Verena Fücker

freie Journalistin & Redakteurin, München

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Rodungsstopp im "Tesla-Wald": Sind Großprojekte noch umsetzbar?

Die Rodungsarbeiten für das geplante Tesla-Werk in Brandenburg ruhen. Aber der Streit geht weiter: Die einen sehen den Wirtschaftsstandort Deutschland in Gefahr, die anderen sehen den Umweltschutz bedroht. Der Streit hat die Politik erreicht.


Es soll das wichtigste Wirtschaftsprojekt für das Land Brandenburg seit der Wiedervereinigung werden: Der amerikanische Elektro-Auto-Hersteller Tesla plant dort eine Fabrik, in der jährlich 500.000 Autos vom Band laufen sollen. Damit würde ein Werk entstehen in der Größenordnung von Audi in Ingolstadt. Die Tesla-Baustelle in Brandenburg sollte auch ein Symbol dafür sein, dass in Deutschland doch noch Großprojekte realisiert werden können.

Umweltverbände stoppen vorerst Großprojekt

Allerdings haben zwei deutsche Umweltverbände etwas dagegen: Der Verein Grüne Liga und der Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern (VLAB). Beide wollen mit Eilanträgen die bereits genehmigte Waldrodung in Grünheide stoppen. Ein Teilerfolg kam am Wochenende: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat dem Eilantrag der Grünen Liga zugestimmt. Die Rodungen sind vorerst gestoppt. 

CSU: Genehmigungsverfahren nicht ad absurdum führen

Jetzt schalten sich auch Politiker in den Streit um das Bauprojekt ein. So drängt die bayerische Bauministerin Kerstin Schreyer auf schnellere Genehmigungsverfahren und möglichst wenig gerichtliche Instanzen. Verfahren dürften nicht ad absurdum geführt werden, sagte sie dem BR. 

"Wenn jemand will, kann er große Bauprojekte über viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte verlangsamen und das ist schon schwierig. Diese Abwägung wird eine spannende und herausfordernde." Kerstin Schreyer (CSU), Bayerische Bauministerin

In den sozialen Netzwerken positioniert sich auch CSU-Generalsekretär Markus Blume. Er ist der Meinung, dass man in Deutschland nicht den Eindruck erwecken dürfe, man wolle die Investitionen von internationalen Unternehmen nicht. Das wäre ein schwerer Schaden für den Wirtschaftsstandort Deutschland, sagt Blume. Und mit Blick auf Tesla erklärt er: "Wir wollen den Klimaschutz in Deutschland voranbringen und da muss ich natürlich auf neue Produkte, Investitionen und Zukunft setzen und darf den technologischen Fortschritt nicht verhindern."

 
Grüne unter bestimmten Voraussetzungen für Abholzung

Auch die Grünen in Bayern sehen es pragmatisch und sind unter bestimmten Voraussetzungen durchaus dafür, Bäume für ein wichtiges Großprojekt zu fällen. Denn anders als zum Beispiel beim Hambacher Forst wird in Brandenburg kein alter Baumbestand abgeholzt, sondern eine Baumplantage. Dagegen haben die Grünen in Bayern nichts. "Wenn es Ersatzpflanzungen und eine gezielte Planung gibt, dann sind wir einverstanden," sagt Ursula Sowa, baupolitische Sprecherin der Grünen im Landtag.


Allerdings plädieren die Grünen für eine gut geplante Bürgerbeteiligung. Es räche sich, wenn die Bürgerbeteiligung schlecht gemacht ist, sagt Sowa: "Dann gibt es wieder Blockaden. Wenn man das von vornherein richtig gründlich und professionell macht, dann könnte man auch hier beschleunigen."


Bayerischer Umweltverband will ausreichende Prüfung

Für den Rodungsstopp am künftigen Brandenburger Tesla-Standort ist man dagegen in Erbendorf in der Oberpfalz. Der dort ansässige Umweltverband VLAB erklärt, man sei nicht gegen Tesla, die Elektromobilität oder eine Ansiedlung von US-Investoren. Der VLAB-Vorsitzende Johannes Bradtka betonte aber auf BR-Anfrage, man wolle, dass die Auswirkungen der geplanten Großfabrik auf Mensch, Natur und Umwelt in Grünheide vor einer Baugenehmigung ausreichend geprüft werden.


"Wir sehen ein, dass diese Prüfung keine 30 Jahre dauern kann. [...] Aber hier wurde das im Schnelldurchgang gemacht." Johannes Bradtka, Vorsitzender VLAB

Er kritisiert unter anderem, dass Brandenburg eine trockene Region ist, weswegen nicht klar sei, woher das ganze Wasser für das Werk kommen soll. Zudem werde das Werk in einem Wasserschutzgebiet gebaut.


Bundesregierung streitet über Stichtagsregel

Damit es bei zukünftigen Großprojekten nicht zu einem ähnlichen Streit kommt, ist jetzt die Politik gefordert. In der Großen Koalition diskutieren Union und SPD über eine Stichtagsregel: Geschützte Tier- und Pflanzenarten müssten dann auf dem entsprechenden Stück Land bis zu einem festgelegten Stichtag bekannt sein, um in einem möglichen Gerichtsprozess berücksichtigt zu werden.


Ein solches Vorgehen unterstützt auch der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählern, der sonst Bürgerbeteiligung besonders hoch schätzt. "Das wäre mit Sicherheit ein pragmatischer Schritt, wenn im Vorfeld des Stichtages gewährleistet ist, dass alle fachlichen Argumente ausgetauscht sind", sagt Aiwanger. "Dann muss auch mal gut sein mit Diskussion."


Einem Gesetz von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), mit dem umweltfreundliche Verkehrsprojekte in Deutschland schneller umgesetzt werden sollen, hat der Bundesrat erst vor kurzem zugestimmt.

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