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Die WM der ewigen Spiele: Darum ist die Nachspielzeit in Katar so lang

Zehn Minuten Nachspielzeit sind bei der WM in Katar normal Die Extraminuten entsprechen einer neuen Fifa-Regel Zeit für Tore und für Verletzungen: Ein Modell für die Bundesliga?

14:08. 13:08. 10:34. 10:03 Minuten. Etwa eine Halbzeitpause mehr Spielzeit - allein durch drei Partien am Montag, dem zweiten Spieltag bei der Fußball-WM in Katar. So viel Nachspielzeit wie bei dieser Weltmeisterschaft gab es noch nie bei einem großen Turnier. Wir erklären, was es mit der neuen Regelung auf sich hat.


Warum lässt die Fifa so viel nachspielen?


Fifa-Schiedsrichter-Boss Pierluigi Collina erklärte kurz vor dem Start der WM: "Wir wollen nicht, dass es in einer Halbzeit nur 42 oder 43 Minuten aktives Spiel gibt. Das ist nicht akzeptabel." Er rechne mit "sieben, acht oder neun Minuten Nachspielzeit." Das bedeutet konkret: Jede Verzögerung während des Spiels soll an das Ende drangehängt werden.

Bereits bei der WM in Russland waren die Nachspielzeiten länger als man sie beispielsweise aus der Bundesliga kennt, jedoch bei weitem nicht so lang wie nun in Katar. 


Auch in der Champions League werde die Maßnahme der Fifa, des Fußball-Weltverbands, seit ein paar Jahren konsequenter umgesetzt, berichtet Alex Feuerherdt, Schiedsrichter-Experte, unter anderem beim Podcast "Collinas Erben". Er steht der verlängerten Nachspielzeit ambivalent gegenüber.


Mehr Gerechtigkeit, mehr reines Spiel: Die Vorteile der langen Nachspielzeit


Ein wichtiger Grund, weshalb die Fifa die Nachspielzeit anhebt: Sie will gegen Zeitspiel vorgehen, zum Beispiel, wenn Spieler von in Führung liegender Mannschaften bewusst langsam auf dem Platz handeln. Der frühere englische Nationalspieler Jamie Carragher äußerte sich bei Twitter etwa positiv zur neuen Fifa-Regel.


Auch Feuerherdt glaubt: "Regeländerungen wurden grundsätzlich zugunsten der Attraktivität des Spiels und des Spektakels vorgenommen." Des Spektakels. Davon gab es nun schon einiges in der Nachspielzeit. Unter anderem das 2:0 der Niederlade gegen Senegal in der achten Extra-Minute. Oder der Zusammenprall zweier saudischer Spieler in der Partie gegen Argentinien in der siebten Minute drüber. So lange nachspielen, bis es schmerzt?


Mehr Zeit für Verletzungen: Die Nachteile der langen Nachspielzeit


Bei 14 Minuten Nachspielzeit vergeht auch entsprechend mehr Zeit, in der sich Spieler verletzen können auf dem Rasen, wie das bei Saudi-Arabien passiert ist. Gleichzeitig sei das verlängerte Spiel laut Feuerherdt eine "Nervenprobe", für den Schiedsrichter, die Spieler und die Fans. Es gebe unter Unparteiischen das Sprichwort: "Die Nachspielzeit ist der Tod des Schiedsrichters."


Damit sei all das Unvorhergesehene gemeint, das in dieser Extrazeit noch passieren kann, etwa zusätzliche Verlängerungen oder außer Kontrolle geratene Nerven einzelner Spieler. Sie müssen mehr laufen, werden mehr beansprucht, Schiedsrichter müssen weiterhin die Aufmerksamkeit hochhalten.


Fazit: Ein gutes Beispiel für die Bundesliga?


Zehn bis fünfzehn Minuten Nachspielzeit können die Partie in ihren Grundzügen verschieben, sagt Feuerherdt: "So viel Nachspielzeit kann die Taktik des Spiels komplett verändern." Das könne positiv wie negativ gesehen werden - so wie alle anderen Aspekte. Mehr Zeit für Tore, aber eben auch für Verletzungen.


Ob die langen Nachspielzeiten auch in der Bundesliga kommen werden, könne jetzt noch nicht beurteilt werden. Schon häufiger seien große Turniere genutzt worden, um neue Regeln zu testen und diese dann später einzusetzen.


Vermutlich werden sich die Fans schnell dran gewöhnen, glaubt Feuerherdt. "Es kann gut sein, dass für uns alle die lange Nachspielzeit am Ende der WM ganz normal ist." Da bereits auf internationaler Ebene, im nationalen und Klubfußball die längeren Spiele Standard sind, sei es nicht ganz aus der Luft gegriffen, dass es auch in der Bundesliga so kommt.

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