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Systemingenieur: "Ich muss das Geld nicht unterm Kopfkissen bunkern"

In der Serie "Kontoauszug" stellen wir regelmäßig Menschen vor, die erzählen, wie viel sie verdienen, wofür sie ihr Geld ausgeben - und wie viel sie monatlich auf die Seite legen. Hier berichtet der 27-jährige Aymen Younis* aus Süddeutschland.


Mein Job

Beruf: Ich arbeite als Systemingenieur für einen Automobilzulieferer. Dabei bin ich dafür verantwortlich, dass die Fahrzeuge im Bereich Cybersicherheit bestimmten Anforderungen entsprechen. Ähnlich wie bei der Sicherheit im Falle eines Unfalls gibt es auch bei der Cybersecurity Standards, die ein Auto erfüllen muss, um Manipulationen vorzubeugen. Denn neuere Autos speichern und verarbeiten extrem viele Daten, die geschützt werden müssen. Immer wieder gab es in der Vergangenheit Berichte von Fahrzeugen, die auf der Autobahn gehackt werden, oder von Funkautoschlüsseln, die ausgelesen und einfach nachgebaut werden. Genau das müssen wir verhindern.

Meine Aufgabe ist, zwischen den Kunden, der juristischen Abteilung meiner Firma sowie den Software- und Hardwareentwicklern zu vermitteln. Ich koordiniere, verbringe viel Zeit in Videocalls und kläre ab, was technisch und finanziell umsetzbar ist und was nicht. Die Wünsche der Kunden muss ich in einen klaren Arbeitsauftrag zum Beispiel an die Softwareabteilung übersetzen, damit man dort weiterarbeiten kann. Und das eben in allen Prozessschritten. Ich erstelle Konzepte, was mit einem Fahrzeug von der Entwicklung bis zur Verschrottung passiert, damit während dieser Zeitspanne alles gesichert ist. Um adäquat zwischen den Bereichen vermitteln zu können, muss ich die einzelnen Schritte verstehen und mich dementsprechend in alles einarbeiten.

Ausbildung: Meine Mutter ist als Kind nach Deutschland gekommen und dadurch automatisch in die Hauptschule gesteckt worden. Ihr ist also aus Systemgründen und durch das und Unwissen ihrer Eltern verwehrt worden, einen höheren Schulabschluss zu machen. Umso wichtiger war ihr meine Bildung. Ich habe ein passables Abitur gemacht. Da mein Vater und Großvater selbst bei Automobilfirmen gearbeitet haben, hatten mir meine Eltern die Ingenieursrichtung vorgeschlagen, aber das wollte ich nicht direkt machen, sondern mich etwas ausprobieren. Deshalb habe ich ein Jahr lang in Berlin Biologie studiert. Das Studium habe ich abgebrochen, weil es nicht das Richtige für mich war, es hat mich doch nicht interessiert. Anschließend habe ich mich in Maschinenbau eingeschrieben. Und ich habe schnell gemerkt, dass mir das besser gefällt. Mit einem Auslandssemester in Japan habe ich das bis zum Bachelor durchgezogen und anschließend noch einen Master gemacht. Während meines Studiums habe ich immer in Nebenjobs gearbeitet, die meiste Zeit im Bereich Ingenieurwesen. Meine Eltern konnten mich lange Zeit finanziell nur wenig unterstützen. Sie hatten aber zu viel , als dass mir eine Bafög-Förderung zugestanden hätte. Dass ich immer nebenbei arbeiten musste, war anstrengend, hat mich aber gut auf den Beruf vorbereitet. Nach meinem Abschluss im Jahr 2021 habe ich mich dann auf verschiedene Stellen beworben. Die Branche war damals etwas in der Krise, deshalb war das nicht ganz einfach. Am Ende fand ich die Stelle, in der ich jetzt arbeite, am interessantesten.

Arbeitszeit: Üblicherweise fange ich zwischen 8 und 9 Uhr morgens an zu arbeiten. Je nachdem, wie viele Überstunden ich angesammelt habe, mache ich zwischen 17 und 18 Uhr Schluss. Da die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, weltweit leben, kann sich das aber auch verschieben. Da muss ich mich an die Zeitverschiebung anpassen. Das stört mich aber kaum, an den meisten Tagen arbeite ich von zu Hause aus. Maximal zwei Tage in der Woche gehe ich ins Büro. Im Durchschnitt arbeite ich nach diesem Prinzip 40 Stunden pro Woche. Klar ist das manchmal mehr, auch Dienstreisen brauchen viel Zeit. Dafür nehme ich mir an anderen Tagen mal frei oder höre früher auf.


Meine Einnahmen

Brutto: Aktuell bekomme ich ein Bruttogehalt von ziemlich genau 6.000 Euro.

