Vera Deleja-Hotko

Freie Journalistin, Wien/Berlin/London

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Ustascha-Gedenken in Kärnten: Und wieder marschieren die Faschisten

Vielleicht kommen diesmal 10.000, vielleicht auch 15.000. Vor ein paar Jahren waren es sogar einmal 30.000. So oder so, es gleicht einer Heimsuchung, wenn an diesem Samstag in der eigentlich kleinen, verschlafenen Kärntner Gemeinde Bleiburg, nahe der slowenischen Grenze, der alljährliche Großaufmarsch zum Gedenken an das faschistische Ustascha-Regime im Kroatien der Vierzigerjahre stattfindet.


Auf dem Loibacher Feld gedenken Tausende den Opfern des historisch umstrittenen "Massakers von Bleiburg". Dort hatten im Mai 1945 Angehörige der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee Kämpfer der mit dem Naziregime verbündeten kroatischen Ustascha-Miliz und Zivilisten getötet. Zu der Feier pilgern vor allem Kroaten nach Kärnten, unter ihnen hochrangige Politiker, katholische Würdenträger - aber eben auch in großer Zahl frühere Ustascha-Kämpfer, Altnazis, Neonazis, internationale Rechtsextremisten. Die Rede ist vom größten Faschistentreffen Europas.


Bisher war das Treffen als "religiöse Feierlichkeit" deklariert. Die regionalen Behörden sahen sich daher nicht in der Lage einzugreifen und den Aufmarsch zu verbieten. In diesem Jahr aber sind die Voraussetzungen andere: Die Diözese Kärnten hat erstmalig verweigert, dass in Bleiburg eine heilige Messe abgehalten werde.


Der Grund: 2018 hatten Teilnehmer - trotz vorheriger Warnung der Kirche - Abzeichen, Transparente und Uniformen des Ustascha-Regimes sichtbar getragen und politische Reden in die Predigt eingebaut. Die Veranstaltung sei also Teil "eines politisch-nationalen Rituals", dass "einer selektiven Wahrnehmung und Deutung von Geschichte dient", schrieb der Diözesenadministrator Engelbert Guggenberger an die Kroatische Bischofskonferenz.

Da das Treffen nicht mehr als "religiöse Feierlichkeit" deklariert werden kann, ist nun die Bezirkshauptmannschaft (BH) - eine regionale österreichische Behörde, vergleichbar mit dem Kreistag, für die Veranstaltung zuständig. Entsprechend hatte der Bezirkshauptmann von Völkermarkt, Gert-André Klösch, im April 2019 den renommierten Verfassungsjuristen Heinz Mayer beauftragt, ein Rechtsgutachten zum Ustascha-Gedenken zu verfassen. Mayer kam zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung der "Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes" eine "Untersagung der geplanten Gedenkveranstaltung nicht nur zulässig, sondern geboten" ist.


Und doch wird das Treffen am Samstag stattfinden.


Warum? Die telefonische Nachfrage bei der Behörde wird abgewimmelt: Klösch sei nicht zum Gespräch oder zur Stellungnahme bereit. Stattdessen wird an die Kärntner Landespolizeidirektion (LPD), die nächstzuständige Instanz, verwiesen.

"Dass die Versammlung unzulässig ist, ist die Meinung des Gutachters Herrn Mayer", sagt Rainer Dionisio, Sprecher der LPD Kärnten. "Wir vertreten eine andere Rechtsmeinung." Die LPD habe den Fall mit internen Juristen geprüft und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass "eine Untersagung nicht zulässig ist". Grund dafür sei, dass die Versammlungsfreiheit "ein hohes Gut der Europäischen Menschenrechtskonvention" ist und ebenso der Zweck, "das Gedenken an Verstorbene" zu achten ist.


Polizei sieht es anders


Den Verfassungsjuristen Mayer hatte man über diese abweichende Einschätzung nicht informiert. Nachdem er das Gutachten übermittelt hatte, gab es bis auf einen Anruf - bei dem er fragte, wie er sich gegenüber Journalisten äußern solle - keinen Kontakt mehr mit der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt. Für Mayer unverständlich, denn für eine juristische Debatte sei es notwendig, dass man sich alle Argumente anhört und damit auseinandersetzt. Und nicht einfach nur "Nein" sagt.


Die Landespolizei scheint dagegen kein Problem mit dem Aufmarsch zu haben. "Angesichts der Erfahrungen der Vorjahre" gehe man davon aus, dass "Tausende Menschen" teilnehmen werden, "ohne dabei gegen die österreichischen Gesetze zu verstoßen". Gegen diejenigen, die sich nicht an die Gesetze halten, würden Maßnahmen ergriffen werden, so der Sprecher.

Erst seit kurzem sind die Symbole des faschistischen Ustascha-Regimes in Österreich überhaupt verboten. Jedoch nicht alle, wie aus einer Anfrage der Nationalratsabgeordneten Sabine Schatz (SPÖ) an das Innenministerium hervorgeht. Warum das so ist, wird in der Antwort nicht näher ausgeführt.


"Ich bin mir sicher, dass auch in diesem Jahr wieder zahlreiche faschistische Symbole zu sehen sein werden. Danach rechtfertigt man sich wieder, dass man es nicht gewusst hätte, und ist empört", sagt Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitee Österreichs (MKÖ), ein überparteilicher Verein, der aus einem Zusammenschluss Überlebender des Konzentrationslagers Mauthausen hervorgeht und sich gegen Rassismus und Rechtsextremismus einsetzt. "Selbst die katholische Kirche, die das jahrelang geduldet hat, hat jetzt den mutigen Schritt innerhalb der Glaubensgemeinschaft gesetzt und die Predigt verboten." Jetzt seien die Behörden dran.


Auch das Innenministerium hält sich bedeckt


Auf Landesebene ist man zwar besorgt, betont aber, dass man nichts tun könne. Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) begrüßte die Entscheidung der Diözese Kärnten als "notwendigen und richtigen Schritt", um "den alljährlichen Aufmarsch von Anhängern des verbotenen Ustascha-Regimes und anderen rechtsradikalen Gruppen" zu unterbinden. Eingreifen könne er aber nicht, weil er nicht zuständig sei, wie er sich von einem Juristen beglaubigen ließ. Stattdessen schrieb Kaiser im April 2019 einen Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), mit der Bitte zu handeln, denn es gehe "um den internationalen Ruf und das Ansehen Österreichs". Eine Reaktion gab es darauf nicht.

Die Bundesregierung hält sich bedeckt - vor allem das Innenministerium, das aufgrund der im Mayer-Gutachten festgestellten Verfassungswidrigkeit angehalten wäre einzugreifen. In einer schriftlichen Stellungnahme wird lediglich auf die regionalen Behörden verwiesen. Innenminister Herbert Kickl ( FPÖ) selbst war nicht zu einer Stellungnahme bereit. Ende April hatte Kickl bei einem Festakt einer Kärntner Polizeiinspektion erklärt, sich in die Angelegenheit nicht einmischen zu wollen - die Sache sei bei den regionalen Behörden besser aufgehoben.


Und so werden am Samstag in Bleiburg wieder Tausende Rechtsextremisten aufmarschieren. "Es ist und bleibt das größte Faschistentreffen Europas", so Mernyi. Und er nennt es "wahnsinnig peinlich", dass es in Österreich möglich ist, dass sich kroatische Faschisten treffen und Politiker sich hinter Behörden verstecken, anstatt selbst zu handeln.

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