17 Abos und 4 Abonnenten
Artikel

Assistenzvermittlerin: "Reisen kann ich mir einfach nicht leisten"

In der Serie Kontoauszug stellen wir regelmäßig Menschen vor, die erzählen, wie viel sie verdienen, wofür sie ihr Geld ausgeben - und wie viel sie in Zeiten hoher Inflation zurücklegen können. Hier berichtet Giulia Beck*, 33, die als Fallmanagerin in der Integrationshilfe arbeitet.

Mein Job

Beruf: Ich bin Fallmanagerin bei einem Träger, der sich auf Schulbegleitung und Familienhilfe spezialisiert hat. Ich koordiniere dort die Inklusionshilfe: Inklusionskräfte begleiten Kinder mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen, damit sie in die Schule oder den Kindergarten gehen können. Dafür arbeite ich mit den Eltern, den Schulen und anderen öffentlichen Stellen zusammen, besonders mit den Jugendämtern. Das fängt oft damit an, dass sich das Jugendamt bei uns meldet, um eine Begleitung für ein Kind zu suchen, dem gerade eine bestimmte Zahl an Unterstützungsstunden genehmigt wurden. Die Anzahl hängt vom individuellen Bedarf des Kindes ab, das können zwischen 5 und 40 Stunden pro Woche sein. Ich suche dann in unserem Team nach jemandem, der mit der Ausbildung und Erfahrung zu dem Kind passt. Meistens sind die Mitarbeitenden bei uns in Teilzeit angestellt, wenn ich da niemanden finde, suche ich auch extern Hilfe. Oft werde ich zum Beispiel über das Jobportal der Arbeitsagentur fündig.

Das Problem ist: In Deutschland gibt es keine anerkannte Ausbildung für Inklusionskräfte. Oft arbeiten wir deshalb mit Erziehern und Heilerziehungspflegerinnen zusammen, manchmal sind es aber auch Quereinsteiger. Sie sollten bereits im ausgeschriebenen Bereich gearbeitet und entsprechende Weiterbildungen gemacht haben. Wir versuchen so gut wie möglich, auf den besonderen Bedarf jedes Kindes einzugehen und die bestmögliche Unterstützung zu gewährleisten. Dafür spreche ich erst mit den Eltern darüber, was das Kind braucht, und dann mit den Lehrerinnen und Lehrern darüber, was es in der Schule erwartet. Viele Eltern müssen sehr lange warten, bevor sie ihr Kind in den Kindergarten oder die Schule schicken dürfen, einige müssen vor Gericht gehen, damit eine Inklusionshilfe bewilligt wird. Wir leben in einem sehr bürokratischen Staat, der für manche Entscheidungen oft lange braucht - das ist nicht immer zum Wohle des Kindes, aber nicht einfach zu ändern.

In Sachen Inklusion gab es durchaus schon Fortschritte, schließlich gibt es in Deutschland seit der UN-Behindertenrechtskonvention die Möglichkeit, dass Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam unterrichtet werden, aber die Situation bleibt für viele zu schwierig. Dass Kinder zum Beispiel monatelang nicht in die Schule gehen können, weil ein Bescheid vom Jugendamt fehlt, ist für mich ein Unding. Auch stellen die Ämter oft zu wenig zur Verfügung, um den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden. Ich vermittle also ständig zwischen den unterschiedlichen Stellen, um für alle das Beste rauszuholen - vor allem für die Kinder natürlich. Zudem organisiere ich auch Weiterbildungen für unsere Angestellten. Kurz: viel Koordination, Telefonate, Papierkram. Trotzdem bin ich glücklich mit meinem Job.

Ausbildung: Die Fallmanager in meinem Unternehmen sind häufig Pädagoginnen oder Pädagogen, einige kommen auch aus der Sozialarbeit. Ich selber habe auch eine pädagogische Ausbildung absolviert. Anschließend habe ich eine Zeit lang selbst als Integrationskraft gearbeitet. Später habe ich dann für einen anderen Arbeitgeber zusammen mit der Arbeitsagentur und dem Jobcenter Schulungen für Arbeitssuchende koordiniert. Karrieremäßig ging es dort aber für mich nicht mehr weiter, deshalb wollte ich wechseln. Mit meiner Erfahrung ist der jetzige Job ein guter Kompromiss zwischen Koordination und pädagogischem Kontext.

