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Sophie Passmann zu „Damaged Goods": Das sind Sachen, die uns echt passieren

Mit Lolli statt Zigarette: Sophie Passmann in „Damaged Goods“. Bild: Amazon Prime.

Sophie Passmann hat sich einen Namen als kämpferische Autorin gemacht. Jetzt spielt sie in der Serie „Damaged Goods“ mit. Wie ist es ihr dabei ergangen? Ein Gespräch.


Sie sind in der Amazon-Prime-Serie „Damaged Goods“ zu sehen, in der Sie eine Frau namens Nola spielen, die frisch von der Uni geflogen ist und nun mit Geldsorgen kämpft. Das war Ihre erste Fernsehrolle. Wie war das für Sie?

Ich habe den Sommer über versucht, mich gedanklich darauf vorzubereiten. Man kann sich nicht vorstellen, wie 45 Drehtage, drei Monate am Stück zu drehen funktioniert. Und am ersten Tag habe ich gemerkt: Alles, was ich mir überlegt habe, werfe ich über Bord und versuche einfach, genug zu schlafen und genug zu essen.

Sie kennen es ja schon, als Moderatorin vor der Kamera zu stehen. Wie hat es sich angefühlt, plötzlich zu schauspielern? 

Es war eine große Herausforderung, so lange Zeit am Stück immer wieder mit dem eigenen Äußeren konfrontiert zu werden. Ich kenne das eigentlich so: Ich kriege alle drei Wochen mal Fotos zur Freigabe oder ich bin im Fernsehen, und dann sehe ich am nächsten Tag auf Instagram einen Mitschnitt davon. Aber jeden Tag aufs Neue den eigenen Körper, das eigene Aussehen, das eigene Körpergefühl als Instrument zu betrachten – man hat auch mal Tage, an denen man nicht angeguckt werden möchte. Und dann wird man nicht nur angeguckt, man wird zwei Stunden lang geschminkt, und dann kommt jemand mit der Kamera extrem nah an einen heran. Ich bewundere es, wie professionelle Schauspieler das machen. Die haben dann so Mechanismen wie: „Ich blende das aus und ich ignoriere meine eigenen Selbstzweifel heute.“ Es hat nicht jeden Tag gut geklappt, aber das hilft ja nichts.

Wie haben Sie die Rolle der Nola für sich entwickelt?

Ich hatte eine Schauspieltrainerin. Mit der habe ich Grundlagenarbeit und vor allem Körperarbeit gemacht. Was das Anlegen der Rolle angeht, habe ich gemerkt: Das Albernste wäre, so zu tun, als wäre ich eine gelernte Schauspielerin. Ich muss aus der Not eine Tugend machen. Es hat mir viel gebracht, dass ich mich als Feuilletonistin und Kulturkritikerin gut mit Comedyserien aus Amerika auskenne und mich da auch so „rein-nerden“ kann. Bei ganz vielen Serien dachte ich: Ich glaube, ich gucke mir die noch mal an, weil ich zum Beispiel die Details mochte, wie diese und jene Rolle angelegt war. Und dann war es viel Imitieren und sich die eigene Rolle Zusammenbauen aus verschiedenen Imitationen. Wie soll die Rolle sein? Das fängt ja schon mit der Art des Sprechens an, dass ich ganz oft da sitze und mir denke: Warum reden die so? Warum reden die nicht, wie echte Menschen reden? Und dann habe ich gehofft, dass es am Ende so wirkt, als hätte ich einen Plan von dem, was ich mache.

Wie viel Sophie steckt in Nola, wie viel Nola in Sophie?

Es gibt schon Parallelen zu Nola, weil Nola auch so eine clevere Welterklärende sein möchte und den Drang hat, sich emotional selbst unantastbar zu machen, indem sie die Welt um sich herum analysiert und auseinanderdröselt. Nola hat das in sich drin, dass sie sich immer so ein bisschen als Outlaw sehen möchte, und das ist etwas, was ich in meiner Jugend auch total hatte. Oder dass sie ihre größten Schwächen immer auch als ihre größten Stärken verkaufen möchte. Daran scheitert Nola auch ständig in der Serie, und man will sie schütteln und sagen: „Sei doch mal emotional nahbar.“ Das sind Baustellen, an denen arbeite ich als ich selbst, als Sophie Passmann.

Erfolgreich?

Ich habe es in den letzten Jahren, glaube ich, besser geschafft, also noch in meinen Anfang-Zwanzigern, einfach zu akzeptieren, dass manche Sachen eben so sind. Während der Dreharbeiten war das auch zwischendurch eine Herausforderung, eine Rolle zu spielen, die Macken hat, die man auch selbst hat und diese Macken aber verteidigen muss als Figur. Ich kann eben nicht ironisch altklug spielen. Ich muss dann eine Nola sein, die in diesem Moment genau diese Entscheidung trifft. Und als Sophie dahinter denke ich: „So bin ich bestimmt zwischendurch auch.“

Hätte es Sie als Comedy-Autorin gereizt, selbst am Drehbuch mitzuschreiben?

