Amal
Als sie zum Studieren von Frankfurt nach Heidelberg zog, war sie schockiert, wie Weiß Heidelberg ist. Amals Mutter kommt aus Äthiopien und dem Sudan, ihr Vater aus Ägypten. Beim Umzug fragte er sie, was ihr hier auffällt, und sie antwortete: „Es gibt keine Ausländer." Vergeblich sieht sie sich im Hörsaal nach Kommiliton*innen um, die Schwarz sind - wie sie. Die eine, die sie findet, wird später eine Freundin.
Bis zu ihrem Abitur lebte Amal in Frankfurt. Dort fühlt sie sich noch immer wohler, weil sie mit ihrer Hautfarbe keine Ausnahme ist. Daher, meint sie, kommt auch die Verwunderung über das Weiße Stadtbild Heidelbergs. Zu Beginn fragte sie sich oft, ob sie nicht die falsche Stadt, das falsche Bundesland zum Studieren gewählt hat. In Frankfurt gehörten Personen mit Migrationshintergrund zum Alltag. In ihrer Klasse gab es vielleicht drei Kinder ohne. Das war ihre Normalität, bis sie nach Heidelberg zog. Anschluss zu finden, stellte sie sich zu Beginn sehr schwierig vor. Sie fand ihn nach einigen Tagen durch eine andere Schwarze Kommilitonin. Mit ihren Braids fühlte Amal sich sehr auffällig, sodass sie ihre Frisur änderte. Sie konnte kaum jemanden finden, der wie sie aussah. Weder unter den Studierenden noch unter den Dozierenden. Doch auch an diesen Umstand konnte sie sich mit der Zeit gewöhnen, sagt sie.
Hier widerfährt Amal vor allem Alltagsrassismus. Beispiele hat sie viele: Ein Betrunkener schrie ihr nachts hinterher, sie sei nicht Deutsch, eine Studentin sagte, ihre Hautfarbe sei schön, weil sie „nicht zu dunkel" sei. Macht sie darauf aufmerksam, dass eine Aussage rassistisch war und sie verletzt hat, reagieren viele abwehrend und leugnend. „Es wird runtergespielt", findet sie. Eine ehemalige Freundin behauptete, sie sei nur „wegen der Quote" an der Uni Heidelberg angenommen worden. Als Amal darauf aufmerksam machte, wie rassistisch und falsch diese Behauptung ist, entgegnete man ihr nur, dass es ja nicht so gemeint sei. Amal betont, dass die Aussagen auch gut gemeint immer noch rassistisch sind.
Durch die Black-Lives-Matter-Bewegung sieht sie sich bestärkt. „Es tut wirklich gut. Man fühlt sich gehört, man fühlt sich verstanden." Jetzt sei es akzeptierter, sich gegen Rassismus zu wehren und laut auszusprechen, wenn etwas nicht passt. Dennoch befürchtet sie, dass auch „die andere Seite dadurch angeheizt wird". Menschen, die sowieso schon rassistisch eingestellt waren, könnten sich darin bestärkt fühlen. Drei Tage nach der Black-Lives-Matter-Demo in Heidelberg wurde sie in einem Zug rassistisch beschimpft. Vor allem, dass niemand eingegriffen hat, enttäuschte sie. Zu Beginn der Rassismusdebatte in Deutschland sah sie nur das Positive, nach diesem Vorfall ist sie sich nicht mehr so sicher.
Von Weißen erwartet sie, sich mit Rassismus zu beschäftigen und sich über afrikanische Länder zu informieren. Es sei respektlos, wenn andere von „afrikanischer Sprache" oder „afrikanischem Essen" sprechen. „Und wenn ihnen jemand sagt, dass sie es rassistisch finden, dann ist es rassistisch." Zudem solle man eigene Diskriminierungserfahrungen wie Mobbing nicht gegen Rassismus aufwiegen - ihre Hautfarbe, betont sie, hat sie ihr ganzes Leben.