Netto: Davon bleiben mir monatlich 3.660 Euro übrig.

Wie mich die Inflation betrifft: Am deutlichsten spüre ich die Preissteigerungen bei der Gasrechnung. Dieser Betrag hat sich zwischenzeitlich verdreifacht. Ich heize nun etwas weniger. Auch Lebensmittel und Restaurantbesuche sind teurer geworden, da schränke ich mich allerdings nicht ein. Strom einsparen kann ich kaum, weil ich schon vor der Energiekrise alle Lampen auf LED umgestellt und vor allem energiesparende Geräte gekauft habe.


Meine Ausgaben

Wohnen: Mit meiner Lebensgefährtin wohne ich in einer Vierzimmerwohnung mit Balkon, die etwa 80 Quadratmeter misst. Wir wollten ein Arbeitszimmer haben, ansonsten hätten uns drei Zimmer auch gereicht. Mit dieser Wohnung hatten wir Glück, sie war nicht zu teuer. Ich verdiene mehr als meine Lebensgefährtin, deshalb übernehmen wir einen unterschiedlich hohen Anteil der Mietkosten - ich etwa 60 und sie 40 Prozent. So kann auch sie etwas Geld zurücklegen und ist besser abgesichert, sollte unsere Beziehung beispielsweise irgendwann enden. Für Miete und Nebenkosten zahle ich allein etwa 910 Euro. Darin enthalten ist neben der Miete auch ein kleiner Puffer, falls die Gastherme gereinigt werden muss oder ähnliche Ausgaben anstehen. Dieses Geld geht von einem gemeinsamen Konto ab, sonst haben wir getrennte Konten.

Telefon und Internet: Für unseren Internetvertrag geben wir 40 Euro aus. Auch hier wenden wir unsere 60:40-Aufteilung an, ich zahle also 24 Euro davon. Mein Handy kostet mich 12 Euro im Monat, weil ich noch einen Jugendtarif für Menschen unter 28 habe. Zusammengerechnet sind das 36 Euro.

Lebensmittel: Die Ausgaben für Lebensmittel teilen meine Lebensgefährtin und ich fifty-fifty. Wir kochen sehr viel zu Hause, deshalb geben wir dafür auch einiges aus. Oft gehen wir beispielsweise in einen asiatischen oder einen indischen Supermarkt, um spezielle Zutaten zu bekommen. Mich kosten Lebensmittel allein etwa 275 Euro im Monat. Zusätzlich zahle ich noch circa 300 Euro für Bar- und Restaurantbesuche sowie Essensbestellungen. Ich schätze, wir lassen uns mindestens zweimal in der Woche bekochen. Abhängig davon, wie stressig die Arbeit ist, bestellen wir auch mal mehr. Nach einem Videocall bis 22 Uhr möchte man nicht unbedingt in der Küche stehen.

Hygiene & Wellness: Für Shampoo, Zahnpasta und alle weiteren Drogerieartikel, die man so braucht, gebe ich etwa 20 Euro im Monat aus. Wenn ich zum Friseur muss, gehe ich zum Türken an der Ecke. Weil das aber nur alle drei Monate der Fall ist, sind das im Schnitt maximal 10 Euro. Außerdem trage ich Kontaktlinsen. Wenn man deren Kosten auf den Monat herunterrechnet, kommen noch einmal 15 Euro dazu. Insgesamt zahle ich also 45 Euro im Monat für Hygieneartikel.

Kleidung: Im vergangenen Jahr habe ich mit 320 Euro pro Monat überdurchschnittlich viel Geld für Kleidung ausgegeben, normal dürften eher so 125 Euro monatlich sein. Aber ich brauchte einen Anzug, Hemden, Schuhe et cetera für die Arbeit. Seitdem muss ich nicht mehr in meinem Abioutfit zu Geschäftsterminen gehen. Immer mal wieder verkaufe ich Kleidung, die ich nicht mehr trage, in Secondhand-Onlineshops. Hier ist es von Vorteil, wenn es Markenklamotten sind, die einen gewissen Wiederverkaufswert haben.

Abonnements: Mit meiner Freundin teile ich mir ein ZEIT-Kombiabo. Außerdem beteilige ich mich an einem Familienaccount bei Spotify. Und wenn man den Rundfunkbeitrag als Abo sehen will, kommen da auch noch einmal rund 18 Euro dazu. Mein Anteil an all dem beträgt monatlich etwa 27 Euro. 