Arbeitszeit: Ich habe eine reguläre 40-Stunden-Woche. Meist fange ich um 7.30 Uhr an, um auf mögliche Krankmeldungen reagieren zu können. Wenn ein Kind krank ist, braucht es keine Integrationskraft, und wenn die Helferin oder der Helfer krank ist, muss schnell Ersatz her. Um 16.30 Uhr bin ich meist mit der Arbeit fertig. Grundsätzlich bin ich aber recht flexibel: Ich kann von zu Hause arbeiten oder vom Büro aus - oft ist es eine Mischung.

Meine Einnahmen

Brutto: Brutto verdiene ich im Monat genau 3.200 Euro.

Netto: Ausgezahlt werden mir netto 2.125,73 Euro.

Wie mich die Inflation betrifft: Natürlich spüre ich die steigenden Preise: Lebensmittel werden teurer, beim Benzin merke ich es sehr deutlich, auch beim Heizen. Seitdem wähle ich genauer aus, was ich mir leiste, und nutze mein Auto seltener. Wenn das Geld mal knapp wird, ist es halt nicht möglich, zu einer weiter entfernt wohnenden Freundin zu fahren. Gleichzeitig kann ich mir mein Leben weiter leisten, noch komme ich zurecht.

Meine Ausgaben

Wohnen: Meine Miete beträgt warm und mit Nebenkosten 1.135 Euro, inklusive Garagenstellplatz. Nicht wenig, dafür wohne ich in einer Dreizimmerwohnung mit über 85 Quadratmetern – und das in der Stadt. In meiner Wohnung habe ich ein Arbeitszimmer und ausreichend Platz für mich selbst. Früher habe ich bedeutend beengter gewohnt. Seit ich es mir leisten kann, genieße ich diesen Luxus.

Lebensmittel: Für Lebensmittel plane ich im Monat rund 200 Euro ein. Das schwankt aber immer wieder: Wenn es vergünstigte Angebote gibt, kaufe ich sie. Langfristig spart das Geld. Gleichzeitig kommt es auch vor, dass ich durch den Supermarkt schlendere und einfach zugreife, wenn mich etwas anspricht. Seit einigen Monaten ernähre ich mich nur noch vegetarisch. Auch wenn ich immer wieder Ersatzprodukte ausprobiere, spare ich so viel Geld, weil Fleisch einfach teuer ist. Wann immer es geht, greife ich zu Bio- oder regionalen Lebensmitteln. Meist versuche ich zu Hause zu kochen und mir Essen in die Arbeit mitzubringen. Das gelingt nicht immer, dann gehe ich auch mit Kollegen zum Essen oder wir bestellen bei Lieferando.

Mobilität: Derzeit pendle ich mit meinem Kleinwagen zur Arbeit, jeweils 15 Minuten hin und zurück. Weil meine Freunde sehr verteilt wohnen, kommen noch einige Privatfahrten hinzu. Je nachdem, wie oft ich von zu Hause arbeite, zahle ich für Benzin 50 bis 80 Euro monatlich. Meine Autoversicherung kostet mich auf den Monat gerechnet rund 30 Euro. Zusammengerechnet sind das also bis zu 110 Euro, vereinzelte Fahrten mit dem ÖPNV oder ein selbst geflickter Reifen machen kaum etwas aus. Sobald das 49-Euro-Ticket kommt, werde ich häufiger den Zug nehmen, auch wenn das meist viel länger dauert.

Kredite: Bis zum letzten Jahr hatte ich ein anderes Auto. Doch es wurde durch einen Unfall so stark beschädigt, dass ein neues her musste – das hat circa 4.500 Euro gekostet. Dafür habe ich einen kleinen Kredit aufgenommen, für den ich jeden Monat 106 Euro zurückzahle. Zum Glück ist er bald getilgt. Hinzu kommt ein weiterer Kredit, mit dem ich meinen Umzug finanziert habe. Das sind noch einmal 100 Euro monatlich, aber auch diesen Kredit werde ich bald abbezahlt haben.

