Katja Kuhl schafft es immer, ihre ganz eigene Sicht festzuhalten und so eine Emotion beim Betrachter auszulösen. Sie ist verantwortlich für ikonische Coverfotos von Olli Banjo, Fler, Jalil, Kool Savas, Moses Pelham und vielen mehr. Zuletzt fotografierte sie für die Netflix-Kampagne zu „Dogs of Berlin“. Doch wie kam die Fotografin und Regisseurin überhaupt in die Musikszene? Wie schafft sie es, diese ausdrucksstarken Blicke einzufangen und sich dabei immer weiterzuentwickeln? Über all das haben wir mit ihr im Interview gesprochen.
Da
gibt es viele Aspekte, die sich wie Puzzlestücke zusammenfügen.
Generell habe ich mich nie für einen kreativen Menschen gehalten. Doch
zur Schulzeit hat mich ein Freund fotografiert und mir sein
Schwarzweiß-Fotolabor gezeigt, das fand ich echt interessant und die
Fotos haben mir auch gefallen. In der Schule habe ich dann einen
Fotografie-Kurs belegt und der war katastrophal! Ich hatte da null
Punkte im Abizeugnis stehen, da ich einfach keinen Zugang dazu gefunden
habe.
Ein weiteres Puzzleteil in der Geschichte war ein Traum, den ich mit 15 hatte. Da habe ich geträumt, dass ich eine erfolgreiche Fotografin bin, irgendwelche coolen Leute fotografiere und in einer Penthouse-Wohnung lebe. Über den Traum habe ich noch sehr lange nachgedacht, da ich mich gefragt habe, wo der denn bitte herkommt.
Ein weiteres Puzzleteil in der Geschichte war ein Traum, den ich mit 15 hatte. Da habe ich geträumt, dass ich eine erfolgreiche Fotografin bin, irgendwelche coolen Leute fotografiere und in einer Penthouse-Wohnung lebe. Über den Traum habe ich noch sehr lange nachgedacht, da ich mich gefragt habe, wo der denn bitte herkommt.
Während
der Sommerferien verdiente ich mir als Briefträgerin knapp 2000 Mark
und mit diesem vollen Konto kam ich in meiner Heimatstadt Aschaffenburg
an einem Fotoladen vorbei. Da stand im Schaufenster als Sonderangebot
ein komplettes Farb-Fotolabor-Set für 350 Mark! Von dem Rest des Geldes
habe ich mir noch eine Kamera mit Zoom-Objektiv gekauft. Als ich dann
die ersten Fotos im Urlaub mit einer Freundin machte und diese dann
entwickelte, waren die einfach nichts. Doch nach dem Abitur bin ich
wieder mit einer Freundin in den Urlaub gefahren und habe die Kamera
mitgenommen. Danach habe ich mich ins Fotolabor gestellt und plötzlich
funktionierte es. Es war super, es hat mir Spaß gemacht und ich habe
nicht wieder alles die ganze Zeit verkackt. Somit war ich richtig
angefixt und ich habe noch mehr Leute fotografiert. Und dann kam eine
Band, da die gehört haben, dass ich Fotos mache. Wir haben also die
Fotos gemacht, die entwickelt und die sahen so geil aus! Der Style war
da und die waren super begeistert.
Später,
nach dem Abitur, habe ich meine Lehre als Apothekenhelferin abgebrochen
und mir eine Ausbildungsstelle als Fotografin gesucht. Für meine Eltern
war das ein Schock und sie dachten, dass ich im Passbildstudio ende.
Aber ich hatte großes Glück, dass mein Chef mich mitten im
Ausbildungsjahr genommen hat und eigentlich kein großes Interesse daran
hatte, jemanden auszubilden. Ich konnte sein Equipment und sein Labor
benutzen, Material zum Einkaufspreis mit nach Hause nehmen und der hat
mich wirklich einfach machen lassen. Ich habe mir dann noch einen Job
bei der Zeitung gesucht und habe da alles fotografiert, wo man mich
hingeschickt hat.
Und wie kam es dann zu den Musikern?
Und wie kam es dann zu den Musikern?
