In der Serie Kontoauszug stellen wir regelmäßig Menschen vor, die erzählen, wie viel sie verdienen, wofür sie ihr Geld ausgeben - und wie viel sie monatlich auf die Seite legen. Hier berichtet die 43-jährige Rita Schöllers*, die als Bezugstherapeutin für Suchtkranke in einer Vorsorgeeinrichtung arbeitet. Zudem ist sie freiberufliche Psychotherapeutin.
Beruf: Eigentlich bin ich ausgebildete Psychologin, angestellt bin ich laut Arbeitsvertrag aber als Sozialpädagogin. Als solche arbeite ich in der Suchthilfe, genauer gesagt in einer sogenannten Vorsorgeeinrichtung. Menschen, die alkoholabhängig sind, machen erst in einem Fachkrankenhaus eine Entgiftung - anschließend kommen sie zu uns und sollen sich stabilisieren, runterkommen und schauen, wie es weitergeht für sie.
Wir sind also eine soziale Rehabilitationseinrichtung. Die Patientinnen und Patienten leben bei uns in Wohngruppen, immer acht bis zehn Personen in Häusern mit eigenen Schlafzimmern, einer Küche und einem Gemeinschaftsraum. Als sogenannte Bezugstherapeutin bin ich für eine dieser Gruppen die Ansprechpartnerin: Ich kümmere mich um all ihre Anliegen, führe Einzelgespräche und unterstütze sie dabei, sich im Leben zurechtzufinden.
Die meisten Menschen, die zu uns kommen, haben eine lange Suchtgeschichte hinter sich, manche haben Haftstrafen, Arbeitslosigkeit und Missbrauch erlebt. Psychisch sind sie meist nach dem körperlichen Entzug noch sehr labil. Deshalb ist der Umgang mit manchen schwierig, andere dagegen machen es mir leicht - je motivierter, desto kooperativer sind sie. Mich berühren die Patienten, die zu Anfang häufig sehr niedergeschlagen sind, sich im Laufe der Zeit erholen und nach einigen Monaten unsere Einrichtung stabilisiert verlassen. Ich mag die Dankbarkeit, die einem zurückgegeben wird, und die verschiedenen Charaktere, die man Laufe der Zeit immer besser kennenlernt.
Nebenher arbeite ich freiberuflich als Psychotherapeutin in einer Praxis, dort helfe ich Menschen mit Depressionen, halte Paartherapien ab und berate, wie man Stress besser bewältigen kann. Dieses Angebot zieht ein grundlegend anderes Klientel an. Ich kann dabei flexibler arbeiten als in der Rehabilitationseinrichtung.
In der privaten Praxis behandle ich stundenweise einzelne Personen oder gebe einen wöchentlichen Kurs. In meinem Hauptberuf mache ich zusätzlich Gruppentherapien und arbeite in einem interdisziplinären Team. Ich kann nicht sagen, dass ich einen der beiden Arbeitsplätze lieber mag. Bei beiden Tätigkeiten muss ich am Ende des Tages aufpassen, dass ich mich abgrenze und die persönlichen Schicksale nicht mit nach Hause nehme. An den meisten Tagen schaffe ich es, an manchen Tagen nicht so gut.
Ausbildung: Nach dem Abitur habe ich ein Soziologiestudium begonnen, war damit aber zu dem Zeitpunkt völlig überfordert. Ich stand da mit 500 anderen Studierenden und habe mich ziemlich verloren gefühlt: Niemand war da, der mir gut zugeredet hat. Das war nichts für mich. Ich bin ein Mensch mit hohem Sicherheitsbedürfnis und habe deshalb ganz konservativ lieber eine Ausbildung zur Buchhändlerin angefangen. Schon immer habe ich Bücher geliebt und dachte, ich könnte mein Hobby zum Beruf machen. Ich finde noch immer, es ist ein toller Beruf, doch die Bezahlung ist eher mittelmäßig und ein großer Teil des Jobs besteht aus Büroarbeit, wie Nachbestellungen erledigen oder Neueinkäufe organisieren. Nach einer Weile bin ich im Verlagswesen gelandet, als Redaktionsassistentin. Das war in Ordnung, aber nicht sehr erfüllend. Mit etwa 30 Jahren habe ich deshalb parallel zu dem Job ein Psychologie-Studium angefangen und mit einem Master abgeschlossen. Ich habe mich immer schon für menschliches Handeln, Abgründe und unterschiedliche Wahrnehmung interessiert - das Studium lag mir einfach. Eine ehemalige Kommilitonin hat mir danach von einer Stelle in der Suchthilfe erzählt. Kurz darauf habe ich angefangen, als Bezugstherapeutin zu arbeiten und es bis heute nicht bereut.
