In der Serie Kontoauszug stellen wir regelmäßig Menschen vor, die erzählen, wie viel sie verdienen, wofür sie ihr Geld ausgeben - und wie viel sie in Zeiten hoher Inflation zurücklegen können. Hier berichtet der 25-jährige Tobias Haller*, der in Cambridge lebt und als Machine Learning Engineer arbeitet.
Mein Job
Beruf: Ich bin Machine Learning Engineer bei einem britischen Bio-Tech-Start-up. Ziel der Firma ist es, mit künstlicher Intelligenz (KI) schneller, billiger und hoffentlich auch besser neue Medikamente zu entwickeln. Das Thema KI wird in der Medizin immer wichtiger, beispielsweise bei der Diagnostik von Tumoren, aber eben auch in der Entwicklung von Medikamenten. Das kann man gut an unserer Firma beobachten: Als ich zu Jahresbeginn dort angefangen habe, waren wir acht Kolleginnen und Kollegen. Mittlerweile sind es 30.
Ich entwickle und programmiere zusammen mit einem Team von vier Leuten Algorithmen, die es Forscherinnen und Forschern ermöglichen, für neue Medikamente weniger Experimente im Labor durchführen zu müssen: Die Algorithmen rechnen durch, ob ein bestimmtes Molekül überhaupt für das Medikament geeignet ist und schließen von vornherein all diejenigen aus, die es nicht sind. Der oft unendlich scheinende Versuch-und-Irrtum-Prozess wird damit zumindest teilweise aus dem Labor ins Digitale verlegt. Das Medikament selber produziert dann aber nicht meine Firma. Wir leisten nur die Vorarbeit und verkaufen diese weiter an die großen Pharmaunternehmen, die die Produktion übernehmen. Dafür braucht es sehr viel Kapital, über das nur die Großen in der Branche verfügen.
Ausbildung: Meine Familie ist vor einigen Jahren nach Großbritannien ausgewandert, nach der Schule habe ich dann auch dort angefangen, Chemie zu studieren. Ziemlich schnell habe ich aber gemerkt, dass Laborarbeit nicht mein Ding ist. Ich fand das sehr stressig - beim kleinsten Fehler musste man wieder von vorne anfangen. Deshalb habe ich mich auf theoretische Chemie konzentriert und dann Programmieren gelernt. Im letzten Studienjahr war ich mir sicher, dass Machine Learning und künstliche Intelligenz im Bereich der Medikamentenentwicklung die Fachgebiete sind, in denen ich gerne weiter arbeiten möchte. Deshalb habe ich dazu eine Promotion begonnen und parallel in Teilzeit in einem Start-up gearbeitet, das meinem jetzigen sehr ähnlich war. Im Vergleich zu meiner Doktorandenstelle an der Uni hat mir die Arbeit erstens mehr Spaß gemacht und war zweitens deutlich besser bezahlt - ich habe mehr als das Doppelte verdient. Nach zwei Jahren habe ich deshalb die Promotion abgebrochen und Vollzeit in dem Bereich gearbeitet. Ich hatte ernsthaft über eine Karriere in der Wissenschaft nachgedacht, habe es aber nie bereut, dass das nichts geworden ist und ich jetzt keinen Doktortitel habe. Mir liegt die technische Arbeit einfach mehr. Und in Softwarejobs wie meinen ist die formelle Qualifikation nicht so wichtig, solange man seine Arbeit gut macht.
Arbeitszeit: Ein großer Vorteil der Firma ist, dass allen klar ist, dass ich meine Arbeit genauso gut von zu Hause oder unterwegs erledigen kann wie im Büro. Ich gehe gerne da hin, aber nur einmal in der Woche. Auch zeitlich bin ich frei, wie ich mir meine Aufgaben einteile. Meist arbeite ich in etwa so viel, wie vertraglich vereinbart ist: Das sind 40 Stunden in der Woche, zwischen 9 und 18 Uhr. Dieser Zeitraum hilft, um sich mit meinen Kollegen auszutauschen, wenn wir an einem gemeinsamen Projekt arbeiten. Wenn ich besonders motiviert bin, können das auch mal mehr als 40 Stunden werden. Das sind dann zwar unbezahlte Überstunden, da ich aber Anteile an der Firma halte, zahlt es sich für mich aus, wenn das Start-up Erfolg hat und irgendwann Profite macht. Außerdem leisten wir mit unserer Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft. Würde ich in einer Werbeagentur arbeiten, wäre ich sicherlich weniger motiviert. Indirekt profitiere ich also doch davon.
