Seitdem ist Journalistinnen und Hilfsorganisationen der Zutritt in das Grenzgebiet verboten. Laut Anna ist die Errichtung der roten Zone ein Eingriff in die Pressefreiheit und unterlassene Hilfeleistung der polnischen Regierung. Während des Gesprächs hat die 37-Jährige ihre Umgebung genau im Blick. Ein älterer Mann beobachtet die Gruppe, die vor dem weißen Haus steht. Nach fünf Minuten bittet Anna alle Anwesenden, das Gespräch an einem anderen Ort fortzusetzen.
Dieser Ort ist ein Gasthaus in der Stadt Michalowo, 30 Kilometer von der Grenze zu Belarus entfernt. Hier bestellt Anna eine Suppe und kann ungestört reden. Trotzdem wirkt sie nervös, schaut immer wieder auf ihr Handy. Viele der Flüchtenden haben die Telefonnummern von Mitarbeitenden der Grupa Granita. Eigentlich für den Notfall, doch der ist fast schon zum Normalfall geworden. Wird sie angerufen, lässt Anna alles stehen und liegen und fährt in den Wald. Vorausgesetzt die Menschen befinden sich außerhalb der roten Zone. Anna sagt: „Ich habe meiner Familie versprochen, nicht ins Gefängnis zu kommen."
Das Smartphone bleibt erstmal still. Also redet Anna weiter. Sie sagt, dass sie nachts Angst habe, im Wald auf einen toten Menschen zu steigen. Einmal habe ein Bewohner der roten Zone bei ihr angerufen. Er habe dort eine Leiche gefunden. Mindestens sieben Menschen sind nach Angaben der polnischen Polizei bisher im Grenzgebiet gestorben.