Bei
der Zeitung kam ein neuer Lokalredakteur, der es cool fand, eine Reihe
über die Musikszene zu machen. Am Anfang hat er noch die Texte
geschrieben und mich gefragt, ob ich nicht Bock hätte, die Fotos dafür
zu machen. Irgendwann hat er mir die ganze Serie übertragen, sodass ich
auch die ganzen Interviews geführt habe. Ich konnte in den drei Jahren
mit dem Job meinen Style entwickeln mit verschiedenen Bands aus der
Region. Ich
fand meine Fotos schon damals ziemlich gut und habe beschlossen, ich
werde als Fotografin reich und berühmt. Damit meine ich gar nicht Geld
oder Ruhm, das war für mich nur ein Synonym für die Ernsthaftigkeit.
Damit ich nicht im Passbildstudio ende. Ich dachte mir, irgendjemand
muss doch diese Coverfotos machen und diese Künstler fotografieren. Also
warum denn nicht ich? Ich dachte, es muss mir erst mal jemand beweisen,
dass das nicht geht. So habe ich mir Schritt für Schritt mein Portfolio
zusammenfotografiert und wusste, dass ich so auch die Chance auf einen
Studienplatz in dem Bereich habe.
Also hattest du durch den Job bei der Zeitung schon gute Kontakte in die Musikszene?
Die Bands, die zu der Zeit in Aschaffenburg waren, waren nicht wirklich bei Majorlabels gesignt. Aber ich habe damals Olli Banjo dort kennengelernt. Er war noch ganz jung und stand am Anfang seiner Karriere, aber über ihn kam einige Jahre später auch der erste Kontakt zu einer Plattenfirma. Jemand vom Label hat meine Fotos von Olli gesehen und mich weiterempfohlen. Man kann schon sagen: Über Olli Banjo kam der Schritt, das Ganze zu professionalisieren.
Es gab damals zwar auch schon Geld, aber hauptsächlich habe ich diesen Zeitungsjob für meine Mappe gemacht. Das ging viele Jahre so. Erst nach sechs oder sieben Jahren, als ich für die Plattenfirma gearbeitet habe, habe ich vernünftiges Geld bekommen.
Du warst aber auch nicht auf ein musikalisches Genre festgelegt?
Nee. Ich mochte HipHop schon immer gerne und wollte echt gerne Rapper fotografieren. Mir gefiel einfach das Visuelle, was ich bei den Amis gesehen habe. Diese Spielerei mit Weitwinkel und diese knalligen Farben, das sah immer nach viel Spaß aus. Zu der Zeit haben Olli Banjo und ich ständig Fotos gemacht und ich konnte alles verfeinern. Er ist halt ein super fotogener Typ und wir sind beide daran gewachsen. Und auch, dass das dann Ende der 90er, Anfang der 2000er mit den Musikvideos losging, wie beispielsweise "Napalm" von Azad, das ist halt einfach passiert. Der Musikbereich war einfach der Weg des geringsten Widerstands für mich. Ich musste nie etwas machen, worauf ich keine Lust hatte, oder irgendwelchen Leuten in den Arsch kriechen.
Also du angefangen hast, mit Plattenfirmen zu arbeiten, haben die doch bestimmt versucht, dir zu sagen, wie das Foto auszusehen hat, oder?
Also hattest du durch den Job bei der Zeitung schon gute Kontakte in die Musikszene?
Die Bands, die zu der Zeit in Aschaffenburg waren, waren nicht wirklich bei Majorlabels gesignt. Aber ich habe damals Olli Banjo dort kennengelernt. Er war noch ganz jung und stand am Anfang seiner Karriere, aber über ihn kam einige Jahre später auch der erste Kontakt zu einer Plattenfirma. Jemand vom Label hat meine Fotos von Olli gesehen und mich weiterempfohlen. Man kann schon sagen: Über Olli Banjo kam der Schritt, das Ganze zu professionalisieren.
Es gab damals zwar auch schon Geld, aber hauptsächlich habe ich diesen Zeitungsjob für meine Mappe gemacht. Das ging viele Jahre so. Erst nach sechs oder sieben Jahren, als ich für die Plattenfirma gearbeitet habe, habe ich vernünftiges Geld bekommen.
Du warst aber auch nicht auf ein musikalisches Genre festgelegt?
Nee. Ich mochte HipHop schon immer gerne und wollte echt gerne Rapper fotografieren. Mir gefiel einfach das Visuelle, was ich bei den Amis gesehen habe. Diese Spielerei mit Weitwinkel und diese knalligen Farben, das sah immer nach viel Spaß aus. Zu der Zeit haben Olli Banjo und ich ständig Fotos gemacht und ich konnte alles verfeinern. Er ist halt ein super fotogener Typ und wir sind beide daran gewachsen. Und auch, dass das dann Ende der 90er, Anfang der 2000er mit den Musikvideos losging, wie beispielsweise "Napalm" von Azad, das ist halt einfach passiert. Der Musikbereich war einfach der Weg des geringsten Widerstands für mich. Ich musste nie etwas machen, worauf ich keine Lust hatte, oder irgendwelchen Leuten in den Arsch kriechen.