Bruttoeinkommen: Im Jahr verdiene ich rund 95.000 britische Pfund. In Euro sind das aktuell knapp 109.000. Heruntergerechnet auf den Monat lande ich bei etwa 9.000 Euro vor Steuern.
Nettoeinkommen: Abzüglich Steuern bleiben mir 4.511 Pfund oder etwa 5.170 Euro übrig.
Wie mich die Inflation betrifft: Auch in Großbritannien spüren die Menschen die Inflation und leiden unter hohen Energiekosten. Mich betrifft das noch nicht so stark, weil bei mir die Energiekosten in der Miete enthalten sind, und die wurde noch nicht erhöht - auch wenn das sicher irgendwann passiert. Lebensmittel werden zwar merkbar teurer, aber nicht alle: Bei Nudeln und Butter spüre ich den Preisanstieg. Ich esse aber besonders gerne Haferflocken und Kartoffeln, die sind weiter günstig.
Meine Ausgaben
Wohnen: Ich lebe zusammen mit meiner Freundin in Cambridge. Gemeinsam haben wir ein Zimmer in einem Haus mit zwei weiteren Mitbewohnern gemietet. Das ist quasi eine große WG. Wir teilen uns Küche, Wohnzimmer und Bad mit den anderen. Das Haus gehört den Eltern meiner Freundin – in der Hinsicht ist die Miete eigentlich ziemlich hoch: Wir zahlen pro Kopf 550 Pfund im Monat, darin enthalten sind die Kosten für Energie, Wasser und Internet. Umgerechnet sind das 630 Euro. Für mich ist das okay, weil ich es als Teil der Altersvorsorge meiner Freundin sehe. Direkt oder indirekt wird sie dieses Geld irgendwann zurückerben. Die meisten unserer Kosten teilen wir uns hälftig – weil ich aber deutlich mehr verdiene als sie mit ihrer Arbeit für eine NGO, machen wir das bei höheren Ausgaben anders. Dann teilen wir die Kosten proportional zu unseren Einkommen. Wenn wir irgendwann in eine eigene Wohnung ziehen, werden wir das ähnlich handhaben.
Lebensmittel: Ich lebe sehr sparsam. Als Doktorand habe ich mir angewöhnt, mich über Foodsharingapps mit einem Großteil meiner Lebensmittel zu versorgen. Es gibt eine Restaurantkette, die nicht verkaufte Sandwiches über die Foodsharinganbieter anbietet statt sie wegzuwerfen, mit dem Ziel, als Zero-Waste-Unternehmen zu gelten. Davon habe ich zeitweise gelebt. Inzwischen mache ich das nur noch einmal pro Woche. Wie viel ich sonst ausgebe, ist schwer zu schätzen – ich zahle mit Kreditkarte und bekomme irgendwann eine Rechnung. Rund 200 Pfund im Monat dürften es etwa für Lebensmittel sein. Für Restaurantbesuche und Lieferessen kommen noch einmal 50 Pfund dazu. Das machen wir aber nicht oft, wir kochen meist zu Hause. Deshalb kaufe ich auch Gemüse auf dem Markt und Brot beim Bäcker. Das ist zwar teurer, aber dafür auch besser. Meine Gesamtkosten liegen also bei 250 Pfund im Monat, das sind knapp 290 Euro.
