Wibke Roth

Gesundheitsjournalistin, Redakteurin, Trainerin, Gladbeck

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Erika Lust: Ich drehe Sex-Geschichten | eVivam

Erika Lust dreht Sex-Filme aus ihrer Perspektive: aus der Sicht einer Frau für Männer und Frauen.

Die Schwedin Erika Lust ist eine der gefragtesten Film-Produzentinnen in einem Männerimperium: Sie schreibt Drehbücher, führt Regie, filmt und produziert Sexfilme. Das Besondere: ihre Perspektive. Autorin Wibke Roth hat sich nach ihrer Einstellung, Konkurrenz und Zuschauern erkundigt.

Sex sells. Das weiß jede(r). In Billig- und Mainstream-Pornos sollen Schätzchen zur Sache kommen: möglichst schnell und oft. Da entspricht Schätzchen oft der Frau, die dem Mann in jeglicher Lage Lust verschafft. Die Kamera ist auf alles gerichet, was gerade in Bewegung ist. Das Licht zeigt das ganze Spektrum. Sex ist in diesen Filmen auf Kopulation getrimmt. Von einer Story kann nicht die Rede sein. Dennoch: Am Ende gibt es genügend Käufer, die das Produkt abnehmen. Doch längst nicht alle fühlen sich von dieser Machart angesprochen. Vor allem Frauen scheinen sich vom stereotypen Mainstream der Pornographie mit seinen harten Einstellungen und dem reinen Akt als gesamter Story-Line nicht angesprochen zu fühlen. Die Art von Sex sells also vor allem bei Frauen nicht. Das weiß Film-Expertin Erika Lust zu berichten.

Wer ist Erika Lust?

Sie beschreibt sich als „independant Adult-Cinema-Director, Mum, Business-Woman und Film-Freak". In einer Reportage beschreibt Erika Lust Frauen, die den Porno-Mainstream einfach unerotisch, agressiv und sogar hässlich fänden. Die Schwedin Erika Hallqvist hat sich mit Ende 30 mit dem Künstler-Nachnamen Lust innerhalb von rund zehn Jahren einen internationalen Namen in einer männer-domininierten Szene gemacht; auch, weil sich ihre Filme vom Mainstream abheben: durch feministische Sexfilme sinnlich-erotischer Art.

Vor über 15 Jahren ist sie nach Barcelona gezogen, um so viel wie möglich übers Filmemachen zu lernen. Dafür studierte Erika Hallqvist, die in ihrem Leben in Schweden unter anderem Politikwissenschaften studiert hatte, Film. Und sie sammelte praktische Erfahrungen an verschiedenen Produktionsstätten. Zu ihren Vorbildern zählt die Pionierin der feminisitischen Pornofilme Candida Royalle. Sie liebt unter anderem Werke der französischen Filmproduzentin Ovidie. Linda William's Arbeit namens Hard Core: Power, Pleasure and the Frenzy of The Visible habe sie dazu ermutigt, ihre eigenen Sex-Film-Ideen zu verwirklichen. Seit 2005 produziert sie unter dem Namen Erika Lust Filme. Zehn Jahre später zählen nach eigenen Angaben der Geschäftsfrau 15 Personen zu ihren Mitarbeitern. Mit weiteren 15 Frauen arbeite sie an weiteren Spielfilmen, Büchern und ihrem Projekt namens XConfessions.


Anonyme Geständnisse als Inspiration

eVivam: XConfessions (Confession heißt übersetzt Geständnis) ist Ihr jüngstes Projekt. Unter diesem Titel haben Sie bis jetzt 70 Sex-Kurzfilme gedreht. Was verbirgt sich dahinter? Erika Lust: Ich drehe Sex-Geschichten. Die Ideen dafür stammen von Sehnsüchten der Öffentlichkeit: die Mitglieder. Ich setze sie in kreative, künstlerische, filmische und ausdrücklich erotische und mit positivem Sex besetzten Erzählungen um: meine Antwort auf stereotypische billige Porno-Bilder. Anders als bei vielen anderen Plattformen für Erwachsene, finden Zuschauer hier eine Geschichte oder Kulisse kein zweites Mal. Jeder Kurzfilm ist eine individuelle Geschichte, die eine Vielfalt von Situationen, Charakteren, Fetischen und Arten zeigt, wie Menschen Sex haben.


eVivam: Die Öffentlichkeit, von der Sie sprechen, sind Mitglieder Ihres Projektes. Das basiert auf Crowdsourcing.
Erika Lust: Ja. Das liebe ich an dem Projekt besonders. Es gibt über 140.000 aktive Mitglieder und mehr als 500 Geständnisse. Pro Monat suche ich cirka zwei Geständnisse aus und mache daraus zwei Kurzfilme. In einem der jüngsten Werke lädt ein lesbisches Paar einen Mann ein, um mit ihm eine großartige Zeit im Bett zu verbringen.
eVivam:
Sie haben unter anderem Genderforschung studiert. Wie sieht es mit der Verteilung Ihrer Zuschauer aus? Schauen mehr Frauen oder Männer zu?
Erika Lust: Da XConfessions ausschließlich anonyme Geständnisse seiner Mitglieder sammelt, ist es schwierig, exakte Statistiken zu nennen. Allerdings sind 40 Prozent unserer Mitglieder Frauen und 60 Prozent Männer.

Viel Arbeit: nicht nur vor der Kamera

Sex soll in den Lust-Filmen, erhältlich als DVDs und als Einzel- und Serien-Downloads gibt, für Spaß und Leidenschaft stehen. Lust: „Sie reflektieren meinen Blick auf Sex als etwas Gesundes und als natürlichen Teil des Lebens, den wir zelebrieren sollten. Ich zeige Frauen und Männer als sexuelle Kooperateure. Ich versuche, sie dabei so ästhetisch und hinreißend wie möglich aussehen zu lassen."


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