Ich habe tendenziell große Lust, auch mal etwas Fiktionales zu schreiben, aber der Reiz an „Damaged Goods“ war, dass ich ein fertiges Drehbuch bekommen habe und mich auf diese Herausforderung einlassen wollte, mit fremdem Stoff zu arbeiten. Beim Neo Magazin Royal oder bei Late Night Berlin oder, wenn ich irgendwo auftrete als Sophie Passmann, habe ich das in der Regel selbst geschrieben. Ich habe bei den Dreharbeiten aber viel an den Dialogen gefeilt und an Witzen nebenbei mitgearbeitet. Das hat man ja auch nicht allzu oft, dass man eine Comedy-Autorin am Set hat. Das hat großen Spaß gemacht, war aber auch eine krasse Doppelbelastung. Es gab Tage, an denen ich dachte: „Ich möchte am liebsten einfach auswendig lernen und aufsagen und dann einschlafen.“

Wie hebt sich „Damaged Goods“ von anderen Serien ab, bei denen es auch um das Leben Ende der Zwanziger geht?

Ein großer handwerklicher Unterschied ist für mich in den Drehbüchern angelegt. Das hat der Head-Autor Jonas Bock mit seinem Team gut gemacht. Die Serie ist eine Parodie auf Millennials. Die Figuren sind aber keine Parodien. Ich habe das Gefühl, gerade im deutschsprachigen Bereich gibt es Serien, die auf gewisse Weise das Leben junger Leute erzählen, wo man weiß, dass junge Leute ganz oft alberne Leben haben und alberne Lebensprobleme. Statt aber die Welt zu einer Parodie zu machen, werden die Figuren zu Parodien. Die Figuren werden nicht ernst genommen. Sie werden zu eindimensionalen Abziehbildern von Personen, die man kennt.

Aber auch Damaged Goods muss mit Stereotypen arbeiten, wenn es sich um eine Parodie handelt.

Ich finde, dass in „Damaged Goods“ alle fünf Personen der Clique echte Menschen sind, mehrdimensional gedacht werden und auch mehrdimensionale Geschichten haben. Ich finde, das beste Beispiel ist Hugo, der von Antonije Stankovic gespielt wird, weil da die Probleme von einem jungen schwulen Mann in einer schwulen Subkultur erzählt werden. Ohne dass es abrutscht in so eine augenzwinkernde „Wir haben jetzt auch einen Schwulen reingeschrieben“-Geschichte. Das sind echte Sachen, die den Personen passieren. Außerdem versucht „Damaged Goods“ nicht, eine US-amerikanische Serie zu imitieren. Die guten Showrunner und Autorinnen, die es natürlich gibt, schauen viel amerikanisches Fernsehen und wollen etwas machen wie aus den Staaten oder aus Großbritannien. Und ganz oft passiert da in meinen Augen der Fehler, dass eine amerikanische Lebenswelt erzählt wird.

Wie vermeidet man so etwas?

„Damaged Goods“ spielt in München, beschäftigt sich mit Problemen des deutschsprachigen Kulturraums und will eben nicht eigentlich am liebsten in Manhattan spielen. Das ist ja auch die Aufgabe vom seriellen Erzählen, dass man für die Lebenswelt, die man erzählen möchte, nicht das schreibt, was man als Serienautor am liebsten in einem anderen Land produzieren würde, dass man nicht die eigenen Lieblingsserien imitiert, sondern dass man wirklich überlegt: „Was ist denn die Stärke von diesem Ort, an dem wir drehen?“

Ich hatte beim Schauen trotzdem das Gefühl, dass manche Figuren etwas stereotyp sind. Hugo beispielsweise, dessen Geschichte als schwuler Mann überwiegend über seine sexuellen Probleme erzählt wird. Es kommen auch keine Figuren mit Migrationsgeschichte vor. 

Doch, Tia.

In den ersten drei Folgen spielt ihre Herkunft aber keine Rolle. 

Ich finde das ein leicht plakatives Verständnis von Diversität, dass eine Migrationsgeschichte erzählt werden muss. Ich verfolge die Debatten von Schauspielerinnen und Schauspielern mit Migrationshintergrund, gerade der jüngeren Generationen, zu denen Zeynep Bozbay, die Tia spielt, ja auch gehört. Bei denen gibt es eher den Wunsch, Geschichten zu erzählen und Figuren darzustellen, ohne eben jedes Mal die Türkin zu spielen, die natürlich noch eine Oma hat, die mit Kopftuch dasitzt mit irgendwelchen Tischdeckchen – also dreifach durch die Ironieschleife gedrehten Klischees. Das ist doch eigentlich schön, dass in „Damaged Goods“ ein Freundeskreis erzählt wird, der auf Ebenen divers ist, die nicht ständig zu Tode geritten werden müssen. Hier passiert das, was postmigrantische Schauspieler:innen seit Jahren fordern, nämlich eine Schauspielerin, die offensichtlich einen Migrationshintergrund hat, in einer Rolle zu besetzen, wo gar nicht darüber gesprochen wird, dass sie einen Migrationshintergrund hat. Zeynep Bozbay wird definitiv türkisch oder nicht-weiß gelesen. Das wird aber nicht thematisiert. Und ich finde das ehrlich gesagt ein ganz großes Geschenk.