Hygieneprodukte: Dafür gebe ich kaum Geld aus. Für Basics wie Zahnpasta und Shampoo sind das vielleicht fünf Pfund im Monat. Zum Friseur gehe ich alle drei Monate, dann zahle ich 15 Pfund. Im Durchschnitt macht das also noch einmal 5 Pfund im Monat, damit lande ich bei 10 Pfund an Gesamtausgaben für Hygieneprodukte, etwa 11,50 Euro.
Kleidung: Klamotten kaufe ich fast nie. Ich mag die Kleidung, die ich habe, und die hält sicher noch einige Jahre. Wenn ich doch etwas brauche, kaufe ich Secondhandkleidung. Vor zwei Monaten habe ich eine Hose für zwei Pfund in einem Laden gekauft, der seine Einnahmen karitativen Zwecken spendet. Ich versuche stets, meine Ausgaben zu minimieren, weil ich gerne Geld spare und übermäßigen Konsum für schädlich halte. Deshalb gebe ich für Klamotten maximal 10 Pfund im Monat aus, selbst wenn ich Sportkleidung mit einrechne.
Mobilfunk: Für meinen Handyvertrag zahle ich sechs Pfund pro Monat, also etwas unter sieben Euro. Alles Weitere ist in den Mietkosten schon enthalten.
Abonnements: Ich habe nur ein Abo. Netflix nutze ich über meine Freundin, Spotify oder Zeitungsabos habe ich nicht. Deshalb bleibt nur eine Sprachlernapp, dafür zahle ich pro Jahr circa 62 Pfund, also rund 5 Pfund oder etwa 5,70 Euro monatlich. Ich lerne gerade Italienisch und Französisch.
Mobilität: Ein Auto habe ich nicht, möchte ich nicht und brauche ich auch nicht. Das meiste erledige ich mit dem Fahrrad oder zu Fuß. Für Reparaturen und Ersatzteile gebe ich vielleicht 15 Pfund im Monatsdurchschnitt aus. Zur Arbeit fahre ich mit dem Zug, aber diese Kosten erstattet das Unternehmen. Je nach Zug würde das pro Arbeitstag zwischen 16 und 32 Pfund kosten, also bis knapp 37 Euro.
Freizeit: Die meisten meiner Freizeitaktivitäten kosten kaum etwas. Mit Freunden spiele ich gerne Squash und Tennis. Weil die aber Doktoranden sind und deshalb die Squashplätze an ihrem College kostenlos nutzen dürfen, zahle ich dafür nichts. Auch Tennisplätze sind hier öffentlich zugänglich. Selbst meinen Tennisschläger habe ich auf einer Sharingplattform kostenlos bekommen. Gelegentlich gehe ich ins Fitnessstudio, für das zahlt aber mein Arbeitgeber die Gebühr in Höhe von 42 Pfund, etwa 48 Euro. Dort gibt es auch eine Sauna, die ich sehr gerne nutze. Zudem lese ich gerne, leihe mir aber Bücher oder kaufe sie gebraucht. Außerdem steht in meinem Zimmer ein E-Piano, auf dem ich viel zu selten spiele.
Versicherungen: In Großbritannien wird die öffentliche Krankenversicherung über Steuern finanziert, niemand muss Versicherungsbeiträge zahlen. Zudem hat mein Arbeitgeber eine private Krankenversicherung für mich abgeschlossen, für die das Unternehmen 41,75 Pfund monatlich zahlt, knapp 48 Euro. Darüber sind Dinge wie Brillen und Zahnarztkosten gedeckt. Sonst habe ich keine Versicherungen, nicht mal eine Haftpflicht. Ich meide sie grundsätzlich, weil ich lieber das Risiko eingehe, mögliche Kosten am Ende selber zu tragen. Ich bin überzeugt, dass sonst immer die Versicherung verdient.