Also du angefangen hast, mit Plattenfirmen zu arbeiten, haben die doch bestimmt versucht, dir zu sagen, wie das Foto auszusehen hat, oder?
Ich habe mich auch früh dazu entschlossen, mich nicht in einen Preiskampf zu begeben. Meine Preise sind meine Preise und Leute, die sich in einen Preiskampf begeben, stechen meist nicht mit ihren Bildern hervor, sondern mit ihren Preisen. Wenn man ein bestimmtes Preisschild an seine Arbeit klebt, überlegen sich die Leute das wirklich vorher, bevor sie mit dir arbeiten. Trotzdem gehe ich natürlich auf meine Kunden ein.
Was war das erste Foto von dir, das auf einem Cover zu sehen war?
Oh, das weiß ich nicht mehr sicher. Ich glaube, das war ein Tape von der Fun-Punk-Band Die Flinken Flaschen.
Was macht für dich ein gutes Coverfoto aus?
Es muss einfach ein geiles Bild sein.
Von Culcha Candela über Moses Pelham, Kool Savas
und Adel Tawil bis hin zu Die Orsons hattest du schon verschiedenste
Musiker vor der Linse. Ist es wichtig, dass du dich mit der Musik
identifizieren kannst, oder reicht es, wenn du mit der Person auf einer
Wellenlänge bist?
Eine von drei Sachen muss mindestens erfüllt sein: Entweder ich mag die Menschen, ich mag die Musik oder ich mag das Geld. Im Idealfall sind alle drei Punkte erfüllt, aber eins davon reicht auch.
Eine von drei Sachen muss mindestens erfüllt sein: Entweder ich mag die Menschen, ich mag die Musik oder ich mag das Geld. Im Idealfall sind alle drei Punkte erfüllt, aber eins davon reicht auch.
Auf deinem Blog postest du nicht nur deine Bilder, sondern erzählst auch immer etwas vom Shooting. Dabei fällt auf, dass du gerne neue Sachen ausprobierst. Bei „Black Panther“ von Jalil hast du mit RGB-Leuchten experimentiert, bei „Vibe“ von Fler mit einer langen Belichtungszeit, in die du kurz hineinblitzt. Versuchst du so Routine zu vermeiden? Hast du keine Angst, dass die neuen Versuche nicht klappen?
Bei den ersten Fotos mit Olli Banjo war auch so ein “Vibe”-Bild mit der Bewegungsunschärfe drin, das habe ich jetzt wiederentdeckt. Natürlich besteht immer die Gefahr, dass es nicht so wird, wie ich mir das vorstelle, aber dann bin ich routiniert genug, trotzdem gute Bilder zu bringen. Beim “Vibe”-Shooting mit Fler war das ein Prozess. Wir haben vorher schon Sachen ausprobiert, die nicht so funktioniert haben. Bei Jalil wusste ich, dass das funktioniert wird und hatte einfach nur die Lampen neu. Hätte das nicht so funktioniert, hätten wir einfach was Anderes gemacht. Aber ich möchte nicht stehenbleiben und mich nicht langweilen, deshalb probiere ich eben neue Sachen aus.
Ich finde, dass du es immer schaffst, den Künstlern einen sehr ausdrucksstarken Blick zu entlocken. Hast du einen bestimmten Trick, um diesen Ausdruck hinzubekommen?
Ich habe keinen Zauberkasten, aber ich strebe natürlich an, dass da ein geiles Bild dabei ist. Die Sozialkompetenz ist wichtig und sie müssen mir vertrauen. Ich habe die Möglichkeit, das Vertrauen zu vertiefen, indem ich sie mit aufs Display gucken lasse und sie sehen, dass das gut wird. Ich beobachte die Leute auch, wenn wir keine Fotos machen: Wie gucken sie denn, wenn sie entspannt sind? Das versuche ich auch im Shooting hinzubekommen. Ich weiß ganz genau, was ich haben will.
Du warst auch für die Musikvideos zu “Das Urteil” von Kool Savas und “Napalm” von Azad verantwortlich. War dir beim Dreh schon bewusst, dass das Klassiker werden?
