Ludwig Ries lebt als einziger Wissenschaftler das ganze Jahr über in Deutschlands höchstgelegenem Forschungslabor.
Die Sache mit der Schneefräse - da entfährt dem sonst so heiteren Forscher ein tiefer Seufzer. Klar, aufs Räumen kann man nicht verzichten, im Winter auf der Zugspitze. Nur hat so eine Schneefräse halt einen Verbrennungsmotor. "Die Abgase werden in die Ansaugstutzen unserer Messgeräte geblasen, und die sind superempfindlich." Verfälschte Messwerte: Man muss sich das als den Albtraum des Ludwig Ries vorstellen.
Während weit unten die Pistenraupen endlose Riffelteppiche in den frischen Schnee pressen, steht der 56-jährige, fast zwei Meter große Geoökologe hier oben, auf der Terrasse des Schneefernerhauses , zwischen Röhren, Leitungen, rotierenden und festen Gerätschaften. Der Schnee liegt einen halben Meter hoch. Ries mustert die schmale geräumte Schneise. Sein Blick will nicht so ganz zum herrlichen Winterwetter passen. Ja, eine Elektrofräse, das wär's jetzt!
Das Schneefernerhaus. 2650 Meter über dem Meeresspiegel schmiegen sich seine insgesamt zwölf Ebenen treppenstufenartig an den Fels des höchsten deutschen Berges. Einst nächtigten hier wohlhabende Touristen, die mit der Zugspitz-Zahnradbahn aus Garmisch kamen. Seit 1988 entlässt die Bahn ihre Passagiere unmittelbar ins Skigebiet, Hotel und Restaurant rentierten sich hier oben nicht mehr. Geblieben ist die Aussicht auf Gletscher , den Zugspitz- und Hunderte andere Berggipfel. Aus dem Speisesaal ist ein funktionaler Lehrsaal geworden. Die früheren Gästezimmer, Gänge und Terrassen stecken voller Geräte: Laser und Radar zur Vermessung der Atmosphäre, ganze Labore zur Dauer- und Kurzzeitmiete, überall Daten- und Versorgungsleitungen. Die meisten betreuenden Wissenschaftler schauen nur gelegentlich vorbei, wohnen irgendwo im Tal. Anders Ludwig Ries.
Ries ist nicht nur Chef der Messstation, die das Umweltbundesamt hier betreibt. Er ist auch so etwas wie die gute Seele des Schneefernerhauses - und verkörpert eine Spezies von Umweltforschern, die oft selbst in der Fachwelt kaum wahrgenommen werden, ohne die aber seriöse Wissenschaft unmöglich wäre. (...)