Arbeitszeit: Ich habe eine 80-Prozent-Stelle und arbeite offiziell 31 Stunden in der Woche. Überstunden mache ich eher selten. Zudem habe ich einen Co-Therapeuten, mit dem ich mir die Arbeit teile. Wenn aber kurz vor Feierabend einer meiner Patienten einen Rückfall erleidet, dann gehe ich natürlich nicht einfach nach Hause - die Person braucht dann zuverlässige Betreuung, bis man eine Lösung für sie findet. Häufiger passiert sowas aber am Wochenende, da gibt es einen Bereitschaftsdienst, der eingreifen kann. Sollte der ausfallen, müssen wir ran. Weil ich zwei Kinder habe, würde mich das aber wohl nur im äußersten Notfall betreffen.
Meistens am Samstag mache ich meine freiberuflichen Therapiesitzungen. Das sind inklusive Vor- und Nachbereitung etwa acht Stunden pro Monat. Insgesamt arbeite ich deshalb 33 Stunden in der Woche.
Brutto: Ich mag meinen Hauptjob. Trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, dass ich überqualifiziert bin. Das schlägt sich auch im Gehalt nieder: Durch meinen Vertrag als Sozialpädagogin verdiene ich geschätzt ein Drittel weniger, als es eine Psychologin täte. Tariflich festgelegt ist mein Bruttogehalt auf 2.778 Euro.
Manchmal denke ich darüber nach, ob ich nicht woanders als Psychologin angestellt werden könnte. Dieser Gedanke verschwindet aber meist schnell wieder, weil ich sehr gut mit meinen Kolleginnen und Kollegen auskomme. Das Positive überwiegt in meinem Job. Durch meine freiberufliche Arbeit kommen dann noch einmal 600 Euro dazu. Zusammengerechnet sind das also 3.378 Euro brutto.
Netto: Von meinem Bruttogehalt in der Suchthilfe bleiben mir netto 1.866 Euro übrig, hinzu kamen im letzten Jahr Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie ein Corona-Bonus. Zusammengerechnet waren das einmalig ca. 1.450 Euro netto in 2021. Abzüglich Einkommenssteuer kommen zu meinem regulären Einkommen 400 Euro durch meine Nebentätigkeit dazu und 438 Euro Kindergeld. Demnach steht mir ein Nettogehalt von 2.700 Euro zur Verfügung. Mein Mann ist selbstständig und verdient in etwa genauso viel. Wir teilen uns die Ausgaben trotzdem nicht genau zur Hälfte. Bei uns hat es sich eingebürgert, dass er manche Kosten trägt und andere ich. Für uns klappt das sehr gut.
Meine Ausgaben
Wohnen: Zusammen
mit meinem Mann und meinen beiden Kindern wohne ich in einem
Einfamilienhaus mit kleinem Garten in Norddeutschland – wegen der Kinder
sind wir aus der Stadt aufs Land gezogen. Zwei Drittel der Kosten dafür
übernimmt mein Mann, den Rest zahle ich. Pro Monat macht das für Miete
und Nebenkosten für mich rund 500 Euro.
