Sand, Sand, Sand. Dazwischen ein Band schwarzgrau flirrenden Asphalts, ab und zu ein vertrockneter Busch, ab und zu ein Hund, eine Töle: dünn, grau - nichts. Ich sitze auf der ledernen Rückbank eines Geländewagens und blicke auf eine immer gleiche Szenerie, die eintönig vorbeizieht und vergeblich versucht, eine Landschaft zu sein. Ein paar schiefe Lehmhäuser verschwinden links und rechts hinter uns, eine Tankstelle taucht auf.
Wir gleiten an ihr vorbei. Sand, Sand, Dünen. Ich bin auf dem Weg zu einem der eindrucksvollsten und gleichsam befremdlichsten Bauprojekte der Welt, das in dieser menschenfeindlichen Ödnis beinahe so übernatürlich wirkt und traumhaft wie eine Fata Morgana und das sich rund eineinhalb Autostunden nördlich der Pilgerstadt Mekka befindet, am Roten Meer und auf halbem Weg nach Medina.
Dann, nach ein paar Hundert Metern, führt die Prachtstraße unter zwei mächtigen, von Kuppeln gekrönten Torbögen hindurch, aus sandfarbenem Mauerwerk in orientalischem Stil errichtet. Das Bauwerk bildet in gewisser Weise die Einfahrt zu einer Grandiosität, ja einer Utopie im Niemandsland: der King Abdullah Economic City (kurz: KAEC, ausgesprochen wie englisch „cake“), einer Retorten-, einer Zukunfts-, einer Traumstadt, von Abertausenden Arbeitern aus dem Sand und Geröll der Mala’laq-Wüste gewühlt, geschält und geschaufelt. Baukosten: mehr als 80 Milliarden Euro.
Ein halbes Dutzend Siedlungen sind bereits errichtet, mehr als 6.500 Wohnungen und Villen, auch ein Gewerbegebiet. Dahinter erstreckt sich das blaue Rote Meer unter einem wüstenfarbenen Schleier. 50.000 Menschen sollen hier bis 2020 leben, irgendwann um das Jahr 2030 herum dann zwei Millionen und fast noch einmal so viele in den Außen- und Randbezirken.
So jedenfalls sieht es der Plan der saudischen Königsfamilie vor, die ihr Land auf eine „Zukunft nach dem Öl“ vorbereiten und die KAEC, die einzige börsennotierte Stadt der Welt, zu einem neuen Handelszentrum aufbauen will und als Konkurrenz zu Dschabal Ali in Dubai, dem größten Hafen in dieser Weltgegend.
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