen Hundefutter nur schwer die Kosten decken kann? McKamey sagt von sich selber: „Ich bin Entertainer, durch und durch. Ich bin Profi." Stimmt: Nachdem er in den 90ern aus der US Navy ausgeschieden ist, verdingte er sich hier und da, unter anderem als Unterhalter auf Hochzeiten, bis er vor 17 Jahren mit einer zu Halloween angefertigten Geisterbahn seine wahre Bestimmung gefunden hat. Aus dem anfangs noch harmlosen Event im Keller erwuchs über die Jahre etwas Grausames, Einzigartiges, das über alle Kontinente Strahlkraft und Sogwirkung entwickeln konnte. Wenn McKamey also mitten am Tag bei südkalifornischem Sonnenschein in einer verschlafenen Familiengegend schon bei der Ankunft seinen Axtmörder vor dem Wagen auftauchen lässt, dann hat das die erwünschte Wirkung: Nichts daran ist lustig, absurd oder drollig. Es ist schrecklich, ernst, todernst. Denn McKamey versteht sein Handwerk, Timing und Wirkung, hat jahrelang an jedem Detail seiner Show gefeilt.

Der Showmaster wird jedem Bewerber die Teilnahme ausreden: „Du weißt nicht, worauf du dich einlässt. Es wird die Hölle." Aber so schlimm kann es nicht werden, das bisschen Gruseln, das vielleicht wüster, intensiver ist als andere Schockangebote, aber was soll einen rational denkenden Menschen im Jahr 2016 noch schrecken? „Viel", sagt McKamey. „Du ahnst es ja nicht", sagt er. Sanfte, väterliche Stimme, aber da ist etwas, was einen stutzen lässt, vielleicht die Tatsache, dass er die Worte zu langsam und zu schleichend ausspricht, als würde sich eine Schlange an einen ranzischeln.

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