Reisen: Im Gegensatz zu meinem sonstigen Lebensstil bin ich beim Reisen überhaupt nicht sparsam. Innerhalb Europas versuche ich zwar, nur mit dem Zug zu reisen, und auch insgesamt fliege ich selten. Trotzdem verbraucht man unterwegs immer mehr als zu Hause. Ich mache zum Beispiel gerne Workation, also eine Mischung aus Reise und Arbeit. Sowohl meine Freundin als auch ich können von unterwegs arbeiten, deshalb geht das. Aktuell bin ich für einen Monat in einem afrikanischen Land, im Frühjahr bin ich für zwei Monate mit meiner Freundin durch Italien gereist. Unter der Woche haben wir gearbeitet, am Wochenende sind wir mit dem Interrail-Ticket von einem zum nächsten Airbnb gefahren. Außerdem waren wir zwei Wochen in Wales und haben eine Woche lang ganz klassischen Urlaub auf den Isles of Scilly gemacht.
Ich mache auch gerne Fahrradtouren und habe mir dafür vor einigen Jahren ein gutes Rad zugelegt. Mit dem Rad bin ich beispielsweise von Großbritannien bis nach Amsterdam gefahren, inklusive Fähre geht das an einem langen Wochenende. Mit meiner Freundin habe ich mir zudem ein Tandemrad gekauft, das hat pro Kopf 960 Pfund gekostet, etwa 1.100 Euro. Vielleicht war all das eine Reaktion auf Corona, als man gar nicht reisen konnte. Mittlerweile freue ich mich fast schon auf den Winter, um endlich mal nur zu Hause zu sein. Die Ausgaben für unseren Italien-Aufenthalt habe ich zu zwei Dritteln übernommen. In diesen zwei Monaten haben wir unser Zimmer an einen Untermieter abgegeben, das hat die Kosten etwas gedrückt. Trotzdem habe ich dafür rund 2.500 Pfund ausgegeben, knapp 2.900 Euro. Wenn ich die übrigen Reisen dazurechne und auf eine Monatssumme herunterbreche, komme ich auf 420 Pfund, etwa 480 Euro.
In Zukunft würde ich gerne mit dem Segelboot reisen, vielleicht sogar darauf leben. Darauf spare ich derzeit. Wenn es finanziell möglich ist, würde ich irgendwann gerne in Teilzeit arbeiten – sechs Monate freischaffend an Projekten arbeiten und den Rest der Zeit mit dem Boot unterwegs sein, das ist der Traum. Je nachdem, wie neu das Boot ist und wie es ausgestattet ist, müssen wir dafür aber mit 25.000 Pfund und mehr rechnen.
Sparen: Fast das gesamte Geld, das ich nicht ausgebe, investiere ich. Der Großteil geht in eine Pensionskasse, weil man dadurch in Großbritannien ziemlich viel der Einkommensteuer zurückerstattet bekommt. Dieses Geld fließt dann ebenfalls in diese Pension. Ich zahle im Durchschnitt 2.000 Pfund monatlich ein. Wenn man die Rückerstattung dazurechnet, sind es aber rund 3.900 Pfund, knapp 4.500 Euro. An dieses Geld komme ich nicht ran, bis ich 55 Jahre alt bin – das stört mich aber nicht, weil ich auf jeden Fall vorhabe, so lange zu leben und das Geld im Alter brauchen werde. Darüber hinaus zahle ich noch einmal 1.000 Pfund, also etwa 1.150 Euro, auf ein weiteres Konto ein. Dieses Geld wird in Aktien und Fonds meiner Wahl investiert, durch eine Sonderregelung in Großbritannien zahle ich darauf keine Kapitalertragssteuer. Meist nutze ich Fonds, die das Geld breit streuen, um gut abgesichert zu sein. Insgesamt habe ich so 135.000 Pfund investiert, das sind fast 155.000 Euro. Auf mehr als die Hälfte des Geldes habe ich aber keinen direkten Zugriff, selbst wenn ich es sofort bräuchte.
Was am Ende übrig bleibt
Ich versuche dauerhaft, circa 1.000 Pfund auf meinem Konto zu behalten, falls etwas Unvorhergesehenes passiert. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass ich plötzlich meinen Job verliere, deshalb muss ich auch nicht mehr Geld herumliegen lassen.
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