Das Hauptthema der Serie ist die sogenannte „Quarter-Life-Crisis“. Was bedeutet das für Sie?

Ich glaube, das Problem der Quarter-Life-Crisis ist, dass man feststellt: Jetzt muss man sich für ein Leben entscheiden. Das passiert klassischerweise in der Mitte der Zwanziger, manchmal etwas später. Man hat sein Studium oder seine Ausbildung abgeschlossen, vielleicht die erste Beziehung in den Sand gesetzt. Man wohnt jetzt in der Stadt, in der man wohnen möchte. Man hat einen Job, für den man sich entschieden hat, oder man merkt: All das muss jetzt kommen. Und dann steht man vor der Frage: „Was will ich denn eigentlich?“ Ich glaube, das unterscheidet sich gar nicht so sehr von der häufiger zitierten Midlife-Crisis. Man lebt mit Haus, Kind, Ehe, Baum und Auto und merkt: „Das war’s jetzt, und jetzt könnte ich ja noch mal etwas Neues machen.“ Ich finde diese Krisen eher bereichernd, wenn man sie zulässt und wenn man daraus auch etwas Gutes zieht und nicht einfach einen Porsche kauft.

Haben Sie das Gefühl, dass andere Generationen diese Lebenskrise belächeln und als „First-World-Problem“ abtun? 

Ich habe den Eindruck, dass es eine Irritation darüber gibt, vonseiten der Boomer-Generation, dass wir die großen Probleme lösen wollen. Vielleicht noch eher die Gen Z, aber auch die jungen Millennials: Fridays for Future, Verbesserung der Welt, Antirassismus, Feminismus und die Bekämpfung von Antisemitismus. Dass es da fast Mitleid gibt nach dem Motto: „Ihr armen Leute, lebt doch einfach mal ein bisschen.“ Und ich glaube, das ist eine große Aufgabe, dass wir eine der ersten Generationen sind, die sich eine diverse soziale Gerechtigkeit als große Generationenaufgabe auf die Fahne geschrieben haben. Was sich natürlich manchmal mit der Sinnlichkeit und dem Hedonismus und der Zeitverschwenderei, die man in der Jugend haben sollte, beißt.

Inwiefern?

Es wird schwieriger, einfach auf eine Party zu gehen oder einfach ein cooles Outfit zu tragen oder irgendwelche Bands abzufeiern, weil das mittlerweile große, aber auch manchmal nervige Fragen nach sich zieht. „Jetzt feierst du schon wieder ein Album von einem weißen Dude ab“, „Auf dem Festival sind keine Frauen auf der Bühne“, „Der Hairstyle ist Cultural Appropriation“. Alles wichtige Themen, gleichzeitig ist es aber auch schwieriger, einfach sein Leben zu leben und manchmal auch jung und dumm zu sein.

Es gibt viele Momente, in denen die Serie augenzwinkernd Kritik übt, zum Beispiel an der Businesswelt, am Spießbürgertum oder dem Labeln von Beziehungen. Es werden auch ernste Themen angesprochen, Sexismus, toxische Männlichkeit und Gesundheitsprobleme wie Endometriose. Wie verbindet man diese Ernsthaftigkeit mit Komödie? 

Die Einarbeitung dieser großen Themen muss man den Autoren zuschreiben. Ich habe eben schon die Figuren angesprochen. Man kann eben nur authentisch Probleme besprechen, wenn man authentische Figuren hat. Wichtig war uns, dass diese Themen eben nicht so behandelt werden, wie sie oft in Serien und Filmen erzählt werden, indem man sich nur ein einziges Mal hinsetzt und sagt: „Ich habe ein Problem. Ich muss dir etwas sagen.“

Sondern?

In der Realität haben wir in Freundschaften Themen, die immer präsent sind und ständig besprochen werden. Die werden nicht nur einmal groß aufgerollt und dann nie wieder. Das ist das eine. Das andere ist, dass wir am Set immer wieder über solche Sachen diskutiert haben. Ich erinnere mich an diese Szene, wo Henni beim Frauenarzt ist. Wir haben uns wirklich, und das war ein voller Drehtag, mit der Regisseurin Anna Maier Zeit genommen und haben darüber diskutiert: „Wie will man denn jetzt eigentlich das Thema Endometriose behandeln? Wie würden betroffene Frauen darüber sprechen? Das heißt, solche Probleme wurden ernst genommen und standen nicht einfach als Maskottchen-Buzzword-Probleme im Drehbuch wie: „So, jetzt reden wir mal über Endometriose. Das scheint ja ein Ding zu sein auf Instagram.“

Die Serie Damaged Goods beginnt am ­Montag bei Amazon Prime Video.

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