Nein,
Quatsch. Man weiß das nicht, wenn man es macht. Bei “Napalm” war es so,
dass ich eine Idee hatte, aber die Wirkung auf Andere konnte ich nicht
einschätzen. “Napalm” erschien damals noch über 3p, das Label von Moses
Pelham, und ich hatte kurz vorher mit ihm über unser erstes
Glashaus-Video gesprochen, das ein paar Monate später gedreht werden
sollte. Für mich hätte das die Erfüllung all meiner Träume bedeutet,
denn ich war großer Fan und wollte unbedingt mit ihm ein Video drehen.
Aber ich weiß noch, als ich im Schnitt von “Napalm” saß, und auf diese
düsteren und bedrohlichen Bilder guckte, dachte ich mir: Okay, damit ist
das Thema Glashaus vorbei. Der Moses wird nicht denken, dass ich für 'Wenn das Liebe ist'
ein Video drehen kann. Ich saß da und dachte, meine Karriere wäre zu
Ende. Am nächsten Tag kam ich in die Filmproduktion, in der
hauptsächlich männliche Regisseure arbeiteten, und die grüßten mich
plötzlich überschwänglich. Dabei hatten die mich bis dato nie für voll
genommen. Und alle sagten mir, dass “Napalm” ein geiles Video wäre.
Bei “Das Urteil” war das so:
Eko Fresh war ja schon mit “Die Abrechnung” draußen und Kool Savas hat
zu der Zeit im selben Haus wie ich gewohnt. Das war eher eine
persönliche Sache. Eko hat nicht in dem Haus gewohnt, war aber oft bei
seiner Freundin Valezka zu Besuch, die dort ebenfalls eine Wohnung hatte
– man kannte sich also. Wir hatten damals echt wenig Geld und somit war
qualitativ sehr wenig möglich. Technisch war das auch eine ganz andere
Zeit, das ist auch ein Faktor, der mich persönlich an dem Video ein
bisschen stört. Aber ich habe nie erwartet, dass das so ein großes Ding
wird.
Wenn
du sagst, dass die männlichen Regisseure dich vor “Napalm” nicht so
richtig für voll genommen haben: Hattest du das Gefühl, dich als Frau
mehr durchsetzen zu müssen?
Ich hatte nie das Gefühl, irgendwas klappt nicht, weil ich eine Frau bin. Ich bin mir sicher, dass ich den einen oder anderen Job nicht bekommen habe, weil ich eine Frau bin, aber das gleicht sich mit Sicherheit aus, weil ich eine ganze Menge Jobs bekommen habe, eben weil ich eine Frau bin. Meine Arbeit lebt von mir als Mensch. Eine kleine Geschichte, die vielleicht dazu passt: Vor eineinhalb Jahren wurde Moses Pelham die Goethe-Plakette verliehen und er hat Freunde und Kollegen eingeladen. Mir gegenüber saßen Vega und Credibil, und die wollten was von mir über “Napalm” hören und sagten mir, wie wichtig dieses Video für sie ist. Credibil meinte: “So ein Video, das konnte nur eine Frau machen.” Ich fand diesen Gedanken ganz interessant. Denn als man mich vor dem Videodreh darauf vorbereiten wollte, dass da 80 Männer kommen, die eben Straßenjungs sind, was für mich die erste Begegnung mit so vielen Männern mit arabischer Herkunft war, hatte ich mir schon kurz Gedanken gemacht, wie das alles wird. Man hätte denken können, dass die harten Straßenjungs vielleicht ein Problem mit einer Frau als Chefin am Set haben. Aber die waren alle so respektvoll und zuvorkommend. Das war für mich ein Zeichen, dass mein Geschlecht da einfach nicht relevant ist. Deshalb war es jetzt auch so schön zu sehen, wie viel dieses Video für Vega und Credibil bedeutet.
Mich interessiert deine persönliche Einschätzung: Glaubst du, dass in Zeiten von Streaming-Playlisten Musikvideos in Zukunft überhaupt noch eine Rolle spielen für den Erfolg eines Songs?
Wenn man sich überlegt, dass es Künstler gibt, die für jeden Song ein Video produzieren, dann denke ich, dass Videos momentan so wichtig sind wie noch nie. Sonst würden die da gar nicht so viel Arbeit reinstecken. Vielleicht wird die Qualität der Videos immer schlechter, aber sie werden nicht unnötig.
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