Lebensmittel: Unsere Lebensmittel bezahle zu großen Teilen ich. Rund 400 Euro kostet mich das im Monat. Meist achte ich dabei auf nachhaltige Produkte, etwa 60 Prozent kaufe ich in Bioqualität ein. Dazu gehe ich entweder in den Biomarkt oder greife zu den Biolinien der Supermärkte. Den Rest bekomme ich auf dem Wochenmarkt oder im Discounter. Seit der Pandemie gehen wir nicht mehr in Restaurants essen, bestellen aber gelegentlich. Damit kommen noch einmal 50 Euro obendrauf. Das ist nicht viel, aber meist bereiten wir unser Essen zu Hause zu. Am Wochenende kochen wir als Highlight meistens frisch: Das teilen sich mein Mann und ich auf, einer bespaßt die Kinder, während der andere in der Küche beschäftigt ist. Unter der Woche muss es oft schnell gehen, weil wir beide berufstätig sind. Dann gibt es Nudeln oder Chicken Nuggets für die Kinder. Gesamtkosten für Lebensmittel sind also 450 Euro im Monat.
Familie: Kita und Schule sind bei uns kostenfrei, trotzdem kosten Kinder natürlich Geld:
Kleidung, aus der die Kinder schnell wieder rauswachsen, Schulhefte,
Spielzeug, Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke. Hierfür gebe ich pro
Monat etwa 100 Euro aus. Manches kauft auch mein Mann, aber bei uns ist
das Rollenverständnis ziemlich traditionell. Ich bin nicht sicher, ob er
die Kleidergrößen unserer Kinder wüsste, ich habe hier mehr den
Überblick und zahle auch den Großteil.
Hygieneprodukte:
Für meine Kosmetikprodukte, Haarwaschmittel, Zahnbürste und so weiter
gebe ich rund 50 Euro im Monat aus. Zählt man Friseurbesuche dazu, komme
ich im Durchschnitt auf 65 Euro.
Kleidung: Mein großes Hobby ist das Nähen, deshalb stelle ich meine Kleidung zu 80 Prozent selber her: Röcke, Hosen, Oberteile und T-Shirts. Mich entspannt das einfach, das Nähen ist ein super Ausgleich zu Arbeit und Familie. Es macht mir großen Spaß, mir Gedanken über die richtigen Stoffe und Schnittmuster zu machen. Da komme ich in einen richtigen Flow. Zudem ist das Selbernähen natürlich auch nachhaltiger, als immer neue Fast-Fashion-Klamotten zu shoppen. Fertig kaufe ich eigentlich nur Dinge wie Strumpfhosen, Unterwäsche und Schuhe. Rechne ich Stoffe und Materialien mit den fertig gekauften Kleidungsstücken zusammen, komme ich für mich auf etwa 100 Euro im Monat.
Telefon und Internet: Ich
habe einen alten Handyvertrag über elf Euro pro Monat, der
Telefongebühren und mobiles Internet abdeckt. Die Kosten für den
DSL-Anschluss und unser Festnetztelefon übernimmt mein Mann.
Abonnements: Ich habe fast keine Abos. Zeitung lese ich kostenlos online oder in meiner Arbeit und sonst gibt es nur einen Streaminganbieter. 7,99 Euro zahle ich dafür. Hinzu kommen rund 18 Euro für GEZ-Gebühren, wenn man die als Abo zählt. Aufaddiert sind das rund 26 Euro.
Mobilität: Weil wir auf dem Land wohnen, ist für uns das Auto besonders wichtig. Sowohl ich als auch mein Mann haben ein Auto, die Kosten tragen wir jeweils getrennt. Ich tanke für etwa 150 Euro im Monat. Hinzu kommen 100 Euro monatlich für die Autoversicherung und Steuer. Zusätzlich zahle ich noch ein Jahr lang mein Auto ab, das sind 220 Euro im Monat. Und für Reparaturen und Inspektionen würde ich durchschnittlich noch einmal 50 Euro kalkulieren. Zusammen ergibt das Autokosten in Höhe von 520 Euro im Monat. Andere Verkehrsmittel nutze ich kaum.