Kleidung: Ein- bis zweimal im Jahr bestelle ich besonders viele Klamotten. Ich bin eine klassische Onlineshopperin, in Geschäften kaufe ich kaum Kleidung. Dabei versuche ich, nicht zu viel zurückzuschicken: Etwa 60 Prozent der bestellten Produkte behalte ich. Abhängig davon, wie viel Geld gerade übrig ist, bestelle ich entweder nur das Nötigste oder eben etwas mehr. Der Monatsdurchschnitt der letzten Bestellungen liegt bei rund 30 Euro.

Hygiene: Für Hygieneprodukte würde ich 15 Euro veranschlagen. Viel brauche ich nicht, ich gehe nur selten zum Friseur. Mit den Basisprodukten komme ich meist aus.

Telefon und Internet: Meine Handy-Flatrate kostet mich im Monat 24,99 Euro. Dasselbe zahle ich für meinen Festnetzanschluss und das Internet zu Hause. Das ergibt also gerundet 50 Euro im Monat.

Abonnements: Ich habe jeweils ein Abo bei Netflix und bei Disney+. Zusammen zahle ich dafür 16,98 Euro im Monat, hinzu kommt der Rundfunkbeitrag in Höhe von 18,36 Euro. Macht insgesamt etwa 35 Euro. 

Freizeit: Als Hobby schreibe ich gerne Texte. Dazu brauche ich aber nur meinen Laptop und habe sonst keine laufenden Kosten. Zudem spiele ich Klavier. Dafür habe ich mir ein E-Piano geleast, für das ich monatlich 46 Euro zahle. Sobald das abbezahlt ist, gehört es mir. Musikstunden nehme ich auch, aber wie oft ich meinen Klavierlehrer treffe, hängt vom verfügbaren Geld ab. Im Durchschnitt zahle ich circa 45 Euro monatlich für die Stunden. So komme ich auf eine Gesamtsumme von 91 Euro. Mehr gebe ich für Freizeit wegen der steigenden Preise nur noch sehr selten aus.

Versicherungen: Ich habe eine Kombination aus Unfall-, Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherung. Dafür werden monatlich 52.43 Euro von meinem Konto abgebucht.

Reisen: Geld für Reisen bleibt mir aktuell keines und das wird sich erst mal wohl auch nicht ändern. Reisen kann ich mir als alleinstehende Person einfach nicht leisten. Mein letzter Urlaub ist schon Jahre her. Ferien verbringe ich zu Hause in meiner Wohnung.

Sparen: Jeden Monat lege ich mir 100 Euro beiseite, die auf ein Tagesgeldkonto gehen. Dieses Geld soll mich für Notfälle absichern. Für das Jahr 2023 habe ich mir zudem vorgenommen, das Thema private Altersvorsorge anzugehen. Aktuell tendiere ich dazu, in ETF zu investieren. 

Beiträge und Spenden: Ich bin Mitglied im Mieterschutzbund, das kostet mich im Jahr 80 Euro. Zudem habe ich lange Jahre Geld an das SOS-Kinderdorf gespendet. Das habe ich aber in diesem Jahr ausgesetzt, weil das finanziell nicht mehr drin war. Einmalig habe ich stattdessen dieses Jahr 50 Euro für die Ukraine gespendet. Zusammengerechnet sind das für 2022 also 130 Euro oder circa 11 Euro monatlich.


Was am Ende übrig bleibt

In etwa bleiben mir jeden Monat rund 100 Euro übrig. Das ist nicht viel, aber ich beklage mich nicht. Ich bin zufrieden mit meinem Leben. Das übrige Geld geht meistens für Weihnachtsgeschenke, einen Einkaufbummel oder auch mal ein Knöllchen drauf.


*Der Name der Protagonistin wurde geändert, weil sie berufliche Nachteile vermeiden möchte. Ihr Name ist der Redaktion bekannt.

Zum Original