Seit Januar demonstrieren in Dresden Schüler der „Fridays for Future"-Bewegung für eine umweltfreundlichere Politik. Auch am Freitag gehen sie wieder auf die Straße. Unterstützung erhalten die Protestierenden dabei seit Mai von Dresdner Wissenschaftlern: Die Dresdner „Scientists for Future" kommen aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen. Ihr gemeinsamer Nenner heißt Klimaschutz.
Im DNN-Interview sprechen Dominic Eberle, Gründer der Dresdner Ortsgruppe und Biologe an der TU Dresden, sowie Physiker Daniel Gembris von der Berufsakademie Sachsen über ihre Beweggründe, sich in ihrer Freizeit für Klimaschutz zu engagieren.
Frage: Ihre Schulzeit liegt bereits ein paar Jahre zurück. Waren Sie zu Schulzeiten wie die „Fridays for Future"-Schüler bereits politisch aktiv?Dominic Eberle: Zu Schulzeiten war ich tatsächlich überhaupt nicht politisch aktiv. Mir war als Schüler aber auch gar keine Möglichkeit bewusst, mich politisch irgendwo einbringen zu können. Mein Faible für ehrenamtliches Engagement wurde erst im Studium geweckt, wo ich unter anderem Vertreter im Fachschafts- und im Fakultätsrat war.
Daniel Gembris: Mein Ziel bestand schon früh darin, später in der Forschung zu arbeiten. Im Laufe der Zeit ist mir klar geworden, dass die Wissenschaften bereits zu vielen Herausforderungen Antworten bereit halten und habe meine Aufgabe dann in der Vermittlung und Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse gefunden.
Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Generation - sprich, nicht die Generation, die gerade auf die Straße geht - das Thema Klimaschutz verschlafen hat?Dominic Eberle: Ich persönlich habe in der Tat das Gefühl, dass unsere Generation, und auch die Generation unserer Eltern, das Thema definitiv verschlafen hat. Wir haben uns bequem eingerichtet in unserer globalisierten Welt ohne die Folgen unseres Handelns auch global zu begreifen. Jetzt merken wir, dass unser Planet endlich ist, dass Ressourcen nachhaltig genutzt werden müssen und dass unsere Atmosphäre uns alle umgibt, von uns allen als Müllkippe genutzt wird und ihre Veränderung uns alle betreffen wird.
Daniel Gembris: Die prognostizierten Änderungen lagen für die meisten Menschen unserer Generation noch zu weit in der Zukunft und waren noch zu abstrakt. Anscheinend werden einige Menschen erst aus Schaden klug.
„Es muss ein Impuls von Außen erfolgen, um eine Wende zu bringen" Seit wann beschäftigen Sie sich mit dem Thema Klimaschutz? Was hat Sie dazu bewegt, Teil der Dresdner „Scientists for Future" zu werden?Daniel Gembris: Eine intensivere Auseinandersetzung erfolgt bei mir seit 2017, als dem Thema von der Öffentlichkeit aus meiner Sicht noch nicht die gebotene Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Wenn in den 2020er-Jahren weltweit nicht sehr deutliche Erfolge beim Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger erzielt werden, ist das 1,5 Grad-Ziel (auf der UN-Klimakonferenz 2015 in Paris wurde als Ziel ausgegeben, die globale Erderwärmung unter 1,5 Grad Celsius zu halten, A.d.R.) nicht mehr einzuhalten. Mit der Gefahr, dass das Klima in eine Art Teufelskreis gerät und die globale Durchschnittstemperatur unaufhaltsam auf für Menschen nicht mehr erträgliche Werte weiter ansteigen wird.
Dominic Eberle: Da ich im Rahmen meiner Interessen und meines Studiums grundsätzlich an Biologie, Ökologie, Umwelt-, Natur- und Klimaschutz interessiert bin, war Klimaschutz schon längere Zeit ein Thema. Es herrscht ein breiter, weltweiter wissenschaftlicher Konsens über den durch Menschen verursachten Klimawandel und dessen Folgen. Politik und Wirtschaft sind jedoch weitestgehend gelähmt in ihren Aktionen zur Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen. Es muss ein Impuls von Außen erfolgen, um eine Wende zu bringen. Als verantwortungsvoller Wissenschaftler und Vater sehe ich es als meine Pflicht an, zum Gelingen dieses Impulses beizutragen.