Freizeit: Wenn die
Kosten für mein großes Hobby, das Nähen, wegfallen, bleibt auch hier
nicht so viel. Als berufstätige Mutter habe ich nicht viel Freizeit. Als
Ausgaben für sowas wie Bücher, Geschenke für Verwandte und Freundinnen
und Deko-Artikel würde ich etwa 200 Euro monatlich ansetzen. Hinzu
kommen Ausgaben für unseren Garten: Sie schwanken je nach Jahreszeit,
aber für Blumenerde, Samen, Pflanzen und Töpfe gebe ich im
Monatsdurchschnitt noch einmal 50 Euro aus. Außerdem haben wir eine
unersättliche Katze, für sie würde ich die Kosten auf ca. 30 Euro im
Monat schätzen. Zusammengerechnet komme ich auf 280 Euro.
Reisen: Die
Urlaube bezahlen mein Mann und ich zu gleichen Teilen. Meist buchen wir
einmal im Jahr ein Ferienhaus in Dänemark und bleiben dort eine Woche
am Meer. Die Anfahrt mit dem Auto ist für uns nicht so weit, das gefällt
auch den Kindern. Insgesamt kostet das rund 1.400 Euro, ich zahle davon
700 Euro beziehungsweise etwa 60 Euro pro Monat. Früher sind wir auch
mal nach Griechenland geflogen, aber durch die Pandemie wurde das
weniger. Auch Kurztrips machen wir kaum, weil wir immer Schwierigkeiten
haben, unsere Katze zu verpflegen. Dadurch sind wir viel zu Hause.
Versicherungen: Ich
habe eine Berufsunfähigkeitsversicherung, für die ich monatlich 45 Euro
zahle. Hinzu kommt eine Unfallversicherung für 120 Euro pro Jahr. Zudem
trage ich die Kosten für unsere Familienhaftpflichtversicherung. Das
sind im Jahr 77 Euro. Wenn ich die jährlichen Versicherungskosten auf
den Monat runterbreche, lande ich bei etwa 16,50 Euro. Zusammen mit der
Berufsunfähigkeitsversicherung zahle ich demnach 61,50 Euro für
Versicherungen.
Sparen und Investitionen: Ich versuche es aktuell mit Aktienhandel. Mein Mann hat damit vor 20 Jahren angefangen, irgendwann bin ich auch eingestiegen. Ich verfolge also die Trends an den Märkten und investiere entsprechend. Beispielsweise sind wir auf die E-Auto-Welle aufgesprungen. Genauso habe ich aber auch in Gold und Silber investiert. Es ist also eine bunte Mischung. Wie viel Geld ich monatlich investiere, lässt sich nur im Durchschnitt berechnen, weil das von der Aktienlage abhängt. Pro Jahr sind das in etwa 3.000 Euro oder eben 250 Euro monatlich. Wenn die Kurslage gerade nicht passt, lege ich Geld, das ich nicht ausgebe, auf mein zweites Konto. Auf diesem Sparkonto sind etwa 10.000 Euro.
Im Grunde sollen die
Aktienwerte später meine Altersvorsorge sein. Ich will von den Gewinnen
also keinen Ferrari kaufen oder eine Weltreise machen, sondern in 20
Jahren meine Versorgungslücke schließen. Aktuell ist mein Aktiendepot
rund 12.000 Euro wert. Wenn ich in Rente gehe, sollen das mal 80.000 bis
100.000 Euro sein, damit ich entspannt leben kann.
Was am Ende übrig bleibt
Auch hier spielt mein Sicherheitsbedürfnis eine Rolle: Ich gehe nie an mein Limit! Auf meinem Konto ist am Monatsende immer Geld übrig, damit ich nicht ins Minus komme. Meistens kann ich in der letzten Woche des Monats abschätzen, wie viel Geld übrig bleibt. Wenn dann noch 600 Euro übrig sind, überweise ich beispielsweise die Hälfte auf mein zweites Konto. Den Rest, in einem durchschnittlichen Monat sind das etwa 300 Euro, lasse ich auf dem Girokonto für Mehrausgaben, falls die Waschmaschine kaputtgehen sollte oder ein neuer Toaster hermuss.
* Der Name der Protagonistin wurde geändert, weil sie berufliche Nachteile vermeiden möchte. Ihr Name ist der Redaktion aber bekannt.
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