3 Abos und 0 Abonnenten
Artikel

Kreml-Propaganda auf Twitter: Die Ukraine gewinnt die Oberhand

Wolodymyr Selenskyj bei einer seiner Ansprachen im Regierungssitz in Kiew. Bild: DPA.

Russische Propaganda gibt es auch auf Twitter. Doch der Kurznachrichtendienst geht gegen Kremlfans und Kriegsjubler vor – mit Erfolg. Auch die EU-Sanktionen scheinen zu wirken.

Russische Kriegspropaganda auf Twitter ist weniger erfolgreich als gedacht. Nach Angaben des „Disinformation Situation Centers“ ist die Reichweite pro-russischer Tweets in diesem Monat im Vergleich zum April gesunken – dank geänderter Twitter-Richtlinien und den Sanktionen der EU.

Die gemeinnützige Initiative hinter dem „Disinformation Situation Center“ wurde von mehreren zivilgesellschaftlichen Organisationen gegründet, darunter der Beratungsstelle Hate Aid und der Tech-Initiative Reset. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine dokumentiert die Initiative den Informationskrieg Putins im Netz. Das Ziel: die Plattformbetreiber im Kampf gegen die Verbreitung pro-russischer Desinformation zu unterstützen.

In den vergangenen Wochen kamen Inhalte von russischen Staatsmedien und Putin-Sympathisanten auf dem von Elon Musk umworbenen Kurznachrichtendienst auf eine große Reichweite. Doch Twitter hat ordentlich aufgeräumt. Tweets mit pro-russischen Inhalten werden mit Warnhinweisen versehen. Ihre Sichtbarkeit wird reduziert, während seriöse Informationen zum Krieg bevorzugt ausgespielt werden.

Die Anfang März verhängten Sanktionen der Europäischen Union treffen vor allem die russischen Staatsmedien Sputnik und Russia Today – und sind durchaus erfolgreich. Die Reichweite pro-ukrainischer Inhalte ist inzwischen 25 Mal höher als die kreml-freundlicher Tweets. In Nicht-EU-Ländern, in denen die Sanktionen nicht greifen, werden pro-ukrainische Inhalte immerhin noch dreimal häufiger geklickt als pro-russische Einlassungen. Dass die Maßnahmen der EU nicht einwandfrei funktionieren, zeigt indes der Twitter-Account von RT America, der auch in EU-Ländern noch abrufbar ist und Putins Propagandamaschinerie weiter vorantreibt.

Pro-ukrainische Twitter-Kanäle erreichen weltweit insgesamt 12,6 Millionen Follower, während kreml-nahe Kanäle nur vier Millionen Nutzer für sich gewinnen können. Allein 3,5 der vier Millionen entfallen dabei auf den Kanal von RT Spain. Rund die Hälfte der vom „Disinformation Situation Center“ untersuchten spanischsprachigen Kanäle stellt sich auf die Seite Putins. Als mögliche Gründe gibt die Initiative eine fehlende Moderation spanischsprachigen Twitter-Contents an. Ähnlich sieht es bei italienischsprachigen Kanälen aus. Besonders verbreitet ist hier die Lüge, dass Russland der Ukraine helfe.

Achtzig Prozent der englischsprachigen Twitter-Kanäle veröffentlichen pro-ukrainische Inhalte, überwiegend betrieben von Journalisten und Privatpersonen. In Deutschland drückt gut die Hälfte der untersuchten Kanäle Unterstützung für die Ukraine aus. Vor allem die deutsche Innenpolitik spielt im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg eine Rolle. So kritisierten viele Kanäle fehlende Waffenlieferungen oder den schnellen Zugang ukrainischer Geflüchteter zu Bildungsangeboten, was Geflüchteten mit nicht-europäischer Herkunft in den vergangenen Jahren verwehrt geblieben sei.

In der Ukraine ist der Kanal @ZelenskyyUa des Präsidenten Wolodymyr Selenksyj Spitzenreiter und verbucht fast die gesamte Zahl der Follower ukrainischsprachiger Kanäle für sich. Besonders auffällig: Die reichweitenstärksten Tweets in russischer Sprache sprechen zu hundert Prozent ihre Unterstützung für die Ukraine aus. Darunter sind zwei Kanäle, die Alexej Nawalny nahestehen. Kreml-freundliche Inhalte russischer Kanäle schaffen es nicht in die Liste der meistgeklickten Tweets. Fast zwei Monate nach dem Beginn der russischen Invasion scheint die Ukraine – zumindest online bei Twitter – die Oberhand zu gewinnen.

Zum Original