Wie lauten die Forderungen der „Scientists for Future"? Gibt es konkrete Forderungen an die Dresdner Kommunalpolitik?Daniel Gembris: Es wäre sinnvoll, ausgehend von einer Analyse der CO2-Quellen in Dresden, die größten Einsparpotenziale zu identifizieren und vorrangig zu nutzen. Der Kommunalpolitik können wir gerne Hinweise auf neue technologische Ansätze zur CO2-freien Energiegewinnung geben.
Dominic Eberle: Es geht nicht darum, politische Entscheidungen durch wissenschaftliche Erkenntnisse zu ersetzen. Wissenschaft kann erklären, welche Handlungsoptionen bekannt sind und zu welchen Konsequenzen diese führen. Dazu gehören auch die Konsequenzen des Nicht-Handelns.Grundsätzlich sehen wir in einer Erhöhung der Rate von Wohnraumsanierungen, dem Ausbau der Fernwärmeversorgung, dem Aufbau einer Fernkälteversorgung, einer weiteren Verringerung der CO2-Emissionen, der Stromproduktion, einem Ausbau der Photovoltaik auf Dachflächen und in Maßnahmen zur Verringerung der CO2-Emissionen im Straßenverkehr effektive und nachhaltige Wege für Dresden.
„Es geht um viele liebgewonnene Gewohnheiten, die jetzt auf dem Prüfstand stehen" Mit welchem Verkehrsmittel sind Sie an Ihren letzten Urlaubsort gereist? Spaß beiseite: Wieso werden Menschen, die sich für Klimaschutz einsetzen, in der Debatte darüber oft auf die Umweltverträglichkeit Ihres eigenen Lebensstils reduziert?Dominic Eberle: Ich kann ganz unumwunden zugeben, dass wir dieses wie auch letztes Jahr mit dem Auto an die Ostsee fahren werden. Da das Auto voll beladen mit Gepäck und Personen ist, ist der Pro-Kopf-Ausstoß von CO2 nicht viel höher als bei der Anreise per Bahn. Das Messen von engagierten Menschen am eigenen Lebensstil ist ein klassisches Argument, was oft benutzt wird, wenn gegen das eigentliche Argument kein Gegenargument gefunden werden kann. Dann greift man die Person selbst an. Das generiert Aufmerksamkeit und täuscht vor, man habe die Debatte gewonnen. Oft genug wird es auch als Totschlagargument gebracht. Damit ist die Debatte aber logisch eben nicht beendet und das eigentliche Problem besteht weiter.
Daniel Gembris: Von mir ist seit mehr als zehn Jahren kein Flugzeug mehr genutzt worden und zuvor nur dienstlich. Zur eigentlichen Frage: Mit derartigen Diskussion soll vermutlich einer tiefer gehenden Auseinandersetzung ausgewichen werden. Es geht um viele liebgewonnene Gewohnheiten, die jetzt auf dem Prüfstand stehen.
Wo fängt Klimaschutz Ihrer Meinung nach in den eigenen vier Wänden an?Daniel Gembris: Grundlage für eine erfolgreiche Bewältigung der Klimakrise ist, dass möglichst jeder Bürger diese als sein persönliches Problem betrachtet und auch danach handelt. Schon wer einen Balkon besitzt, kann dort Solarmodule installieren, die Energie ernten und somit die Energiewende voranbringen. Jeder Stromkunde kann zu einem Ökostromanbieter oder zu einem Ökostromtarif wechseln. Jeder, der die Möglichkeit dazu hat, sollte Bäume pflanzen oder für das Pflanzen von Bäumen spenden. Auch sollte jeder, der über persönliche Kontakte in die USA, Russland, China oder Indien verfügt, diese für Überzeugungsarbeit in Sachen Klimaschutz nutzen. Diese Länder werden zur Bewältigung der Krise benötigt.
Dominic Eberle: Was sicherlich jeder tun kann, ist weniger Fleisch zu essen - man muss aber nicht komplett verzichten. Sofern möglich, kann man zudem auf möglichst vielen Wegen in der Stadt auf das Auto verzichten und das Rad oder öffentliche Verkehrsmittel nehmen. Ein weiterer Punkt ist bewusster Konsum: Viele Ältere wissen noch aus DDR-Zeiten, dass ein Loch eher gestopft wurde anstatt ein Kleidungsstück wegzuwerfen. Ein wenig von diesem Denken, auch übertragen auf andere Bereiche wie die Reparatur von technischen Geräten, kann uns helfen, in Zukunft der Verschwendung von Ressourcen entgegen zu wirken.
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