Transport/Mobilität: Ich habe ein übertragbares Abo für die Bahn, das kostet 70 Euro pro Monat. Weil ich aber nur zweimal in der Woche ins Büro fahre, kann das meine Freundin mitbenutzen. Ein eigenes Auto habe ich nicht, will ich auch nicht, solange ich nicht muss. Dafür nutze ich Sharingangebote. Für eine gelegentliche Autofahrt oder einen gemieteten E-Scooter zahle ich noch einmal 15 Euro im Monat. Zusammen ergibt das Kosten in Höhe von 85 Euro.

Freizeit: In meiner Freizeit habe ich eine Reihe von Kosten, die regelmäßig anfallen. 40 Euro zahle ich für das Fitnessstudio. Dahin gehe ich dreimal in der Woche, um einen Ausgleich zur Arbeit zu haben, in der ich größtenteils sitze. Ein weiteres Hobby von mir ist die Analogfotografie. Dafür zahle ich circa 20 Euro im Monat, beispielsweise um Filme zu entwickeln. Außerdem sammle ich Schallplatten. Rund 40 Euro investiere ich in sie jeden Monat. Und ich lerne Japanisch. Bisher habe ich 20 Euro im Monat gezahlt, um eine Lernsoftware nutzen zu dürfen. Weil ich nicht vorhabe, mit dem Japanischlernen aufzuhören, habe ich bei der Software allerdings nun eine lebenslange Lizenz gekauft. Die kostete mich einmalig 150 Dollar. Wenn man dann noch Kino- und Konzertkarten und hin und wieder ein Computerspiel dazurechnet, komme ich im Freizeitbereich auf etwa 170 Euro im Monat. 

Reisen: Im vergangenen Jahr habe ich rund 350 Euro monatlich für Reisen ausgegeben. Ich war mit Studienfreunden länger unterwegs und eine weitere große Reise habe ich mit meiner Freundin unternommen. Hinzu kommen kleinere Ausflüge innerhalb Deutschlands. Dafür nutze ich vor allem die Bahn. Gleichzeitig will ich auch mal weit weg sein und viel erleben, dabei kann ich nicht aufs Fliegen verzichten. Ich bin mir aber bewusst, dass das übel ist fürs Klima.

Versicherungen: Ich habe eine betriebliche Altersvorsorge, die mich im Monat etwa 115 Euro kostet. Zudem zahle ich monatlich 85 Euro für eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Ein Haftpflicht-/Hausratskombitarif kostet mich noch mal sechs Euro im Monat. Insgesamt gebe ich im Monat also 206 Euro für Versicherungen aus.

Sparen und Investitionen: Jeden Monat zahle ich 1.000 Euro in ETF ein. Aktuell habe ich dort 26.000 Euro investiert. Außerdem habe ich ein kleines Depot mit Aktien im Wert von 2.500 Euro. Darum kümmere ich mich aber kaum, sodass es keinen Sinn hat, das zu behalten. Auch dieses Geld werde ich dann in die ETF investieren. Überspitzt gesagt: Als Migrantenkind habe ich keine Großeltern, von denen ich drei Häuser erben werde. Deshalb muss ich mich selbst um den Vermögensaufbau kümmern. Davon kann ich mir später vielleicht mal ein Haus kaufen oder mich mit etwas Startkapital selbstständig machen. Außerdem habe ich rund 2.500 Euro auf einem Festgeldkonto und einen Puffer von 10.000 Euro auf einem Tagesgeldkonto, auf den ich jederzeit zugreifen kann, sollte das nötig sein. Damit bin ich finanziell unabhängig von meinen Eltern oder jemand anderem. Insgesamt habe ich also in etwa 40.000 Euro angespart.

Spenden: Ich spende jeden Monat 70 Euro. Jeweils 20 Euro gehen an Reporter ohne Grenzen, an die Welthungerhilfe und die Tafel hier vor Ort. Noch einmal 10 Euro spende ich an ein Tierheim.  

Was am Ende übrig bleibt

Wenn ich alle Kosten abziehe, bleiben mir aktuell am Monatsende rund 60 Euro übrig. Im vergangenen Jahr habe ich mir dieses Geld auf einem Tagesgeldkonto beiseitegelegt und einen finanziellen Puffer aufgebaut. Ich möchte, dass am Ende des Monats immer ein Plus auf dem Konto ist. Zumindest ein kleines. Wenn es mehr ist, gebe ich das mittlerweile aus und gönne mir was. Beispielsweise eine Massage oder ich probiere ein neues Hobby aus. Ich habe mir vor ein paar Monaten ein Keyboard gekauft und Klavierspielen geübt. Das war dann nicht so meins, deshalb habe ich es wieder verkauft. Aber einen Versuch war es wert. Ich gebe das Geld gerne aus, ich muss es nicht unterm Kopfkissen bunkern.

*Der Name des Protagonisten wurde geändert, ist der Redaktion aber bekannt.

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